Mehr als ein Traum ✓

3 ~ Faszinierender Fluchthelfer

Mein Blick trifft auf dunkelbraune, beinahe schwarze Augen.

Einen Moment lang starren wir uns schweigend an. Diese Augen ... 

»Ich kann dir helfen, vor deinem Schickimicki-Freund zu flüchten«, sind die ersten Worte, die ich von ihm höre. Worte, die mit einer Stimme gesprochen werden, deren perfekter Klang mir durch Mark und Bein fährt und dabei eine Gänsehaut auf meinem ganzen Körper hinterlässt. Voll und tief und männlich.

Sie kratzt an etwas in meinem Inneren, und für einen Augenblick kämpft sich ein Gedanke durch den Nebel am Rande meines Bewusstseins. Doch bevor ich ihn greifen kann, ist er schon wieder im undurchdringlichen Grau verschwunden.

Heiliger Bimbam, seit wann reagiere ich so intensiv auf eine Stimme? Daran ist bestimmt der viele Wein schuld.

Der Typ lehnt lässig an der Wand, die Beine überkreuzt, die Hände in den Hosentaschen vergraben. Die ungewöhnliche Uniformjacke hat er inzwischen ausgezogen, jetzt trägt er nur noch ein einfaches T-Shirt zu einer engen Jeans, beides in Schwarz. Die schlichte Kleidung unterstreicht noch zusätzlich seine attraktiven Gesichtszüge. Seine Arme sind bis zu den Handgelenken mit dunklen Tattoos überzogen.

Rein äußerlich ist er alles andere als der Mann, der mich in einsamen Nächten in meinen Träumen heimsucht. Der ist immer dunkelblond, hat hellblaue Augen und weder Tattoos noch Piercings. Um ehrlich zu sein, sieht mein Traummann genauso aus wie eine erwachsene Version von Deacon. Auch noch nach so vielen Jahren. Ich hasse es, doch ich kann gar nichts dagegen tun.

Dennoch muss ich mir eingestehen, dass die düstere Aura dieses Mannes vor mir, die vermutlich gerade durch seine Tattoos, Piercings und die dunkle Kleidung erzeugt wird, unglaublich anziehend auf mich wirkt. Dabei bin ich eigentlich niemand, der besonders stark auf Äußerlichkeiten anspricht. Doch die Kombination aus faszinierender Stimme und fesselnder Ausstrahlung ist offenbar tödlich für meinen logisch arbeitenden Verstand.

In meinem Bauch macht sich statt der Übelkeit nun eine kribbelige Art von Aufregung breit, die sich angenehm anfühlt. Und obwohl ich meine Hände gerade minutenlang mit kaltem Wasser begossen habe, ist mir mit einem Mal wahnsinnig heiß. Bestimmt glühen meine Wangen inzwischen so knallrot wie der Feuerlöscher, der neben ihm an der blütenweißen Wand hängt.

Es muss am Alkohol liegen, dass mich dieser Mann so aus der Bahn wirft. Eine andere Erklärung gibt es nicht.

Ich räuspere mich, um meine Stimme wiederzufinden und stelle dabei fest, dass meine Antwort auf sein Angebot schon viel zu lange auf sich warten lässt. »Wie kommst du darauf, dass ich das möchte?«, krächze ich seltsam heiser.

Ein Lächeln zupft an seinen Mundwinkeln. »Er ist ein selbstverliebter Idiot. Wieso triffst du dich mit ihm? Du kannst ihn nicht ausstehen.«

Ich muss lachen, weil er den Nagel genau auf den Kopf getroffen hat. »Und das hast du gleich auf den ersten Blick erkannt? Respekt, ich habe dafür ein bisschen länger gebraucht.«

»Ich hatte einfach schon zu oft mit solchen Typen zu tun. Da entwickelt man mit der Zeit einen Radar«, erwidert er mit einem Augenzwinkern.

»Warum willst du mir helfen?«

Er zuckt mit den Schultern. »Vielleicht, weil das Universum in letzter Zeit verdammt großzügig zu mir war? Möglicherweise will ich ihm dafür etwas zurückgeben? Eine hübsche, junge Lady aus einer Notlage zu retten, ist doch ein guter Anfang.« Mit großen Augen sehe ich ihn an und schüttle leicht den Kopf. »Alles okay?«, hakt er nach.

»Ich ... Ja. Es ist nur ... Ich tue das auch. Ich danke dem Universum und versuche, etwas zurückzugeben, wenn mir etwas Gutes passiert.«

»Siehst du, da haben wir schon was gemeinsam. Das ist dann wohl das Zeichen des Universums dafür, dass du mir vertrauen solltest. Ich schlage vor, wir verschwinden schnellstens von hier, bevor Casanova sich noch auf die Suche nach dir macht. Hier den Gang runter gibt es einen Notausgang.«