Kapitel 14

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Ihre Sicht

Zwei Monate war es jetzt her, dass ich den Gesamtweltcup gewonnen hatte. Mein Leben hatte sich dadurch sehr verändert. Immer mehr Menschen hatten Interesse an meinem Leben. Auf Instagram hatten sich meine Follower verdoppelt und ich bekam wahrscheinlich mehr Interviewanfragen als die meisten norwegischen Politiker, aber ich hatte mich langsam daran gewöhnt. Auch dank Tarjei, der mir eine Menge hilfreicher Tipps gegeben hatte. Was auch daran lag, dass wir sehr viel zeit mit einander verbracht hatten und ich langsam das Gefühl hatte, dass ich mich in ihn verliebt hatte.

Heute hatte ich mich dazu entschieden, auf Einladung von Emil mit den Biathleten zu trainieren. Und so kam es, dass ich heute in meinem kleinen Schuppen stand und nach meinem eigenen Biathlongewehr suchte. Tarjei saß während dessen auf meiner Veranda und trank seinen morgendlichen Kaffee. Es war zu einer Art Ritual bei uns geworden, egal ob wir bei ihm oder bei mir waren, morgens gemeinsam zu frühstücken.

Ich war gerade dabei einige Gartengeräte wegzuräumen, als auf einmal eine Spinne über meine Hand krabbelte. Ich schrie laut auf. Ich hasste Spinnen einfach. Ich schüttelte meine Hand und hoffte einfach nur, dass sie verschwinden würde. Sie flog gerade durch den Schuppen, als Tarjei die Tür aufstieß und mich fragend ansah.

„Was ist passiert?" er sah mich fragend an.

„Nur eine Spinne. Ich habe eine wahnsinnige Angst vor Spinnen." Ich sah ihn an.

„Wieder was über dich gelernt." Er lächelt und gibt mir einen Kuss.

Ich ziehe mein Gewehr aus der Ecke und sehe es an. Es ist jetzt fast sieben Jahre her, dass ich die Sportart wechseln musste. Nur wenige wissen, warum ich gewechselt habe, aber ich konnte auch nie ganz vom Biathlon weg gehen. Ich hatte nach meinem Unfall mein Gewehr umbauen lassen und hatte immer mal wieder geschossen. Aber ich war nie wieder wirklich zum Biathlon zurückgekehrt. Heute würde ich aber mal wieder schießen. Immerhin musste ich Emil ja zeigen, dass ich ihm noch das Wasser reichen konnte.

Ich schleppte mein Gewehr nach draußen und packte es in mein Auto. Neben dem Gewehr lagen noch Rollerski und Stöcke im Kofferraum. Auch Tarjei packte gerade seine Sachen in sein Auto.

„Warum hast du eigentlich ein Gewehr?" er sieht mich an.

„Ich habe mit Biathlon angefangen. Und heute will ich Emil zeigen, dass ich ihn noch besiegen kann. Auch wenn ich mir nicht wirklich sicher bin, ob ich es kann." Ich lächle ihn an.

„Na dann bin ich nachher aber gespannt. Ich fahre aber schon mal los, damit Emil nichts mitbekommt. Bis nachher." Er grinst, gibt mir einen Kuss und fährt los.

Ich schloss noch den Schuppen ab und schaltete noch den Geschirrspüler an, bevor ich die Tür meines Hauses Abschloss und mich in mein Auto setzte. Ich fuhr nicht gerne Auto, aber vor allem, um zum Training zu kommen, musste ich es manchmal, weil ich die Ausrüstung nicht eine Stunde durch halb Oslo schleppen wollte.

