10: Den Kopf freikriegen

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Dieser Spaziergang war perfekt, um den Kopf frei zu kriegen.

Tief atmete Joey die kühle Morgenluft ein und versuchte seine Gedanken zu ordnen.

Wenn er das gestern tatsächlich nicht geträumt hatte, stimmte es wohl, was Tristan so dreist angenommen hatte:
Er war vor allem als billige Gelegenheit eingeladen worden, abends, nach getaner Arbeit, gemütlich einen wegzustecken. Nicht, um seinen Hund zu betreuen.

Jedenfalls nicht nur.

War es denn wirklich SO offensichtlich, dass Joey dem sexy CEO gegenüber prinzipiell nicht abgeneigt war?

Sah er etwa für jeden auf den ersten Blick aus, wie ein schwuler, naiver, notgeiler Trottel, der für alles zu haben war? Jederzeit für DAS EINE zu haben war?

So falsch war das nicht mal, doch dass Seto ihm das scheinbar auf den ersten Blick ansehen konnte erschrak ihn.
Beschämte ihn.

Als Joey tief seufzte, blieb Horus stehen und sah ihn mit großen Augen an.
„Alles gut, Horus. Es ist nicht wegen dir. Dein Herrchen macht mir zu schaffen..."

Er war enttäuscht darüber, dass er ernsthaft darüber nachdachte der Versuchung einfach nachzugeben. Setos erste, 'normale' Freundschaft zu gefährden.

Sich zu prostituieren.

So wie er Seto kannte, hatte dieser nämlich ganz sicher vor, ihn dafür zu bezahlen.

Und doch wollte er es irgendwie tun.
Es mit ihm tun.
So häufig er eben konnte.

Nur, um ihm für ein paar flüchtige Momente ganz nahe zu sein. Ein paar Mal seine nackte, warme Haut auf seiner zu spüren. Einfach um zu erfahren wie es so wäre ihn zu haben. Ein paar Nächte diesen Traum zu träumen.

Er konnte nun einmal unmöglich leugnen, dass der furchterregende, steinreiche Geschäftsmann etwas in ihm auslöste.

Lust.
Natürlich.

Er sah nun einmal auffallend attraktiv aus.
Sexy.
Elegant.
Fantasieanregend.
Das war nicht abzustreiten.

Doch auch eine andere, ganz spezielle Art der Zuneigung war still und leise in ihm entsprungen.
Ein zartes Knöspchen.
Noch ganz klein, doch leider auch nicht länger klein genug, um es zu ignorieren.

Er war eindeutig gerade dabei sich zu verlieben. Mit voller Breitseite.

In seine realitätsferne, weltfremde Art.
In seine amüsante Art sich anzunähern.
Und diese kalten, unglaublich intensiv blickenden, blauen Augen.

Umso mehr erschütterte es ihn, dass er von seiner Seite aus, allen Anschein nach, anstatt lediglich eine unschuldige, erste  Freundschaft aufzubauen, wohl vorrangig für flüchtigen Sex ausgenutzt werden sollte.

Auf reiner Transaktionsebene.
Wie bei jedem anderen in dessen Leben wohl auch. Das Leben war für ihn scheinbar ein reines Geschäft.

Joey erschien ihm scheinbar convenient, da er sich bisher wohl verfügbar und genügsam präsentiert und bisher nie irgendetwas abgelehnt hatte. Er mochte ja laut eigener Aussage folgsame Hunde und Joey stand eben auf Anfrage zu jeder Tages- und Nachtzeit auf der Matte.
Eine Nachricht genügte. 

Das schien wohl recht eindeutige Signale gesendet zu haben. Er musste irre verzweifelt gewirkt haben.
Und willig.

Dabei hatte er sich solche Mühe gegeben ihm nie von sich aus zu schreiben und es bei kurzen, halbwegs emotionslosen Antworten zu belassen, um ihm nicht auf die Nerven zu gehen. Doch Seto war eben zu klug, um auf perfide, kleine Dating- Maschen wie diese hereinzufallen.

Joey war für ihn scheinbar ein offenes Buch.

