Wo bin ich hier? In einer anderen Welt? Mich umdrehend, sehe ich diese bald in sich selbst zusammenfallende Tür mit diesem Symbol. Ich stehe in einem Innenhof. So etwas habe ich noch nie gesehen. Mich umblickend entdecke ich einige Frauen, die leger zusammensitzen, sich unterhalten, manche diskutieren, aber sie sehen nicht so aus, als würden sie sich gleich prügeln. Ich spüre, wie eine unsichtbare Last von meinen Schultern fällt, von der ich nicht einmal wusste, dass sie überhaupt existent war. In der Mitte entdecke ich Bänke und einen Tisch, an denen sich gerade Val und Soph sowie die anderen, mit denen ich ankam, hinsetzen. Soph winkt mich zu sich heran. »Na, wie findest du es?«
»Ist schon ganz in Ordnung«, antworte ich absichtlich frech und runtergespielt. In Wahrheit bin ich überwältigt. Hier sind nur Frauen. Keine Männer. Zumindest sehe ich keine. Ich nehme neben ihr Platz. Mir gegenüber ist ein Haus.
»Was ist dort?«, frage ich Soph und deute zu dem Eingang des Häuschens.
»Da halten wir unsere Versammlungen ab. Gleich geht es los.«
»Eure Versammlungen? Wozu?«
»Weißt du überhaupt, wo du gelandet bist?«, mischt sich nun Val wieder mit ein.
»Eigentlich nicht«, gebe ich ehrlich zu. Das Symbol – eine Faust mit einem Kreis drum herum und unten einem Pluszeichen ... Nein, anders. Es ist das Venussymbol mit dem Rest vereint – habe ich erkannt. Aber so richtig etwas damit in diesem Kontext anfangen kann ich nicht beziehungsweise, was alles dazugehört, weiß ich nicht.
»Doch vom Mond«, belustigt sie sich. Irgendwie mag ich sie trotzdem, auch wenn sie versucht, eine kühle Art nach außen zum Ausdruck zu bringen.
»Wer weiß?«, äußere ich daher einfach.
Die Zeit ist nun schon vorüber. Eine Frau kommt aus dem Clubhaus und ruft alle rein. Das Plenum beginnt. Soph guckt mich an und nickt Richtung Eingang.
»Ich auch?«, frage ich, als wäre ich bescheuert.
»Klar doch. Du bist doch eine Frau oder?« Damit steht sie auf und geht schon vor. Ich trotte ihr grinsend hinterher.
Drinnen versammeln sich wahrlich viele Frauen. Etwa um die fünfzig. Schnell bemerke ich, dass für sie alle wichtige Themen anliegen und für mich ist es hier definitiv spannender als heute in der Universität. Auch wenn ich dem nicht folgen kann, was mit meinem Dorfleben von vorher zusammenhängen kann, versuche ich es zumindest. Ich kann nur nicht verstehen, warum irgendwann irgendwer mit Gemüse geworfen hat. Das ist doch viel zu schade. Als ich mich zu Soph umdrehe, beschließe ich jedoch, sie das später in Ruhe zu fragen. Sie ist gerade aufgesprungen, um sich in diese hitzige Debatte einzubringen.
Ob ihre Nasenflügel immer beben, wenn sie wütend oder frustriert ist?! Das sieht niedlich aus. Patrizia, was denkst du da? Oh Gott. Benimm dich. Peinlich berührt drehe ich meinen Kopf wieder nach vorne und versuche verzweifelt der Diskussion zu folgen. In der Hoffnung, dass sie mein Anstarren nicht mitbekommen hat, kämpfe ich dagegen an, neugierig zu ihr zu schauen.
Gerade als ich meinen Kopf oder besser gesagt meine Gedanken zum Ausstellen bekommen habe, tritt eine Stille ein. Ist es zu Ende? Doch ... der Raum ist noch gut gefüllt, wie ich wahrnehmen kann, als ich mich umblicke.
»Wir sind hier!«, wird in einem mächtigen und klaren Ton gerufen, wie eine Art Appell. Die Frauen drehen sich daraufhin zu der Frau um. Und dann ... rufen sie gemeinsam.
»Wir sind hier, wir sind laut,
weil man uns die Zukunft klaut.«Es hört sich befreiend an. Hätte ich den Text gekannt, wäre ich vielleicht miteingestiegen. Soph hat das anscheinend registriert, sie stupst mich an. Und kurz darauf ruft die Menge wieder.
