5 | Wir für uns

181 35 206
                                    

Aus meiner Bauchtasche krame ich hastig, schon fast hektisch mein Handy hervor und sehe ... Hups. Lenara hat mir schon einige Nachrichten geschickt. Sie hat mich auch schon versucht anzurufen. Schnell tippe ich eine Antwort hinein.


   Elja
 Sorry Len! Bin tief in Omas
 Geschichte versunken. Bleibe
 über Nacht hier. Ist das okay?
 18:33

Lenara   
ELJA! Mach das nie wieder! Ich
hab mir extreme Sorgen gemacht!
18:34

Lenara   
Aber ja, natürlich ist das in
Ordnung. Ich denk an dich. Meld
dich, wenn du mich brauchst.
18:34

   Elja
 Danke dir. Und tut mir wirklich
 voll leid. Gute Nacht :*
 18:35

Lenara   
:* Dir auch
18:35


Kurz überfliege ich ihre Nachrichten, wobei mein schlechtes Gewissen noch einmal Fahrt aufnimmt, doch dann packe ich mein Handy wieder weg. Hm, was ist am besten? Nebenan schlafen oder in einem der anderen Räume, eine Etage tiefer? Ich habe freie Wahl. Die Möbel sind noch da. Das hängt alles von meiner endgültigen Entscheidung ab, was ich mit dem Haus anfangen werde. Entweder Verkauf mit Möbeln oder ohne. Oder gar nicht verkaufen? Oder nur die Möbel ... Das ist mir schon wieder zu viel. Du hast noch eine Woche Zeit, beruhige ich mich.

Ich erhebe mich von ihrem Thron und schüttle mich ordentlich durch. Noch ist es hell genug, doch bald werden auch die letzten Strahlen versiegen. Ich erinnere mich wie Oma früher aus der einen Schublade – wenn wir zu faul waren, noch einmal den weiten Weg hinunterzugehen – Zahnbürsten und allen möglichen Kram hervorgeholt hat und wir uns dann in dem kleinsten Badezimmer der Welt, was hier oben vorhanden ist, bettfertig gemacht haben. Ob da immer noch etwas drin liegt? Einen Versuch ist es wert, beschließe ich.

Zehn Minuten später stehe ich in dem winzigen Badezimmer, was ich kleiner in Erinnerung habe, als es ist und mache mich frisch. Ich habe wirklich Glück gehabt und alles hier oben gefunden. Mit dem Buch meiner Oma mache ich mich auf leisen Sohlen – warum tapse ich wie eine Einbrecherin hier rum? – in das Nebenzimmer. 

Erschrocken fällt mir beinahe alles aus den Händen. Mit diesem Anblick habe ich niemals gerechnet. Es ist, als hätte sie es bereits vorbereitet. Für mich. Oder sie hat es nie verändert. Mit dem Buch, meiner Bauchtasche und meiner Flasche Wasser gehe ich auf das gemachte Bett zu. Auf diesem liegen ein paar Kuscheltiere, die wir damals auf unsere gemeinsamen Kuschelpartys eingeladen haben. Mit den kleinen Kissen in verschiedenen fröhlichen Farben und den Kuscheldecken sieht es herzlich und einladend aus. Ich lege meine Sachen aus der kleinen Tasche auf das Nachttischschränkchen, stelle meine Flasche daneben und knipse die Nachttischlampe an, um das große Licht ausmachen zu können. Nachdem ich mich in die vielen Decken eingekuschelt habe, bin ich auf Vals – oder wessen auch immer – Antwort gespannt.

~~~~~

Oktober 1968

»Vielleicht hatte sie keine Eier dabei«, fängt Val ernsthaft zu überlegen an und bringt mich damit kein Stück weiter. »Ich weiß gar nicht genau, warum Tomaten. Weiß das jemand von euch?«, richtet sich Val an die anderen.

Ich folge ihrem Blick sowie ihren wildbewegenden Armen. Wenn ich gerade nicht so verdattert wäre, müsste ich vermutlich bei ihrem Anblick lachen. Val setzt viel daran, tough zu wirken und dennoch blitzt ihr liebevoller Charakter durch. Jedenfalls spüre ich das. Oder ist das nur mein Wunsch? Ich hatte schon Sorge, dass lange Zeit vergehen könnte, bis ich hier auf Menschen treffe.

wir sind hierWo Geschichten leben. Entdecke jetzt