Kapitel 35

109 4 0
                                    


Seine Sicht

Die Strecken in Oslo waren wieder perfekt präpariert und auch sonst war es einfach nur zauberhaft auf dem Holmenkollen. Die Sonne schien und die Bedingungen waren einfach perfekt. Trotzdem lag ich nach dem Sprint mit 1:11 hinter meinem Landsmann Henrik. Er hatte seinen ersten Weltcupsieg feiern dürfen und ich gönnte es ihm wirklich, dass er es bei unserem Heimweltcup geschafft hatte zu gewinnen. Auf den heutigen Verfolger würde dann noch ein Massenstart folgen.

Heute wollte ich mich aber zunächst auf den Verfolger konzentrieren. Ich wollte gerne einige Plätze gut machen und halbwegs versöhnlich mit dem Sprint enden zu können. Ich gab im Rennen mein absolut bestes um mich nach vorne zu arbeiten, aber neben einem unfassbaren Martin Fourcade hielt ich mich auch selbst mit einigen Fehlern zurück. Dennoch konnte ich dank meines Laufens noch auf Platz 12 nach vorne laufen. Es war versöhnlich, aber ich wollte mehr zeigen. Ich wusste, dass ich mehr als die Top 15 konnte. Aber ich würde im Massenstart noch eine Chance haben in Oslo zu zeigen, was ich konnte.

Allerdings gab es schon während des ganzen Weltcups viel Gerede. Unser Saisonabschluss sollte dieses Jahr in Tjumen in Russland stattfinden, aber viele Verbände waren nach der Veröffentlichung des zweiten McLaren Reports nicht besonders begeistert, dass Russland schon nach einer Saison wieder einen Weltcup bekommen würde. Und dann auch noch das Weltcupfinale. Unsere Athletenvertretung hatte ähnlich, wie einige Verbände gefordert den Wettkampf zu entziehen, aber es war nichts passiert. Neben den ganzen Mannschaften aus Kanada, Tschechien, den USA sowie der Ukraine hatte auch der junge Schwede Sebastian Samuelsson angekündigt nicht anzutreten. Auch wir hatten darüber diskutiert, nicht nach Russland zu fahren, hatten uns dann aber doch entschieden hinzufahren. Vor allem auch, weil mein Bruder im Gesamtweltcup Martin Fourcade noch gefährlich nahe war. Und viele von uns wollten auch noch etwas an ihrem Saisonergebnis etwas verbessern. Trotzdem war es von der IBU natürlich kein gutes Zeichen. Und wir wussten auch, dass wir wahrscheinlich einiges an Schlagzeilen produzieren würden. Und ich hatte vor allem Angst davor, dass Emils Abschied dadurch herabgewürdigt werden würde.

Trotzdem musste unsere Konzentration jetzt dem Sport gelten und irgendwie schaffte ich es tatsächlich für das nächste Rennen genug Konzentration zu sammeln. Bis zum dritten Schießen lag ich sogar noch auf Medaillen Kurs.

Ich fuhr auf Position 3 auf den Schießstand ein und begab mich sogleich in die Position für meinen Anschlag. Ich vergrub mich hinter meinem Diopter und visierte die 50m entfernten Scheiben an. Als das Schwarze in meine Visierlinie gelangte drückte ich ab und konnte die ersten drei Scheiben ohne Probleme abräumen. Die vierte Scheibe verfehlte ich dann und musste mich für die letzte Scheibe meinen Fokus noch einmal erneuern und konnte sie schließlich treffen. Die Strafrunde warf mich etwas zurück, aber die Top 10 waren durchaus zu realisieren, weshalb ich mir alle Mühe gab mich in der Loipe zu beeilen. Bei letzten Schießen schaffte ich glücklicherweise noch einmal die Null und konnte an Position 8 zurück auf die letzte Runde gehen. Ich schaffte es in dieser Runde noch an Johannes Kühn und Lukas Hofer vorbei und landete so schließlich auf Platz 6 in der Endabrechnung. Gewonnen hatte der Russe Maxim Zwetkow vor Erlend und Johannes. Vor mir lagen noch Benedikt Doll und Henrik. Mit vier Athleten in den Top 6 war unsere Mannschaft die stärkste des Tages, was uns auch alles sehr stolz machte.

Jetzt freute ich mich auf eine kurze Verschnaufpause vor unserer letzten Weltcup Station für dieses Jahr. Und ich freute mich auf Liva, die heute aus Schweden zurückkommen würde, um noch ein bisschen zu trainieren, bevor sie mit Emil das Rennen bestreiten würde. Da ich sie zum Flughafen gefahren hatte, würde ich sie heute auch wieder abholen. Auch deshalb hielt ich mich nur sehr kurz nach dem Rennen noch am Holmenkollen auf. Liva hatte mir kurz vor dem Abflug geschrieben und mir bescheid gegeben, dass wir auch Marit mitnehmen würden.

Und so stand ich pünktlich 17:30 am Ankunftsgate am Flughafen und wartete auf Liva und Marit. Wenig später sah ich beide am Gate und wartete, bis sie bei mir waren. Liva gab ich daraufhin einen Kuss und Marit schüttelte ich die Hand, bevor ich den beiden mit ihrem Gepäck half. Wenige Minuten später saßen wir dann in meinem Auto und brachten Marit nach Hause. Sie erzählte, dass sie mit nach Russland kommen würde um Liva und Emil anzufeuern. Richtig geschockt war ich aber, als Marit anklingen ließ, dass sie ihre Kariere beendet hatte. Sie war die Grande Dame des Skisports gewesen und ich wusste sehr gut, was ihr Karierende für eine Lücke reißen würde. Aber man sollte ja bekannt aufhören, wenn es am schönsten war.

Als wir Marit abgesetzt hatten, fuhren wir zu Liva nach Hause, wo ich noch kurz mit dem Gepäck half und mich dann für den nächsten Tag mit ihr zum Schießtraining am Holmenkollen verabredete. Danach verabschiedeten wir uns von einander, aber ich versäumte es nicht, Liva noch zu ihren Erfolgen im Gesamtweltcup zu gratulieren. Danach gab ich ihr Zeit zum Ausruhen, da sie eine ganz schön ermüdende Wettkampfphase hinter sich hatte.

Nach dem Abschied machte ich mich auf den Weg nach Hause, wo ich mir zunächst etwas zu essen machte, bevor ich mich auf mein Sofa kuschelte und irgendeine der sinnlosen Serien ansah, von denen Johannes der Meinung war, dass sie unfassbar gut wären. Ich bekam entweder von ihm oder von Emil regelmäßig Serienempfehlungen, aber nicht selten, war es der größte Mist, den ich je gesehen hatte. Den besten Geschmack bei Serien hatte tatsächlich Liva bewiesen. Als wir im letzten Sommer so viel Zeit verbracht hatten, hatte sie mir auch einige ihrer Lieblingsserien gezeigt, wenn auch nicht so häufig, wie sie mir Bücher empfohlen hatte. Aber Liva hatte ein Faible für Krimiserien und da ich auch selbst spannenden Serien nicht abgeneigt war, hatte ich einige der Serien zumindest Teilweise angesehen und hatte am ende vor allem Bones, die Knochenjägerin und Mord in Fjällbacka für gut befunden und angesehen.

Aber ich musste bei den Empfehlungen von Johannes und Emil immer mindestens eine Folge anschauen, bevor ich den beiden mein häufig vernichtendes Urteil unterbreiten konnte.

Ufullkommenhet er en Form av FrihetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt