Kapitel 58

106 5 0
                                    

*Eine Woche später in Belgien*
Ich liebte es, wenn Harry performte. Es sah so vollkommen aus. Wie er sich bewegte und zur Musik tanzte. Er wirkte so glücklich. Er strahlte über das ganze Gesicht und zeigte seine süßen Grübchen.
Ich liebte es zu 99%. Dieser eine Prozent in mir hasste es. Ich konnte etwas zu besitzergreifend werden. Gesteigert hatte sich das nochmal nach dem Unfall. Wenn ich ganz ehrlich war, hätte ich jedes Mal an die Decke springen können, wenn ein menschliches, atmendes, sich bewegendes Wesen ihn in irgendeiner Art und Weise berührte.
Einmal hatte Paul mich backstage zerren müssen, weil ich sonst vermutlich einer jungen, attraktiven Frau, die Harry meiner Meinung nach etwas zu nahe gekommen war, an die Gurgel gegangen wäre. Ich hatte schon die Ärmel hochgekrempelt und wäre wohl auch Fäuste schwingend auf sie zugestampft. Aber Paul hatte schneller reagiert, mich an den Armen gepackt und nach hinten geführt.
Schnell wischte ich den Gedanken beiseite. Heute war Harrys „freier Tag". Wir liefen mit weiten Hoodies, Masken und Mützen durch die Stadt. Er trug meinen Scrunchy in den Haaren und das Armband, das ich ihm gemacht hatte, nahm er nie ab. Er wollte mir unbedingt etwas kaufen. Das einzige, was ich brauchte war ein neuer Pinsel. Ein ganz bestimmter Pinsel. Ein synthetischer DaVinci Pinsel aus sibirischem Kolinsky-Rotmarderhaar. Das war der, den ich wollte. Und Harry hatte ihn gefunden.
Ich war so glücklich.
Plötzlich verfestigte er den Griff um meine Hand.
„Entschuldigung.", quiekte auf einmal jemand neben uns, „Harry, könnte ich ein Foto mit dir machen?"
Ich sah zu der jungen Frau. Sie war stark geschminkt und ihre schwarzen Haare fielen ihr ordentlich gelockt über den Rücken.
„Natürlich."
Er ließ meine Hand los und stellte sich neben sie. Schnell knipste er das Foto und wollte wieder zu mir, da sagte sie. „Ich bin so ein großer Fan. Ganz ehrlich, ich liebe dich so sehr."
Gereizt sah ich auf ihre Hand. Sie lag schon ziemlich lange an seiner Hüfte. Er hingegen berührte sie kaum. Seine Hand war im Bereich ihrer Taille, allerdings schwebte sie circa einen Zentimeter darüber. Er berührte sie nicht. Zunächst räusperte ich mich laut. „My Love, können wir?"
Ihre Hand bewegte sich nicht. Ich kratze ihr gleich die Augen aus, ganz ehrlich, dachte ich.
„Baby?"
Er schaute mich ruhig an und ihre blöde Hand bewegte sich immer noch nicht.
Okay, das reicht.
Ich schoss mit den Worten „Nimmst du wohl deine Flossen von seinem Hintern?!" auf Harry zu und nahm besitzergreifend seine Hand, um ihn zu mir zu ziehen. Das war wahrscheinlich zickig. Vielleicht zu zickig. Aber das war mir egal.
„Entschuldigung?", echauffierte sie sich.
„Nichts ,Entschuldigung!'", motzte ich, „Ist das dein Freund?! Ich denke nicht! Also was sucht deine Hand am Hintern meines Freundes?!"
„Äh- wir haben nur ein Foto gemacht. Wo liegt dein Problem?", schoss sie zurück.
Ich wollte etwas sagen, doch er unterbrach mich. „Hab noch einen schönen Tag."
Dann legte er einen Arm um mich und ging mit mir and der Frau vorbei.

Wir waren wieder im Hotel und stiegen gerade in den Aufzug ein.
„Was war denn das vorher?", fragte er vorsichtig.
Die Türen schlossen sich hinter uns. „Diese blöde Kuh und ihre bescheuerte Hand!", erklärte ich gereizt.
„Sweeth-"
„Ne, jetzt kommt mir nicht mit Sweetheart! Und sag mir auch nicht, dass sie dich ja gar nicht berührt hat! Das hat sie nämlich! Ich bin weder blind noch dumm, Harry!"
„Das weiß ich doch.", murmelte er, „Aber du hast wirklich keinen Grund, eifersüchtig zu sein."
„Pah!", spuckte ich ihm entgegen, „Ich habe jeden Grund, eifersüchtig zu sein! Du bist jeden Tag von attraktiven, charmanten Frauen umzingelt, deren Beine fast doppelt so lang sind wie meine; deren Haare perfekt aussehen und deren Make-up immer perfekt sitzt und nicht aussehen, als wären sie gerade erst aufgestanden! Diese Frauen haben nicht mal Augenringe!"
„Holst du bitte Luft, wenn du redest. Du bist schon ganz blass.", stellte er fest, „Und mich interessiert es nicht, wie lang die Beine von irgendeiner Dalia, Hannah oder Tiffany sind. Ich mag deine Beine viel lieber. Und ich liebe deine wirren Locken und deine Natürlichkeit viel mehr, als das zugespachtelte Gesicht von irgendeiner Kendall, Kim oder Kylie. Ich glaube, manchmal verstehst du gar nicht, wie sehr ich dich liebe, Clara. Mehr als alles andere.", er schaute mich an, „Sag mal, bewegt sich dieser Aufzug noch?"
Jetzt realisierte ich es. Dieser Aufzug stand still. „Ich glaube nicht."
Harry fing an zu lachen und aus irgendeinem Grund musste ich mitlachen. Dann drückte er den Notknopf.
Was für ein Tag.

Gegensätze ziehen sich an|| HSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt