Vielleicht würde ich das sogar tun, wenn ich dazu in der Lage wäre. Weil mir jetzt schon klar ist, dass es niemals klappen wird, mich nicht an ihm zu verbrennen. Dazu ist das, was ich fühle, bereits viel zu intensiv. Schon mit der kleinen Berührung seines Daumens hat er ein Feuer in mir entzündet. Wenn noch mehr passiert, werde ich lichterloh brennen.
Meine innere Warnleuchte blinkt im Sekundentakt. ›Keine Zukunft!‹ und ›Er wird dir das Herz brechen!‹, brüllt mein Verstand und drängt mich dazu, genau diese paar Schritte von ihm weg zu treten. Mein hormongesteuerter Körper hat allerdings beschlossen, meine Knie butterweich werden zu lassen, so dass ich dazu gar nicht in der Lage bin.
Ich spüre seinen warmen Atem, bevor seine Lippen ganz zart über meine streichen. Fast, als würde er damit fragen, ob ich es wirklich will. Er gibt mir jede Gelegenheit, nein zu sagen, doch das kann ich nicht. Ich antworte, indem ich meine Arme um seinen Nacken schlinge, und ihn näher zu mir ziehe. Meine Lippen öffnen sich wie von selbst für ihn, unsere Zungen vereinigen sich, umspielen einander und lassen eine Sehnsucht in mir aufflackern, so tief und drängend, wie ich sie noch nie gespürt habe. Denn ich bin auch noch nie im Leben so geküsst worden.
Der Kuss holt mich aus der Versenkung, in der ich mich viel zu lange versteckt habe. Er lässt mich vergessen, dass ich viel zu oft Angst habe. Er lässt mich alles vergessen.
Unsere Körper schmiegen sich aneinander, suchen nach der engen, vollkommenen Verbindung, die unsere Zungen bereits gefunden haben. Die Piercings in seiner Lippe und Zunge sind neu und ungewohnt auf eine aufregende, sinnliche Weise. Trace zu küssen ist wie Benzin ins Feuer zu gießen, es setzt meinen ganzen Körper in Brand. Ein hochdosierter Hormoncocktail rast in Schallgeschwindigkeit durch meine Adern.
Er legt die Hand in meinen Nacken und hält mich fest. Der Kuss geht weiter und weiter und ich stehe vom Scheitel bis zur Sohle in Flammen. Mein Verstand verschwimmt, mein Körper kribbelt erwartungsvoll und schreit nach mehr. Nach allem.
Getrieben von dem quälenden Verlangen in mir wandern meine Hände nach unten zum Saum seines Shirts und schieben sich unter den Stoff. Die Hitze seiner Haut an meinen Fingerspitzen ist mir so bewusst, wie einem etwas nur bewusst sein kann. Ich fahre mit ihnen die harten Wölbungen auf seinem Bauch und seiner Brust entlang. Es fühlt sich unglaublich gut und richtig an. Er reagiert mit einem erregten Keuchen, das wie Musik in meinen Ohren klingt. »Trace«, hauche ich an seinen Lippen. Es ist eher ein Flehen. Ein Flehen um mehr.
Schwer atmend löst er sich ein kleines Stück von mir und sieht mich an. In seinen Augen erkenne ich einen nicht zu leugnenden Schimmer von Lust und Verlangen, dennoch stößt er angestrengt die Luft aus, als müsste er sich beherrschen. Jetzt muss ich ihm nur noch irgendwie klar machen, dass er das nicht muss.
»Hör zu, Liv. Ich weiß, es widerspricht jedem Klischee des allzeit bereiten Rockmusikers, aber ich werde heute nicht mehr tun, als dich zu küssen«, sagt er heiser.
Seine Worte treffen mich wie ein Schwall kaltes Wasser. Ich blinzle überrascht, weil ich gerade aus einer wundervollen Traumvorstellung hart auf dem Boden der Realität aufpralle. Dem Rest meines sowieso schon schlecht entwickelten Selbstbewusstseins entweicht alle Luft, es fällt auf einen Schlag in sich zusammen. Meine Wangen werden heiß und ich wende den Blick ab, während ich meine Hände unter seinem Shirt hervorziehe.
»Schon okay«, hauche ich zittrig in dem Versuch, irgendwie meine Enttäuschung zu verbergen.
Er legt Daumen und Zeigefinger an mein Kinn und bringt mich mit sanftem Nachdruck dazu, ihn wieder anzusehen. Mit meinem letzten Rest an Würde zwinge ich mich, meine Lider offenzuhalten und ihm in die Augen zu schauen. Sein Blick ist eindringlich, als wollte er damit die Wahrheit seiner Worte unterstreichen.