Am Holmenkollen parkte ich mein Auto auf einem der Parkplätze und sah schon Emil auf mich zu kommen. Er umarmte mich und half mir dann meine Sachen zum Schießstand zu bringen, wo ich schon Tarjei stehen sah. Ich begrüßte alle, bevor Emil auf die grandiose Idee kam, dass er gegen mich schießen wollte. Und ich war natürlich sofort bereit meinem großen Bruder zeigen zu wollen, dass ich besser war. Johannes erklärte sofort die Regeln. Pro komplett abgeräumter Serie würde es 2 Punkte geben. Wer zuerst 10 Punkte hatte würde gewinnen. Es würde nicht um die Zeit gehen. Er bestimmte auch, dass wir liegend beginnen sollten. Ausgerechnet. Ich war nie gut im liegend schießen gewesen.

Wir begannen zu schießen. Ich traf immerhin drei Scheiben, aber Emil verpasste auch eine Scheibe. Der stehende Anschlag lief besser und ich konnte nach einem langen Schießen alle Scheiben abräumen und heimste so meine ersten zwei Punkte ein. Wir schossen sehr lange und ich schaffte es sogar einmal im liegend Schießen alle Scheiben abzuräumen. Allerdings gewann am Ende doch Emil mit zwei Punkten Vorsprung. Wir klatschten ab, bevor Egil, der vorher auch bei uns Langläufern gewesen war, uns noch auf ein paar Runden mit den Rollski schickte. Nach dieser langen Einheit standen wir noch eine ganze Weile zusammen und irgendwann machte sich Sigfried bemerkbar.

„Liva, ich will nicht indiskret sein, aber warum bist du keine Biathletin geworden? Liegend ist dein Schießen zwar nicht gut, aber das hätte man Trainieren können." Er sieht mich fragend an.

„Es hat sich anders ergeben." Versuche ich auszuweichen. Aber Sigfried lässt nicht locker.

„Und noch eine Sache. Du bist Rechtshänderin, aber Linksschützin. Wie kommt das?" er sieht mich fragend an.

„Ist wegen meinen Augen. Das was als Rechtsschützin gut sein müsste ist bei mir kaputt. Also bin ich ausgewichen." Ich habe wirklich keine Lust mehr darüber zu sprechen.

Sigfried scheint das nun doch mitzubekommen und wechselt das Thema.

„Soll ich Inga eigentlich deine Werte geben Liva?" er sieht mich wieder an.

„Das wäre sehr lieb. Dann hat sie schon mal Vergleichswerte." Gebe ich zurück, wundere mich aber, warum er sie Inga nennt.

Die Gespräche ziehen sich noch etwas weiter und ich trinke nebenbei aus meiner Flasche, erwische mich aber auch immer wieder dabei wie ich Tarjei anstarre und er zurück starrt. Und Emil scheint es zu bemerken.

„Sag mal Tarjei, seit wann vögelst du eigentlich meine Schwester?" ich verschlucke mich an meinem Getränk.

„Emil!" schockiert über seine Worte sehe ich ihn an und auch Tarjei sieht sehr betroffen aus.

„Was Liva? Willst du mir wirklich erzählen, dass bei euch nichts läuft?" er sieht uns an.

Ich sehe zu Tarjei. Ich weiß nicht wie ich reagieren soll. Aber Tarjei signalisiert mir, dass wir vielleicht die Wahrheit sagen sollten.

„Seit Oberhof." Tarjei sieht ihn einfach nur an.

„Seid ihr jetzt ein Paar oder was?" ich glaube Emil ist immer noch nicht begeistert und es wird nicht besser werden.

„Das haben wir nicht wirklich definiert." Ich versuche es so normal wie möglich klingen zu lassen.

Herregud Liva. Und Tarjei ich hatte dir gesagt, dass du deine Finger von ihr lassen sollst." Ich kann nicht fassen was er da sagt. Mir treten die Tränen in die Augen.

„Glaubst du wirklich, dass du entscheiden kannst, wie ich mein Leben lebe?" ich sehe ihn entgeistert an.

„Ich will nur nicht, dass du wieder meinet wegen verletzt wirst." Er sieht mich an.

Mein Herz bleibt beinahe stehen.

Ufullkommenhet er en Form av FrihetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt