Kapitel 20

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Ihre Sicht

Weihnachten war viel zu schnell vorbei. Ich hatte meine Akkus zwar wieder aufladen können, aber ich hätte noch mehr Zeit mit meiner Familie verbringen können. Immerhin hatte ich das mit Emil wieder halbwegs hinbekommen. Ich war unfassbar froh, dass meine Mutter auf eine Versöhnung bestanden hatte, denn so waren unsere morgendlichen Langlaufrunden um einiges entspannter geworden.

Jetzt war ich auf dem Weg zurück in den Weltcup. Die Tour de Ski stand an und neben meinem Ziel, die Tour zu gewinnen, wollte ich mich auch für die olympischen Spiele einstimmen und die perfekte Form erlangen.

Wir würden in Lenzerheide mit der Tour starten, worauf ich mich sehr freute, da ich die Schweiz sehr mochte und vor allem auch über die Organisation in der Schweiz  immer sehr glücklich war. Kaum irgendwo sonst lief es so reibungslos, wie in der Schweiz.

Ich würde alle Rennen bei der Tour laufen. Das war zumindest der Plan. Der Freistil Sprint in Lenzerheide wäre dabei aber eher eine Erwärmung für die längeren Rennen. Ich lief zwar den Teamsprint gerne, war aber bei den Einzel Sprints nie unbedingt gut. Außer im letzten Jahr. Da war es gelaufen. Mein Fokus lag jetzt verstärkt auf den längeren Rennen und den Klassik Rennen.

Angekommen in Lenzerheide bezog ich zusammen mit Marit ein Zimmer in unserem Hotel. Ich war mit Marit auf einem Zimmer, da Therese seit Ende der letzten Saison wegen Dopings gesperrt ist. Der Dopingfund bei Therese hatte hohe Wellen geschlagen und wir konnten froh sein, dass der Dopingbefund auf nach den Weltmeisterschaften datiert war. In der Athletenvertretung von uns Langläufern in Norwegen war eine unfassbare Diskussion entstanden, wie wir darauf reagieren sollten. Auch wenn es als Versehen deklariert worden war, waren wir auf eine ganze Menge Kritik gestoßen und wir hatten reagiert. Ich hatte zusammen mit Simen Hegstad Krüger, Marit und Emil Iversen eine Pressemitteilung herausgegeben. Wir hatten uns gegen Doping ausgesprochen, hatten aber auch klar gemacht, dass auch versehentliches Doping zu bestrafen war. Wir machten darauf aufmerksam, dass man als Sportler aufpassen musste und vor allem alles Unbekannte überprüfen sollte. Wir hatten Therese nicht verteidigt, aber wir hatten klar gemacht, dass man auch Fehler machen konnte. Für mich war es schwer gewesen diesen letzten Teil mit hinein zu nehmen. Ich hatte für mich selbst eine Null Toleranz Politik gegen Doping festgelegt, aber es gehörte sich natürlich auch nicht Hetzkampagnen im Netz gegen Personen zu starten.

Die ganze Sache mit dem Doping hatte die Vorbereitung ziemlich beeinflusst. Auch deshalb war ich zu meinen Eltern gegangen. Und natürlich wegen Tarjei.

Mittlerweile war auch bei mir und bei den anderen wieder etwas ruhe eingekehrt. Wir hatten es als Team wieder an die Spitze geschafft. Ich führte vor Heidi Wenig im Gesamtweltcup und auch in der Nationenwertung lagen wir vorne. Es war also wieder alles im Lot. Jetzt wollten wir auch in der Tour zuschlagen.

Wir waren gerade in Lenzerheide angekommen und jetzt waren wir schon auf dem Weg zu den Strecken. Da die Rennen und alle Etappen sehr eng getaktet waren. Deshalb mussten wir sehr schnell und auch noch sehr spät auf die Loipen gehen. Ich fand das zwar immer unfassbar stressig, aber das war nun mal der Alltag als Leistungssportlerin.

