Mehr als ein Traum ✓

4 ~ Dancing with a stranger

Meine Augen weiten sich erstaunt, weil die harmlose Berührung unserer Finger jede einzelne Zelle meines Körpers in Aufruhr versetzt. Ein elektrisierendes Kribbeln durchläuft mich und mit gerunzelter Stirn betrachte ich seine Hand, die meine mit warmem, sanftem Griff umfasst. Ich versuche zu verstehen, was nicht zu verstehen ist. Nämlich weshalb sich dieser Körperkontakt so seltsam vertraut und wahnsinnig gut anfühlt.

Oh Mann, zuerst diese eigenartige Faszination, die er auf mich ausübt, und jetzt auch noch das!

Ich bin niemand, der schnell Vertrauen fasst, und diesen Mann habe ich noch nie zuvor gesehen. Ich kenne nicht mal seinen Namen.

»Verrätst du mir, wie du heißt?«, frage ich ihn, um wenigstens an diesem Umstand etwas zu ändern.

Mr. Unbekannt zieht mich hinter sich her zum Notausgang und öffnet für mich die Tür. Als ich hindurchgehe, lässt er meine Hand los. Ich denke lieber gar nicht erst darüber nach, weshalb mich dabei ein unerklärliches Verlustgefühl überfällt.

»Klar. Ich bin Trace«, antwortet er, während wir zusammen durch den Hinterhof des Restaurants zur Straße gehen.

Konzentriert setze ich einen Fuß vor den anderen, den Blick auf den Boden geheftet. Ich kichere leise, weil ich mich auf einmal ungewohnt wackelig auf den Beinen fühle. Gleichzeitig beschließe ich, die ganze Verwirrung, die mein Begleiter in mir auslöst, einfach locker zu nehmen und meiner heutigen Gefühlsduselei nicht allzu viel Bedeutung zuzumessen.

Es war einfach zu viel Wein. Das ist alles.

Durch die frische Luft entfaltet der Alkohol hier draußen nun auch noch seine volle Wirkung. Der schöne Nebeneffekt daran ist, dass ich mich mit einem Mal leicht und unbeschwert fühle. Als könnte ich fliegen.

»Traaaace«, ziehe ich den Namen in die Länge und lasse ihn mir auf der Zunge zergehen. »Das passt zu dir. Ich bin Liv.«

»Schöner Name, Liv. Hey, alles klar?« Ein Hauch von Besorgnis schwingt in der Stimme meines Retters, weil ich gerade bedenklich ins Schwanken gerate. Er greift vorsichtshalber nach meiner Hand und ich lächle glücklich, denn mit seiner Berührung befällt mich wieder dieses angenehm prickelnde Gefühl, das vom Kopf bis zu den Zehenspitzen durch meinen Körper tanzt. »Ich kann dir auch ein Taxi rufen, wenn du lieber nach Hause möchtest. Du musst dem Universum nicht unbedingt gleich heute danken.«

Ich bleibe stehen und hebe entrüstet den Zeigefinger. »Das Universum lässt man niemals warten, Trace.«

Er lacht und schüttelt leicht den Kopf. »Okay, wenn du meinst. Aber sag Bescheid, sobald du nach Hause willst.«

Wir stehen uns auf dem Gehsteig vor dem Restaurant im warmen, orangegelben Schein einer Straßenlaterne gegenüber. Ich hebe den Kopf und unsere Blicke verfangen sich ineinander. Ich kann nicht mehr wegsehen und will es auch gar nicht, weil seine dunklen Augen mich regelrecht fesseln. Sie sind wie ein tiefer, schwarzer See und am liebsten würde ich darin versinken, während ich andererseits eine unglaublich große Angst davor habe, dabei zu ertrinken. Ich kann nicht erklären, was mich an ihm so beeindruckt. Und gleichzeitig auch abschreckt.

Oh Gott, ich darf bloß nicht anfangen, ihn wie ein pubertierender Teenie anzuschmachten! Eigentlich kann das sowieso nicht passieren, er ist schließlich alles andere als mein Traummann.

Er räuspert sich. »Also, was kann man mit so einem angebrochenen Freitagabend in deiner kleinen Stadt anfangen?« Seine heiser klingenden Worte holen mich in die Realität zurück und ich blinzle.

»Wie wär's mit einem Tanzlokal?«

»Ein Tanzlokal? Echt? So was existiert noch?«

»Du befindest dich hier in einem spießigen, kleinkarierten, winzigen Städtchen. Also ja, so was existiert. Aber am Freitag ist Discoabend. Im Gegensatz zu allen anderen Abenden sinkt das Durchschnittsalter dann von etwa fünfundsiebzig auf schätzungsweise um die dreißig«, erkläre ich ihm in ernstem Tonfall, da er sich mit den Gegebenheiten hier offenbar kein bisschen auskennt.