»Wir sind hier, wir sind laut,
weil man uns die Zukunft klaut.
Wir sind hier, wir sind laut,
weil man uns die Zukunft klaut.«Nach ein paar Silben habe ich mich tatsächlich getraut, welche mitzusagen. Nur leise, aber es ist ein gutes Gefühl. Die anderen jubeln und grölen. Auch das bringt mein Inneres in Wallung. Es ist anders und neu, jedoch auf eine positive Art, denke ich.
»Hast dich wacker geschlagen«, baut mich Val beim Rausgehen auf, was mich noch zusätzlich stärkt. Aus dem Grinsen komme ich gar nicht mehr raus.
»Danke. Ist wirklich interessant«, beginne ich, während wir die paar Schritte wieder hinaus an die Frische gehen. »Eine Frage hätte ich noch.«
»Nur zu. Hau raus.« Das sagt Soph so leicht. Ich komme mir etwas dumm vor. Nun gucken sie mich auch noch alle an. Wir sitzen wieder an dem zentralen Tisch im Hof und ich frage mich zusätzlich, ob sie hier die Hauptgruppe bilden.
»Ähm. Wozu das alles? Und warum hat diese eine ... Tut mir leid, habe den Namen vergessen. Ähm. Ja, also. Wieso hat sie Tomaten geworfen?«
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Oh Oma. Das weiß sogar ich. Na ja, okay. Fair enough – Ich interessiere mich für Geschichte und auch für die Frauenbewegungen. Wer weiß, ob ich es wirklich damals ebenfalls gewusst hätte.
Bevor ich umblättere und mit Sicherheit die belustigende Reaktion von Val dazu zu lesen bekomme, nehme ich das lose Bild in die Hand, dass in der Seite liegt. Es zeigt eindeutig meine Oma. Mit Patrizia, der Vornehmen hat das allerdings nicht viel zu tun. Sie sieht da ... eher ... hip aus?! Das Foto ist zwar ganz schön ausgeblichen – oder war das damals so? –, aber ich erkenne sie. Sie hat die gleichen glatten schulterlangen Haare wie ich. Auf diesem Bild trägt sie keinen Rock, der ihr ja offenbar unbequem erschien. Was ich echt verstehen kann. Eine lockere Hose umschmeichelt ihre langen Beine, dazu hat sie eine weite Bluse an. Rechts und links von ihr stehen Frauen. Vielleicht sind das mitunter Val und Soph. Glaubt ihr, dass Soph mehr als eine Freundin für Oma war?
Nicht, dass die anderen Geschichten weniger interessant gewesen wären, die sie mir erzählt hatte, aber dennoch frage ich mich, wieso? Warum hat sie mir davon nie etwas berichtet? Meine Oma und in dieser Szene? Und auch wenn es nur bei diesen Treffen blieb, ... was ich insgeheim nicht hoffe. Passen tut es irgendwie trotzdem gar nicht ... Alles neu für mich. Außerdem verstehe ich es nicht. Sie muss sich doch gedacht haben können, dass sie mir das genauso erzählen kann. Andererseits ... Ich war schon lange nicht mehr bei ihr gewesen ...
Da ist es wieder. Eins ... dieser furchtbaren nähernden Gefühle.
Schnell blicke ich wieder das Foto an. Im Hintergrund ist – zumindest passt es zu der Beschreibung – der Eingang zu diesem Club zu sehen. Der scheint wirklich einsturzgefährdet gewesen zu sein, so morsch, wie das Holz aussieht. Wiederum zeigt mir ihr glücklicher Gesichtsausdruck, dass sie eine gute Zeit hatte. Ich betrachte sie genauer und sehe, dass sie mit einer anderen Frau Händchen hält. Vielleicht ist das ja Soph. Eine wunderhübsche Frau mit gewellten Haaren. Sie strahlt richtig, wie meine Lenara es auch oft tut. Oh Mist. Lenara.
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wir sind hier
Historical Fiction◦𝗛𝗶𝘀𝘁𝗼𝗿𝗶𝘀𝗰𝗵𝗲-𝗔𝗸𝘁𝘂𝗲𝗹𝗹𝗲 𝗟𝗶𝘁𝗲𝗿𝗮𝘁𝘂𝗿 & 𝗥𝗼𝗺𝗮𝗻𝘁𝗶𝗸◦ Schnieke und vornehm auf der einen - hip und inmitten der Szene auf der anderen Seite. Zwischen alldem findet sich Elja wieder, die diese zwei Seiten ihrer Großmutter i...