»Okay. Dann erklär mir bitte, warum du vor zehn Jahren, direkt nachdem du mit mir geschlafen hast, einfach ohne ein Wort verschwunden bist.«
Er hebt das Kinn und zieht scharf die Luft ein. »Klingt echt mies, was ich getan habe, wenn du das so sagst.«
»Es war mies, Trace. Mehr als das. Eigentlich unverzeihlich. Ich habe dir vollkommen vertraut, mit meinem ganzen dummen Herzen, und dir alles gegeben, was ich geben konnte. Und du hast mich gleich danach verlassen.«
»Unverzeihlich«, wiederholt er leise. »Du hast recht.«
Wir sitzen uns am Esstisch gegenüber. Er kneift kurz die Augen zusammen, dann öffnet er sie wieder. Sein ehrlicher Blick brennt sich in meinen, zerstreut jeden Zweifel, dass er mich vielleicht anlügen könnte. Er wird mir die Wahrheit sagen, das spüre ich.
»Ich bin mit dem Messer auf meinen Vater losgegangen. Ich hab ihn nur am Arm erwischt, aber ich wollte ihn töten. Ich wäre fast zum Mörder geworden und dass das nicht passiert ist, war nur Zufall. Ich war wie in einem Rausch, hab nur noch rot gesehen und wollte ihn umbringen. Das wollte ich wirklich. Es sollte endlich aufhören. Da war ein Monster in mir, das mir immer wieder ›Tu es!‹ ins Ohr gebrüllt hat. Ich hab erst verstanden, was passiert ist, als meine Hände plötzlich klebrig waren und ich sein Blut gesehen habe. Es war wie ein Albtraum, aus dem ich aufgeschreckt bin. Dann bin ich weggerannt.«
Seine Worte sind aus ihm herausgesprudelt, ohne dass er auch nur einmal Luft geholt hat. Nun hängen sie schwer zwischen uns in der Luft. Trauer und Scham umwölken seine dunklen Augen. Wie erstarrt sitze ich auf meinem Stuhl und sehe ihn an. Seine Hände liegen zu Fäusten geballt auf dem Tisch, er lässt die Schultern sacken und senkt den Blick auf die Tischplatte.
In meinem Kopf schwirrt alles. Ich habe mit allem Möglichen gerechnet, aber nicht damit. Widerstreitende Emotionen überfluten meinen Körper und ich habe das Gefühl, in ihnen zu ertrinken. Doch unabhängig davon bin ich mir bei einer Sache sicher.
»Du bist kein Mörder, Trace. Ich weiß nicht, weshalb du das gemacht hast, aber es war nicht ohne Grund. Du hast mich sehr verletzt, und ich habe dich dafür verflucht, aber trotzdem weiß ich, dass du ein guter Mensch bist, okay?«
Sein Mund ist eine dünne, weiße Linie, doch dann entspannt er sich und ein schwaches Lächeln erscheint auf seinen Lippen.
»Du hast schon immer das Gute in mir gesehen, Vi. Selbst, als ich es nicht konnte. Selbst jetzt noch, obwohl ich dir so wehgetan habe.«
Der sanfte, fast liebevolle Klang seiner Stimme und seine schönen Worte fressen sich unbarmherzig in den Schutzwall, den ich um mich errichtet habe. Doch er darf auf keinen Fall zusammenbrechen. Da sind noch viel zu viele offene Fragen, zu viel Enttäuschung, zu viel Wut und vor allem zu viel Angst.
»Erzählst du mir, wie es dazu gekommen ist?«, presse ich hektisch hervor.
Seine Lippen werden wieder zu diesem dünnen Strich und er nickt knapp. »Deswegen bin ich hier.« Er hält kurz inne, als müsse er nochmal Kraft und Mut sammeln, bevor er zu sprechen beginnt.
»Die Kurzversion ist, dass mein Vater schon seit ich denken kann zu viel getrunken hat, aber im Laufe der Jahre ist es immer mehr geworden. Und jedes Mal, wenn er das getan hat, wurde er unausstehlich und verdammt aggressiv. Irgendwann hat er seinen Job verloren. Von da an ... wurde es wirklich übel.«
Mir rieselt ein kalter Schauer über den Rücken, denn mir ist klar, dass er das sehr harmlos ausgedrückt hat. Dass sich hinter diesen wenigen Worten ungeheuer viel Leid verbirgt.
»Was ist danach geschehen?«
Ich traue mich kaum zu fragen, habe aber das Gefühl, es tun zu müssen. Ich will unbedingt verstehen, weshalb er mich damals im Stich gelassen hat.
DU LIEST GERADE
Mehr als ein Traum ✓
Romance⩥ ROCKSTAR-ROMANCE ⩤ Nach einer großen Enttäuschung glaubt Olivia Eliot nicht mehr daran, jemals ihr Glück in der Liebe zu finden. Dies bestätigt sich erneut, als ein Blind Date, in das sie große Hoffnungen gesetzt hat, sich als absoluter Reinfall...