Zusammen mit Marit lief ich in den Loipen. Die Strecke war unfassbar gut präpariert und ich war mir sicher, dass es morgen sehr spannend werden würde. Ich persönlich kam unfassbar gut klar und ich merkte fast nicht, dass gerade noch Weihnachten gewesen war.

Trotzdem viel ich nach der Einheit erschöpft in mein Bett und war bereits eingeschlafen, als Marit den Raum betrat und sich ebenfalls ins Bett legte.

Nach einer erholenden Nacht begann am nächsten Morgen die stressigste Weltcupphase der Saison. Ich stand im Sprint am Start und schaffte es auch ohne Probleme durch die Vorrunde bis zum Halbfinale. Im Halbfinale hatte ich dann schwere Gegnerinnen. Neben mir waren meine Team Kollegin Kathrine Harsem, die Schwedin Charlotte Kalla, die Amerikanerin Ida Sargent, Laurien van der Graaf aus Schweiz und die starke deutsche Katharina Henning. Mit dem Startschuss sprangen wir alle los und es war sofort klar, dass wir uns nichts schenken würden, um ins Finale zu kommen. Am letzten Anstieg versuchte ich eine Attacke zu setzen und setzte mich ein klein wenig ab. Allerdings nicht weit genug. Charlotte und auch Laurien konnten an mir dranbleiben. Im Zielsprint waren wir fast gleichschnell. Allerdings unterlag ich beiden knapp. Aber wir waren schnell gewesen. Wenn ich Glück hatte, konnte ich über die Lucky Loser Regel noch ins Finale kommen.

Und genauso kam es auch. Wenige Minuten später stand ich zusammen mit Charlotte und Laurien im Finale neben Sophie Caldwell, Stina Nilsson und Maiken Caspersen Falla. Das Tempo war erneut unfassbar hoch und ich merkte mal wieder, dass ich nicht die stärkste Sprinterin war. Zumindest nicht im Freistil. Trotzdem gab ich alles. Und landete schließlich auf dem vierten Platz. Kein schlechter Anfang für die Tour.

Am Abend setzte ich mich mit einem Buch in mein Bett um mich ein bisschen zu entspannen, bevor Marit ins Zimmer kam und den Fernseher anstellte um ein bisschen Ablenkung zu bekommen. Ich erhob meinen Blick zunächst nicht von meinem Buch, doch dann hörte ich die Stimme von Tarjei. Es überraschte mich, da die Biathlonsaison noch gar nicht wieder begonnen hatte. Da ich nur wenig schwedisch verstand dauerte es eine Weile, bis ich mitbekam, dass es ein aufgezeichnetes Interview war, was sie im Rahmen einer Serie über Olympia ausstrahlten.

„Na Bambi? Sind wir doch noch nicht so ganz über die Affäre hinweg?" Marit sieht mich grinsend an.

„Was?" völlig verwirrt schaue ich Marit an.

„Dein Kopf war bei Tarjeis Stimme schneller oben, als ich am Buffet bin, wenn wir die Athletenfeier besuchen." Marit grinst wieder.

„Bei mir ist alles in Ordnung. Ich war nur überrascht, dass was Norwegisches im schwedischen Fernsehen läuft." Gab ich zurück.

„Ich bin darüber hinweg Marit. Ich habe gelernt mit meinen Gefühlen umzugehen." Gebe ich etwas genervter als beabsichtigt zurück.

„Okay, okay. Ich wollte dich nicht angreifen. Du sahst nur so aus, als ob es nicht so wäre." Gibt sie zurück.

„Das habe ich auch nicht so aufgefasst. Ich war vielleicht zu genervt. Aber ich will einfach nicht mehr darüber sprechen." Gebe ich zurück.

Danach ist das Gespräch irgendwie beendet. Und ich stelle mich mental auf die nächsten Rennen ein.

Ufullkommenhet er en Form av FrihetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt