21 ~ Monster

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Via.

Es gibt nur einen einzigen Menschen, der mich je so genannt hat. Mein Herz scheint stillzustehen und das Blut stockt in meinen Adern. Ich schüttle den Kopf, starre wieder Jix an, dann Trace.

Er hat eine helle Haut, dennoch kann ich ihm dabei zusehen, wie er um mehrere Stufen erbleicht.

»Wieso nennt er mich Via? Und was hast du geschafft?« Meine Stimme bebt und ist kaum hörbar. Die Worte schneiden wie winzige Glassplitter in meiner Kehle. Ein furchtbarer Verdacht kreist am Rande meines Bewusstseins, schiebt sich unaufhaltsam ins Zentrum, tötet dabei all meine Empfindungen und hinterlässt eine grausame, schwarze Leere. Trace schluckt schwer und schließt für einen Moment seine Lider. Sein Gesicht verzerrt sich, als würde ihm gerade das Herz brechen.

Lonny steht von seinem Stuhl auf und fixiert Jix aus schmalen Augen. »Halt jetzt bloß den Rand, Jix. Du hast wieder zu viel gesoffen, Alter. Du redest kompletten Unsinn. Ich denke, es ist besser, wenn wir alle für eine Weile nach draußen gehen.«

Leises, zustimmendes Gemurmel erklingt. Die schweren Sessel schaben ohrenbetäubend laut über den Holzboden, als sich die beiden anderen von den Stühlen erheben, um dann an uns vorbei zur Tür hinauszugehen. Jix hebt scheu seinen Blick und sieht Trace aus glasigen Augen an, als er an ihm vorbeikommt. »Sorry, Tray. Das ... Sorry.«

Nur auf Brendas Miene meine ich ein winziges, triumphierendes Lächeln zu erkennen, während sie als Letzte mit hoch erhobenem Kopf den Raum verlässt. Die Tür schließt sich hinter ihr und wir sind allein.

»Wieso nennt er mich Via?«, wiederhole ich meine Frage und schicke ein Stoßgebet ans Universum, dass er eine ganz andere Erklärung dafür hat als ich. Doch in seinen Augen stehen Bestürzung und wilde Verzweiflung, sein Atem geht schwerer als sonst. Er öffnet den Mund, seine Unterlippe löst sich kurz von der oberen, doch letzten Endes spricht er kein Wort.

Er sagt nichts. Das Nichts ist riesig, steht in seiner gigantischen Größe zwischen uns, trennt uns unüberbrückbar und sagt doch letztendlich alles aus.

Obwohl ich es schon geahnt habe, raubt mir der Schock den Atem. Ich weiß nicht, ob ich weinen, schreien oder einfach ohnmächtig werden und darauf hoffen soll, dass beim Aufwachen auf wundersame Weise alles wieder gut ist.

Ich war so dumm. Permanent hat es Anzeichen dafür gegeben. Dieses vertraute Gefühl, das ich von Anfang an ihm gegenüber hatte. Als würden wir uns schon lange kennen. Diese intensive Anziehung, die ich bisher nur ein einziges Mal in vergleichbarer Stärke gefühlt habe. Dass er die Sache mit dem Universum über mich weiß. Dass er sich so sehr für mich interessiert, obwohl er ein berühmter Star ist, und ich nur eine unscheinbare Frau mit vielen Problemen bin.

Und ich war zu naiv, um diese ganzen Hinweise wahrhaben zu wollen. Wie ein kleines Kind habe ich ihm vertraut und daran geglaubt, das alles gut enden wird. Obwohl ich es doch längst besser weiß.

Herzlichen Glückwunsch, Bauchgefühl. Du hast gewonnen. Ich hätte auf dich hören sollen.

Diese Erkenntnis müsste eigentlich übermächtige Gefühle in mir freisetzen, doch das geschieht nicht. Ich spüre nichts, abgesehen von Kälte und Leere.

Ich schüttle den Kopf, während ich mich in Bewegung setze, um an ihm vorbei zur Tür zu gehen. Ich will nur noch weg. Meine Betäubung wird sicher nicht sehr lange anhalten und ich möchte auf keinen Fall, dass er meinen Zusammenbruch miterlebt.

Er hat jedoch andere Pläne und bewegt sich synchron mit mir, womit er meinen Fluchtweg blockiert. »Geh mir aus dem Weg«, spreche ich ruhig und leise.

»Vi, hör mir bitte zu.« Seine tiefe, dunkle Stimme klingt beinahe flehentlich. Ich schnaube abweisend, meine Arme verschränken sich wie Schutzschilde vor meiner Brust. Nicht, dass das jetzt noch irgendetwas bringen würde. Er hat mein Vertrauen bereits tödlich getroffen.

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