»Hey, es ist ganz sicher nicht, weil ich nicht scharf auf dich bin. Du bist eine wunderschöne, sehr sexy Frau und ich würde verdammt gerne sehr viel mehr mit dir tun, als dich nur zu küssen.«
Was er sagt, macht seine Abweisung eine Spur erträglicher, und mit seltsam belegter Stimme quetsche ich ein »Wenn du es willst, wieso tust du es nicht?« über meine Lippen.
Plötzlich überkommt mich der Verdacht, dass er mir vielleicht gleich etwas von einer Freundin erzählen wird, der er das nicht antun kann. Ich weiß so gut wie gar nichts über ihn, nicht einmal, ob er jemanden hat. Vielleicht hätte ich doch lieber Googeln sollen?
Er hebt die Hand, legt sie an meine Wange und streicht mit dem Daumen ihre Konturen entlang, während seine Augen die Bewegung verfolgen. Unwillkürlich lehne mich dagegen und schmiege mein Gesicht hinein.
»Weißt du, über die Phase, in der ich bedeutungslosen Sex toll fand, bin ich hinaus. Meistens jedenfalls. Und ich hab das Gefühl, dass es mit dir mehr werden könnte als das, deshalb würde ich damit gerne warten, bis wir uns besser kennen. Weil sich im Moment mit dir alles so echt anfühlt, wie schon lange nichts mehr. Und weil ich jemanden will, der sich für den echten Trace interessiert. Nicht für den makellos bearbeiteten Sänger, den sich jeder auf Insta oder Tiktok ins Zimmer holen kann. Also ich hoffe, du bist jetzt nicht ...«
»Das ist vermutlich die schönste Begründung dafür, keinen Sex mit mir zu wollen, die ich mir vorstellen kann.«
Ich kralle meine Hände in sein Shirt, ziehe ihn zu mir und presse meine Lippen auf seine. Kurz keucht er überrascht auf, doch dann greift er mit einer Hand in mein Haar und mit der anderen an meine Taille und drückt mich an seinen Körper. Er küsst mich so hingebungsvoll und leidenschaftlich, so absolut atemberaubend, dass ich kaum Luft bekomme. Da ist nur noch Gefühl und kein Verstand mehr, der sich ungefragt einmischt.
»Verdammt, Liv«, stöhnt er schließlich. »Als ich gesagt habe, ich werde heute nicht mehr tun, als dich zu küssen, hatte ich keine Ahnung, wie wahnsinnig schwer du mir das machen würdest.« Während er spricht, streifen sich immer wieder unsere Lippen und ich lächle an seinem Mund. Er löst sich ein Stück und mustert mich aus schmalen Augen. »Ich muss jetzt gehen, Liv. Sonst ...« Mit einem tiefen Atemzug tritt er plötzlich einen Schritt zurück. Dann zieht er sein Handy aus seiner hinteren Jeanstasche. »Gibst du mir deine Nummer?«
Ich nicke nur, weil ich zu mehr nicht imstande bin, greife nach dem Smartphone und tippe die Zahlen ein. Als ich es ihm zurückgebe, fällt mein Blick auf den Spiegel, der hinter Trace an der Wand angebracht ist.
Ein Mädchen mit wirrem, verklärtem Blick sieht mich an, bevor sie erschrocken die Augen aufreißt.
Mist! Mein Outfit ist der Inbegriff von Schlabberlook. Bis jetzt war mir das gar nicht bewusst, doch der Anblick ist fürchterlich. Mein Körper ist in eine graue Jogginghose und einen übergroßen, schwarzen Hoodie gehüllt, dunkle Schatten haben sich dank meiner gestrigen Alkoholeskapaden unter meinen Augen festgesetzt und meine braunen Haare sind zu einem lockeren Dutt gewickelt, aus dem sich mehrere Strähnen gelöst haben. Wenigstens haben unsere körperlichen Aktivitäten einen hübschen rosa Hauch auf meine Wangen gezaubert.
Okay, wenn er in diesem Zustand mit mir rumgemacht hat, hat er vielleicht wirklich ernste Absichten?
Als würde er diesen Gedanken bestätigen wollen, beugt er sich vor und drückt mir einen sanften Kuss auf die Lippen. »Bis später, Liv.« Seine Augen brennen sich in meine und ich habe das Gefühl, dass er mir mit ihnen noch so viel mehr sagen will. Dann dreht er sich um, öffnet die Haustür und lässt sie hinter sich wieder ins Schloss fallen.
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Mehr als ein Traum ✓
Romansa⩥ ROCKSTAR-ROMANCE ⩤ Nach einer großen Enttäuschung glaubt Olivia Eliot nicht mehr daran, jemals ihr Glück in der Liebe zu finden. Dies bestätigt sich erneut, als ein Blind Date, in das sie große Hoffnungen gesetzt hat, sich als absoluter Reinfall...