Bäh. Ist mir etwas ausgelaufen? Schwerfällig hebe ich meinen Kopf ein Stück weit, wobei ich meine Augen öffne und direkt von der reinscheinenden Sonne geblendet werde. Also auf jeden Fall haben wir bereits den nächsten Tag. Nach ein paarmal Blinzeln schaue ich hinunter und erblicke einen riesigen Sabberfleck. Jetzt merke ich auch ... Bäh. Mit meinem Shirt wische ich mir die Reste aus dem Gesicht. Ich bin wohl beim Lesen eingeschlafen. Das Licht ist noch an und das Buch liegt neben mir. Zudem passiert mir das mit dem Sabbern auch nur, wenn ich aus dem Nichts weg geratzt bin. Ich strecke meine Hand nach dem Handy und der Wasserflasche aus. Letztere schraube ich auf und trinke erst einmal einen ordentlichen Schluck, um den Körperhaushalt wieder auszugleichen. Das wird schon so funktionieren oder?!
Schon merkwürdig hier aufzuwachen. Doch ich bin hier. Bei den Worten muss ich unwillkürlich an die Parole der Frauen denken, die auch meine Oma angenommen hat. Meine Oma. Patti, wurde sie genannt. Während ich aufstehe, muss ich mit dem Kopf darüber schütteln. Es kommt mir so absurd vor.
Frühsport soll gut sein, wurde euch das auch mal gesagt? Also wenn ich beziehungsweise wir das Haus übernehmen, werde ich hier oben eine Pantryküche einbauen. Okay ... Die Leitungen und so einen Kram sollte eine Fachperson machen. Aber ich denke mal, dass ihr wisst, was ich meine.
Ich musste gerade nur für einen Kaffee zwei Stockwerke runter laufen. Logischerweise musste ich mit der befüllten Tasse den gleichen Weg wieder hoch, vor allem diese letzte Treppe – auch wenn es mir nicht mehr so ein Grauen bereitet – hatte es in sich. Sie ist steiler und so doof, wie ich war, habe ich die Tür oben zugezogen. Diese dämliche Tür direkt vom letzten Absatz ...
Apropos doof. Da hab ich mein Handy vorhin zu mir geangelt, es dann aber wieder vergessen. Kurz überlege ich, wo ich mich hinsetzen mag. Schreibtisch oder Bett? Ach wieso nicht?! Ich schlendere durch zum Bett, stelle die Tasse auf den Nachttisch und schüttle die Kissen etwas auf, sodass ich mich am Kopfende anlehnen kann. Meinen Kaffee schlürfend – schnieke kann auch gut sein, muss ich eingestehen, denn Omas Kaffee ist echt saugut – sehe ich, dass Oma ein halbes Jahr ausgelassen hat ... Absichtlich?
~~~~~
April 1969
»Fräulein Ranke?«
Nicht in Starre verfallen und bleib ruhig, haucht mir meine innere Stimme zu. Mit einem tiefen Atemzug hebe ich langsam meinen Kopf, um dem Ehepaar entgegenschauen zu können. Ich sage ihnen natürlich nicht, dass ich beinahe die Treppe hinabgestürzt wäre. Was sollte das bringen? Ich kann froh sein, dass sie mich aufgenommen haben. Froh sein?!, lacht mich die gleiche Stimme in mir aus.
Nun etwas langsamer – einer Dame würdig – gehe ich die Treppe in ihre Richtung runter. »Guten Tag Herr und Frau Beier«, spreche ich deutlich aus und gucke dabei beabsichtigt sie an. Wie meine Mutter. Ich liebe meine Mutter, immerhin ist sie meine Mutter. Doch als sie bemerkt, dass ich sie anschaue, blickt sie weg. Steh doch zu dir!, würde ich gerne sagen, aber für Einzeldiskussionen sehe ich mich nach wie vor nicht gut gerüstet. Zu neu bin ich selbst noch dabei, aber das Gefühl dazu war bereits vorher da.
»Wann dürfen wir denn mit der Ankunft Ihres Verlobten rechnen?« Meines was? Ach ja. Aber dennoch, was? Gedanklich versuche ich herauszufinden, ob mein Mund offen steht. Ich hoffe nicht. Hoffentlich lächle ich nach wie vor zuckersüß wie eben eine Dame das so tut. Ich sagte zwar nichts von einem Verlobten, aber natürlich nehmen sie das gleich an. Innerlich schüttle ich mit dem Kopf. Aber um ehrlich zu sein, hatte ich mein Geflunker schon verdrängt.
»Das kann ich Ihnen leider nicht konkret beantworten. Es gibt einige organisatorische Schwierigkeiten bei uns im Dorf, wofür er zuständig ist. Gibt es Probleme wegen der Zahlungen?« Letzteres kann nicht sein, ich gebe ihm jeden Monat das Geld in die Hand und er mir den Beleg dafür. Ja, verdammt. Ich bin eine Frau, aber tatsächlich ist es uns wahrhaftig schon gestattet, alleine zu wohnen. Das schon, auch wenn viele es nicht wahrhaben wollen. Doch auch das sage ich ihm nicht, denn die Bleibe möchte ich auf keinen Fall riskieren und mir etwas Neues suchen müssen. Denn auch wenn es mir erlaubt ist, ist es schwierig.
DU LIEST GERADE
wir sind hier
Historical Fiction◦𝗛𝗶𝘀𝘁𝗼𝗿𝗶𝘀𝗰𝗵𝗲-𝗔𝗸𝘁𝘂𝗲𝗹𝗹𝗲 𝗟𝗶𝘁𝗲𝗿𝗮𝘁𝘂𝗿 & 𝗥𝗼𝗺𝗮𝗻𝘁𝗶𝗸◦ Schnieke und vornehm auf der einen - hip und inmitten der Szene auf der anderen Seite. Zwischen alldem findet sich Elja wieder, die diese zwei Seiten ihrer Großmutter i...