Kapitel 21 - Wette verloren

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Die Ferientage zogen vorbei und ganz Hogwarts wurde mit jedem Tag verschneiter. Severus und Maleficent verstanden sich noch nicht vollständig gut, doch zumindest hassten sie sich nicht mehr. Während er einen Stundenplan für die nächstkommenden Erstklässler schrieb, putzte sie die Möbel und das Bad. Wenn sie schon jeden Tag hier schlief, musste sie auch Pflichten übernehmen. Severus sah von seinem Pergament auf, nachdem Maleficent ein Glas Wasser auf den Schreibtisch gestellt hatte. "Du musst hydriert sein, wenn du arbeitest." antwortete sie auf seinen verwirrten Blick und ging mit einem Putztuch zurück in das Badezimmer. Schweigend ignorierte er das Glas, fragte sich innerlich dennoch umso mehr, was es zu bedeuten hatte. Wieso sollte sie sich um ihn sorgen? Einen Entschluss gefasst stand er auf und ging zu ihr ins Bad, drehte sich dort dennoch schnell um und schloss die Augen. "Man schließt die Tür, wenn man sich umzieht!" rief er verärgert. Er fühlte, dass seine Wangen leicht erröteten, denn er hatte nicht vor, sie für eine halbe Sekunde in Unterwäsche zu sehen. Nach einer Minute durfte er sich wieder zu ihr drehen und verschränkte wie gewohnt seine Arme. "Folge mir." forderte er und verließ ohne Erklärung sein Zimmer. Verwirrt tat Maleficent, was er von ihr verlangte, bis er bei dem kleinen Raum anhielt, wo immer noch der verdeckte Spiegel Nerhegeb stand. Als wäre beim letzten Mal nichts Schlimmes passiert, zog Snape das Tuch herunter, sodass sein goldener Rahmen wieder sichtbar zwischen Staub und alten Möbeln herausstach. "Sag mir, was du siehst." befahl er und stellte sich neben den Spiegel. Sie wusste bereits, was sie sehen würde, dennoch stellte sie sich erneut davor und sah hinein. Wieder blickte sie in ihre Flügel in dem Bild, wie sie in aller Pracht von ihrem Rücken abstanden, die sauberen Federn stolz präsentierend und die Hörner über ihrer Stirn, die das Portrait einer mächtigen Fee perfekt ergänzten. "Ich sehe mich selbst." "Ach wirklich? Was für eine Überraschung. Außerdem?" Sie wusste nicht, wie sie antworten sollte. Er würde es wohl nicht verstehen, da er nichts von ihrer Herkunft wusste, also schwieg sie. "Nun gut. Da du nun soviel über mich erfahren hast, stelle ich dir nun eine Frage über dich." Er nahm seine Aktentasche zur Hand, als hätte sie ihn die ganze Zeit über begleitet, und zog das Buch von Mr. Botkins heraus. "Bist du eine Fee?" fragte er ernst und zeigte auf die Seite im Buch, wo ein menschlicher Umriss mit Flügeln und Hörnern, wie die von Maleficent, abgebildet war. Ihn kümmerte es nicht mehr, wie dumm die Frage klang, denn er musste es wissen. "Ja." antwortete sie matt, was Severus nicht wirklich erwartet hatte. Die ganze Zeit war er also kein Idiot gewesen, als er an eine echte Fee dachte? "Wieso hast du keine Flügel?" Mit dieser Frage hatte sie bereits gerechnet. "Ich hatte mal Flügel, doch sie wurden mir geraubt. Und nun beenden wir dieses Thema." Doch Severus hatte nicht vor, das Thema zu wechseln. "Von wem?" Seine tiefe Stimme durchdrang sie genauso schauererregend, wie sein starrer, kalter Blick, der direkt auf ihr lag. "Von einem Mann, den ich dachte, seit meiner Kindheit zu lieben. Doch er tat mir das an, um dafür in seinem Königreich die Krone zu bekommen und König zu werden." Severus erschütterte diese Vorstellung so sehr, dass er gar nicht bemerkte, dass die Kälte in seinem Blick verblasste und sein Gesichtsausdruck weicher wurde. Jemanden glauben zu lassen, man würde ihn lieben, und ihm dann ein Körperteil entreißen, auch noch ein so wertvolles, um eine Krone zu erhalten. Allein die Schmerzen, die Maleficent dabei hatte erleiden müssen, konnte er sich nicht ausmalen. Was dieser Mensch nur für ein Schwein sein musste. Severus hatte schon Einiges durchgemacht, doch so ein Erlebnis hätte er nicht einmal James Potter gewünscht. Noch nie in seinem Leben war Severus so sehr von der Grausamkeit der Menschen angeekelt, und das obwohl er für den dunklen Lord arbeitete, einen der grausamsten Mörder der Zaubererwelt. "Fehlen sie dir?" fragte er, sanfter als er es wollte. Ihre Augen trafen jetzt seine, und er konnte in ihnen die Enttäuschung, den Hass und auch die leichte Traurigkeit erkennen. "Jeden Tag. Mit ihnen zu fliegen war das größte Gefühl von Freiheit, das eine Fee nur spüren konnte." Damit wusste er, was zu tun war. "Und wenn du ohne Flügel fliegst?" Sie sah ihn verwirrt an. "Was willst du denn mit diesem Besen?" fragte sie komplett durcheinander, während sie versuchte, mit seinen schnellen Schritten mitzuhalten, die auf den Südausgang von Hogwarts zumarschierten. "Fliegen." antwortete er knapp und blieb auf einer Grasfläche stehen. Dann hob er den Besen hoch, drehte ihn waagerecht und schlug ein Bein darüber, als würde er ein Pferd besteigen. Auf seine Kopfgeste hin setzte Maleficent sich hinter ihn und hielt sich an seinen Schultern fest. Sie hatte bereits von fliegenden Fahrzeugen erfahren, aber ein Besen? "Bereit?" "Bereit." Severus stieß vom Boden ab und der Besen schoss in die Lüfte. Mit viel Geschick steuerten seine Hände den Stiel und er raste um das Schloss herum in Richtung See. Maleficent hätte nicht in Worte fassen können, wie sie sich in diesem Augenblick fühlte. Sie lehnte ihren Rücken leicht an seinen Rücken, um ihre Arme auszustrecken und die frische Luft zu genießen, die ihr ins Gesicht blies und ihre Haare nach hinten wehte, genau wie damals, als ihre Flügel sie über die Wolken trugen. Die schwarzen Haare von Severus flatterten ebenso hinter seinen Ohren im Wind weg und seine Augen konzentrierten sich auf das Fliegen. Dicht über dem Wald brachte er den Besen in der Luft zum Stehen, sodass beide den Ausblick des mit Schnee bedecktem Schloss genießen konnten. Nach wenigen Sekunden wanderte ihr Blick zu Snape, doch was sie dort sah, konnte sie nicht glauben. Severus verschnaufte noch etwas von dem rasenden Flug, doch sein Gesicht war nicht ernst. Im Gegenteil, seine Mundwinkel waren hochgezogen und seine Augen funkelten vor Glück. Snape lachte. Er war tatsächlich glücklich, zum allerersten Mal. Und so hatte Severus die letzten zwanzig Jahre nicht ausgesehen.

Severus Snape × Maleficent - Die Fee und der ZaubererWo Geschichten leben. Entdecke jetzt