Habe ich vorhin Lenara geschrieben? Oder nur zweimal an mein Handy gedacht, aber nichts weiter damit angestellt? Bevor ich mit dem nächsten Abschnitt beginne, schaue ich lieber mal nach.
Elja
Guten Morgen! Ich bleibe noch
im Haus. Ich weiß, es muss
merkwürdig für dich sein. Aber
es tut mir gut. Ich erkläre es
dir dann in Ruhe. Mir geht es
gut. Wenn du mich brauchst, dann
ruf mich bitte an. Liebe dich.
09:07
Ich habe ihr wohl nicht getextet ... Mensch Elja!, raune ich mich gedanklich mit einer extra tadelnden Stimme an.
Beinahe mit einem Dauergrinsen muss ich die Geschichte meiner Oma bisher gelesen haben, so sehr wie meine Wangen nach Entspannung schreien. Aber dann kann es mir doch nur guttun ... oder nicht? Doch. Ich fühle mich ihr so nah wie schon lange nicht und das auf ein Weise, ... die ich gar nicht beschreiben kann.
Bis Lenara antwortet, nutze ich die Zeit und verschwinde im Badezimmer. Wer kennt es? – Duschen kann erholsam sein, oder? Daraufhin tapse ich noch einmal – dieses Mal gelingt es mir deutlich leichter – die Treppen runter und wieder hinauf, um mir einen neuen Kaffee, eine zweite Wasserflasche sowie ein paar Snacks zu holen. Dann verkrümele ich mich wieder mitsamt meinen Errungenschaften ins Bett. Mein Handy leuchtet auf und zeigt mir eine Nachricht von meiner Liebsten an.
Lenara
Guten Morgen meine Süße. Ist
okay. Achte auf dich! Bei mir
ist alles gut! Keine Sorge!
Ich liebe dich auch.
09:34
Ich drücke das Handy an mich. Süße ... Das entlockt mir ein Grinsen. Sie nennt mich generell nur so, wenn sich ihre Sorgen gerade auflösen. Dass sie überhaupt welche haben musste, liegt natürlich an mir. Aber Len geht es gut. Das ist die Hauptsache. Im Stich lassen möchte ich sie auf keinen Fall. Niemand von uns kann etwas dafür, dass es gerade jetzt so ist, wie es ist. Dass zwei so gegensätzliche einschneidende Ereignisse auf uns einprallen. Beide auf ihre Art bedeutend und wichtig. Ich weiß, dass Len es versteht. Wenn, dann sie. Mein Gewissen beruhigt sich erst einmal wieder. Sei ihm gegönnt.
~~~~~
Mai 1969
Da die Temperaturen ansteigen, habe ich mir endlich ein paar meiner Röcke aus dem Regal rausgesucht, die ich modifizieren möchte. Nähen gehört zwar nicht zu meiner Stärke, aber den Stoff bis zu einem luftigen imaginären Schritt aufzuschneiden und dann jeweils die Beine zusammenzunähen, werde ich hoffentlich noch hinbekommen. Es wäre ein Anfang und ich würde mich wohlerfühlen. Zum Beispiel könnte mir nicht mehr jeder unter den Rock alias dann unter die Hose schauen. Zuerst ziehe ich einen der Röcke an und stecke eine Nadel an die Stelle hinein, wo der Schritt anfangen soll. Dann in einer geraden Linie hinunter stecke ich weitere Nadeln fest. Ich schlüpfe hinaus. In Ordnung, die Schere kommt zum Einsatz. Tief durchatmen und dann an den Stecknadeln vorbei bis kurz vor der letzten einfach durchziehen. Es kann sich sehen lassen, hoffe ich. Leicht über mich selbst grinsend, nehme ich die Nadeln, die noch nicht rausgefallen sind, raus und drehe den Stoff auf links. Nun kann das Nähen beginnen.
Ein Klopfen reißt mich aus meiner Arbeit. Verdammt, und nun habe ich mich auch noch mit der Nadel gestochen. Mit dem Finger an den Lippen eile ich zur Tür. Nachdem ich sie aufgerissen habe, ist alle Anspannung verflogen.
»Hallo Soph«, begrüße ich sie.
»Oh hallo«, erwidert sie und bestaunt mich von oben bis unten. Ach ja, ich habe keine Hose an. Mein Gesicht verfärbt sich mit Sicherheit wieder. Ich drehe mich um und hoffe, dass sie schnell mit ins Appartement kommt, damit sie die Tür zumacht. »Störe ich dich bei irgendetwas?«
»Quatsch. Du doch nicht. Ich habe gerade genäht und vergessen, dass ich keine Hose anhabe.«
»Aha.« Ihre Leidenschaft in den Augen bringt mich noch um den Verstand. »Und dein Finger?«
»Ich habe mich gerade erschrocken, als du geklopft hast. Nicht weiter schlimm.«
»Zeig mal her.« Sie streckt ihre Hand aus und verlangt nach meiner. Nur zu gerne gebe ich sie ihr. Ihr Blick ist voller Sehnsucht und Begierde.
