Im Ernst? Oma, was soll das? Ironie oder so was in der Art? Fast wäre ich die Treppe rückwärts wieder runtergepoltert. Diese Türen, die von einem Treppenabsatz aus direkt abgehen, habe ich noch nie verstanden. Viel zu gefährlich.
Trotzig reiße ich den Zettel ab und die Tür auf. Gerne würde ich nun so etwas sagen wie ›Wow, was ich gerade sehe, ist der Hammer‹, doch so ist es nicht. Tut mir leid, Leute. Kennt ihr das, wenn das Licht durch die Fenster eindringt und ihr gefühlt jedes – so um die Tausende – Staubkörner in diesen Lichtschwaden seht? Genau so dürft ihr es euch vorstellen. Was mich überkommt, ist ... ein Hustenanfall und ich bin froh, Lenara in ihrem Zustand nach Hause geschickt zu haben. Sie hat eh schon zu viel gemacht, wofür ich mich schlecht genug fühle.
Patrizia, die Vornehme. Aha, so richtig passt das nicht mehr. Andererseits ... Vielleicht war sie schon länger nicht mehr hier oben. Obwohl sie muss ja den Zettel angebracht haben. Diese Notiz mit ihren dicken Lettern. Hatte sie gehofft, dass ich herkomme?
Wie ferngesteuert – ich versuche, meine negativen Gedanken wegzuschieben – gehe ich über den Dielenboden auf ihren majestätischen Schreibtisch zu. Früher habe ich viel Zeit mit ihr hier verbracht. Auf diesem Dachboden, der wie eine kleine eigene Welt ist. Unser Paradies. Sie hat mir Geschichten erzählt und ich habe an ihren Lippen gehangen und alles aufgesogen wie ein Schwamm. Nebenan – im angrenzenden halben Zimmer – haben wir uns dann manchmal ins Bett gekuschelt und ein Mittagsschläfchen gehalten. Wieso sich das alles geändert hat? Ich weiß es einfach nicht ... Das Einzige, was ich weiß, ist, dass mich ein schlechtes Gefühl zu diesem Ort erfasst, ... was ich nicht genauer greifen kann und auch gar nicht will. Vielleicht fand ich sie als Kind auch einfach interessanter und später bemerkte ich, wie schnieke – mit anderen Worten spießig – sie eigentlich ist?!
Ihr Thron – wie sie ihren Stuhl am Schreibtisch nannte, weil er in einem samtigen Rot gehalten ist – lädt mich zum Sitzen ein. Das wird noch eine Menge Arbeit und im Nebenzimmer habe ich noch gar nicht reingeschaut, wird mir bewusst, als ich mich umschaue. Ich trinke einen großen Schluck meines Wassers. Zum Glück war ich noch geistesgegenwärtig genug, die Flasche mit hochzunehmen. Ein paar Dinge sind immerhin schon in Kisten verstaut. Doch zwei Vitrinenschränke mit Büchern sowie Fotoalben und Allerlei warten noch auf mich. Dazu eine Kommode aus Eiche und natürlich dieser Schreibtisch – aus dem gleichen Holz mit hübschen Verschnörkelungen und Akzenten des samtigen Rots – mit seinen Schubladen. Nicht zu vergessen das halbe Zimmer nebenan.
Patrizia, die Vornehme. Ja, da passt es wieder. Grinsend fahre ich die Konturen des Tischs nach und öffne eine der Schubladen. Ein schwer aussehendes, gebundenes Buch in DIN A4 fällt mir direkt ins Auge – in seinem grünen Einband. Grün und meine Oma – wie unpassend. War alles Schniekige ausverkauft? Doch das, was dort draufsteht, überdeckt meine leicht von Sarkasmus angehauchten Gedanken. Mein Leben – Patrizia Ranke. Vorsichtig festhaltend hole ich es aus der Schublade. Es wiegt noch mehr, als ich dachte. Oder kann einem das nur so vorkommen? Mein Leben – Patrizia Ranke. Ich halte es in meinen Händen. Reinschauen oder nicht? Ganz sachte lege ich das Buch im dunklen Grün vor mir auf den majestätischen Tisch ab.
Was soll schon passieren, außer dass ich womöglich vor Langeweile an einem Mittag auf diesem bequemen Stuhl einschlafen könnte? So viel hälst du also von deiner Oma – interessant. Mir das Gegenteil beweisen wollend, schlage ich irgendeine Seite auf. Die Worte, die mir entgegenspringen, sind wie ein Schlag in die Fresse.
Anton, der Pimmel!
So schnell wie möglich klappe ich den Deckel des Buches wieder drauf, um sicherzugehen, dass ich mir ihren Namen auf der Vorderseite nicht eingebildet habe. Mein Leben – Patrizia Ranke. Was? Meine Oma und diese Worte? Und dann in extra fetten Buchstaben, als hätte sie jeden Buchstaben mehrmals nachgezeichnet. Was? Ich ... Ich weiß nicht, was ich ... Keine Ahnung.
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Historical Fiction◦𝗛𝗶𝘀𝘁𝗼𝗿𝗶𝘀𝗰𝗵𝗲-𝗔𝗸𝘁𝘂𝗲𝗹𝗹𝗲 𝗟𝗶𝘁𝗲𝗿𝗮𝘁𝘂𝗿 & 𝗥𝗼𝗺𝗮𝗻𝘁𝗶𝗸◦ Schnieke und vornehm auf der einen - hip und inmitten der Szene auf der anderen Seite. Zwischen alldem findet sich Elja wieder, die diese zwei Seiten ihrer Großmutter i...