Jetzt war wohl nichts mehr zu retten.
Wenn man erst einmal als lustiges Haustier für alle Zwecke wahrgenommen wurde, gab es keinen Weg zurück.

Sich Respekt zu verschaffen und wieder auf Augenhöhe zu agieren schien ein Ding der Unmöglichkeit zu sein.

Also hatte er die Wahl: Spiel spielen und auf kurz oder lang entsorgt werden, oder es nicht tun und sofort entsorgt werden?

Hatte er die Wahl nicht längst getroffen?

Hier lief er und versuchte zu verdrängen, dass er vorsorglich Kondome und Gleitgel in seine Reisetasche gepackt und sich pingelig genau jede noch so verborgene Stelle rasiert hatte. Bloß, um auf Nummer sicher zu gehen. Für den Fall aller Fälle.

Dass er gestern mit der Erektion seines Lebens zu kämpfen hatte, nachdem Seto davon gesprochen hatte 'ganz sein' zu sein.
Die.
Ganze.
Nacht.

Ähnlich wie in der Nacht, nachdem Tristan seinen Verdacht geäußert hatte.

Schließlich hatte er in der freien Wildbahn noch nie einen getroffen, der mit Männern im Bett klar kam. Zumindest hatte er sich bisher nie getraut jemanden außerhalb von Gay- Clubs oder Seiten danach zu fragen.
Die allgemeine Weltbevölkerung war nunmal leider nach wie vor recht heteronormativ.

Dass Kaiba mit ihm schlafen wollte, obwohl er sicherlich weitaus bessere Optionen hatte, hatte ihm ein ungeahntes Glücksgefühl geschenkt, obwohl er es eigentlich gewohnt war, dass er bei Männern und Frauen gleichermaßen gut ankam.

Aber Seto war eben ein völlig anderes Kaliber. Mit einem wie ihm hatte er noch nie zu tun gehabt. War er denn wirklich auf einen dahergelaufenen Trottel aus dem Park angewiesen?

Fand er ihn denn tatsächlich interessant, oder hatte er lediglich vor, das Licht auszulassen?

Warum zur Hölle hatte er gestern so verächtlich vom ‚hinter sich bringen' gesprochen? Es zwang ihn ja schließlich niemand sich dazu 'herabzulassen' ihn zu ficken. War ja seine eigene Entscheidung.

Vielleicht weil er nichts von Vorspiel hielt? Wollte er vielleicht niemanden vorbereiten, den er eigentlich gar nicht so geil fand? Vielleicht auch weil er ihn für ne Jungfrau hielt und es mühsam fand jemanden erst 'einzureiten'?

Das viele Nachdenken bereitete Joey so langsam Kopfschmerzen.

Zwei Stunden war er nun schon so kopflos die, schier endlos scheinende, Strandpromenade auf- und abgelaufen und machte keinerlei Anstalten wieder ins Hotel zurückkehren zu wollen. 

Dort würde er nur wieder an DINGE denken. Sündige Dinge.
Schließlich lag Setos Koffer offen herum.
Die Versuchung war einfach zu groß darin herumzustöbern.

Vor dem Gassi- Gehen hatte es ihm schon eine Menge Selbstbeherrschung gekostet, nicht an Kaibas dünnem Rollkragenpullover von gestern zu schnuppern.
So weit war es schon mit ihm gekommen.

Nach einer weiteren Viertelstunde des planlosen Umherirrens, spürte er sein Mobiltelefon in der Hosentasche vibrieren und blieb abrupt stehen.

„Ich seh nur kurz auf's Handy.", erkläre er Horus, der ihn verwundert ansah.

Seto: Hunger?

Golden Retriever: Immer 👍

Seto: Ich habe in einer halben Stunde Mittagspause.

Im Anhang befand sich ein abrufbarer Standort mit Karte

Golden Retriever: Was mach ich mit Horus? 🤔

Seto: Wird dir nichts anderes übrigbleiben, als ihn mitzubringen.

Golden Retriever: 👍

Der CEO, sein HUND und ICH - #Puppyshipping (Joey x Seto Kaiba) FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt