15 ~ Abschlussbälle

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»Das ist jetzt aber kein Ablenkungsmanöver, um mir meinen Gewinn vorzuenthalten. Oder?« Trace hebt fragend eine Braue. Nach wie vor stehen wir eng umschlungen da, und haben es nach einem Knutschmarathon endlich geschafft, uns für einen Moment voneinander zu lösen.

Noch etwas benommen blinzle ich den Rockstar an, der da surrealerweise mit mir in meinem Hausflur steht. Kann einen jemand eigentlich um den Verstand küssen? Für einen Moment bin ich nicht mal mehr ganz sicher, wie mein Name lautet. Sein Gesicht ist ganz dicht an meinem, und er zieht seine Mundwinkel leicht nach oben, denn es dauert eine ganze Weile, bis mein Gehirn die Bedeutung seiner Worte erfasst und eine passende Antwort ausgespuckt hat.

»Nein, ist es nicht«, bestätige ich, nachdem ich diese verflixt schwierige Denkaufgabe bewältigt habe. »Ich finde du hast recht, mit dem, was du heute Nachmittag gesagt hast. Wir sollten erst ein wenig übereinander wissen, bevor wir mehr tun, als uns zu küssen. Ich kann es selbst kaum glauben, aber ich will es dir wirklich erzählen. Irgendwie bin ich sogar ganz froh darüber, dass du mich auch kennenlernen und nicht nur deinen Spaß mit mir haben willst.«

Ein süßes Grinsen breitet sich auf seinen Lippen aus. »Mir wäre beides wichtig.« Dann legt er seine Stirn an meine und schließt für einen Moment die Augen. »Hey, dass ich noch eine Weile warten möchte, bedeutet nicht, dass ich nicht verrückt nach dir bin. Okay? Ich will, dass du das weißt.«

Fünf Minuten später komme ich mit einem Tablett, auf dem sich eine Flasche Rotwein, eine Karaffe Wasser und Gläser befinden, aus der Küche zurück und stelle es auf dem Esszimmertisch ab. Trace ist, genau wie gestern, in den Anblick der Bilder auf der Kommode vertieft. Lächelnd sehe ich ihm dabei zu, wie er sie neugierig betrachtet. Dabei strahlt er eine ungeheure Gelassenheit und Selbstsicherheit aus und wirkt völlig ruhig.

»Es gibt hier nur Fotos von dir und deiner Mom«, bemerkt er, dreht sich zu mir um und zieht nachdenklich seine Brauen zusammen. »Keine von Freunden oder von irgendwelchen wichtigen Anlässen. Wo ist zum Beispiel dein Abschlussballfoto? Oder dein Foto vom Uniabschluss? Du weißt schon, diese peinlichen Dinger, auf denen man Talar und Doktorhut anhat und damit unglaublich dämlich aussieht.«

Ich schnappe nach Luft und blinzle gequält, bevor ich ein zittriges »Wieso, wo hast du denn dein Abschlussballfoto?« über meine bebenden Lippen zwinge. Gleich zu Anfang hat er zielsicher einen meiner wunden Punkte getroffen.

Er schluckt und bohrt seinen dunklen Blick in meine Augen. In seinen toben widerstreitende Gefühle, und es macht den Eindruck, als würde er einen inneren Kampf mit sich ausfechten. Schließlich seufzt er leise. »Im Moment in meinem Hotelzimmer. Sonst in meiner Kabine im Tourbus und wenn ich zu Hause bin auf meinem Nachttisch.«

Seine Worte rauben mir den Atem. Eine düstere Ahnung beschleicht mich. Da gibt es eine Frau in seinem Leben, und egal, aus welchem Grund er nicht mehr mit ihr zusammen ist – wenn er noch immer ständig ihr Bild bei sich hat, dann ist er definitiv nicht über sie hinweg.

»Warst du mit dem Mädchen auf deinem Abschlussball, über das du diesen Song geschrieben hast? Den, den ihr zuletzt gespielt habt?«

Mir ist klar, dass ich mich mit meiner Frage auf sehr dünnem Eis bewege, aber ich möchte ihm zeigen, dass ich genauso sehr an ihm interessiert bin, wie er an mir. Ganz egal, zu was diese ganze Sache mit uns am Ende führt.

Seine Schultern spannen sich kurzzeitig an. Er hebt eine Braue, als wäre er kein bisschen überrascht, dass ich diesen Schluss gezogen habe. Als er schließlich spricht, klingt seine Stimme so hart und kalt, wie ich es bisher noch nie bei ihm gehört habe. »Tja, Google erzählt viel Mist, aber manchmal landet es auch Zufallstreffer. Allerdings steht so viel Zeug über diesen Song drin, dass irgendwann die Wahrheit dabei sein musste.«

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