In der nächsten Sekunde lasse ich mich von ihr auf mein Bett ziehen, genieße es, wie sie mich dabei anschaut, als wäre ich alles für sie – zumindest in diesem Moment – und dann lasse ich mich nicht nur in die Laken fallen, ... sondern ebenso in diese unzähligen Augenblicke, in denen wir uns gegenseitig lustvoll verwöhnen.
»Bist du deswegen hergekommen?«, frage ich sie im witzigen Ton, als wir uns gerade wieder aufrichten und anziehen wollen. Sie keck anschauend warte ich auf eine Antwort.
»Nein. Denkst du das von mir, Patti?«, fragt sie erschrocken.
»Ich weiß nicht, was ich von uns denken soll, Soph«, gebe ich ehrlich zu.
»Ich mag dich. Sehr sogar.«
»Ich dich auch.«
Als würde sie unsere Worte besiegeln wollen, verringert sie den Abstand zwischen uns und legt ihre Lippen hingebungsvoll auf meine. Mit geschlossenen Augen genieße ich den Moment. Ich mag sie wirklich sehr. Als ich sie wieder öffne, lacht sie mich verschmitzt an. »Deine Hose gefällt mir.«
Kurz darauf stürmen wir die Treppe hinunter und befinden uns auf dem Weg zum Plenum. Ein paar brisante Themen stehen an. So viel weiß ich schon. Dieses Mal fahren wir mit dem Bus, weil wir uns ein wenig mehr Zeit für uns genommen haben. Bevor ich die Tür zum Club öffne, schaue ich meist um mich, weil keine Männer erlaubt sind und ich keine Lust auf solch eine Konfrontation habe. Soph findet das ziemlich albern, weil im Fall der Fälle eine geballte Macht an Frauen dort drinnen ist und sie uns den Rücken stärken würden. Mit den gänzlich harten Vorstellungen korreliere ich manchmal, bei vielen bin ich gleicher Meinung ... Eilig treten wir ein und direkt ins Gebäude, um im großen Raum noch pünktlich erscheinen zu können.
Bevor ich mich setze, beginnt Anne schon. Geschafft. Ein Seitenblick zu Soph. Sie streckt den Daumen hoch.
»Heute wird unsere Versammlung ein wenig anders sein. Es gibt einige Themen, die uns – Frauen – in mehreren Städten Deutschlands beschäftigen und beunruhigen. Die Kinderbetreuung sowie die damit zusammenhängenden Kinderläden sind natürlich weiterhin wichtig. Und ich bitte alle, sollten wir die Zeit mit den anderen wichtigen Anliegen ausschöpfen, noch zu bleiben, damit wir kurz abklopfen können, ob die momentane Situation gut ist oder ob irgendwo Unterstützungsbedarf ist. Danke schon einmal dafür.« Anne macht kurz eine Pause, um Luft zu holen. »Immer mehr Frauen melden sich, werden laut. Das ist toll, geben wir ihnen, geben wir uns eine Stimme! Lasst sie uns nicht ins Leere gerufen haben. Themen wie Vergewaltigung, eheliche Gewalt, Abtreibung, Sex und Sexualität kommen auf – vermehrt! Lasst uns antworten.«
Innerlich fiebere ich mit. Ja, denke ich. Ja. Ja. Val, die neben Anne steht, geht näher an sie ran.
»So ist es. Ein paar Vorschläge haben wir schon gesammelt. Wir bleiben auch stetig eng verbunden mit den anderen Frauenräumen. Es wäre doch super, wenn wir mehr Räume ermöglichen könnten. Die Kinderläden sind spitze und auch unser Raum hier. Aber wie wäre es mit weiteren speziellen Gruppen? Zum Beispiel Selbsthilfegruppen, in denen sich Frauen zu bestimmten Themen treffen? Offene Sprechstunden, in denen sich Frauen informieren lassen können, beispielsweise über Verhütung, Abtreibung und Schutzräume? Lasst uns reden, diskutieren. Teilt uns eure Ideen!«
»Ich bin dabei!«, ruft eine Frau.
Mehrere stimmen mit ein, es wird wild durcheinander gerufen. Ich muss mal wieder schmunzeln. Aber ja, ich bin auch dabei. Definitiv! Ich bin dabei.
Wobei ... Abtreibung ist illegal. Wie können wir da helfen?
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Historical Fiction◦𝗛𝗶𝘀𝘁𝗼𝗿𝗶𝘀𝗰𝗵𝗲-𝗔𝗸𝘁𝘂𝗲𝗹𝗹𝗲 𝗟𝗶𝘁𝗲𝗿𝗮𝘁𝘂𝗿 & 𝗥𝗼𝗺𝗮𝗻𝘁𝗶𝗸◦ Schnieke und vornehm auf der einen - hip und inmitten der Szene auf der anderen Seite. Zwischen alldem findet sich Elja wieder, die diese zwei Seiten ihrer Großmutter i...