Kapitel 18 - Geheime Adresse

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Schon drei ganze Wochen. Und Maleficent hatte noch immer keinen Weg nach Hause gefunden. So langsam fing sie an, jegliche Hoffnung zu verlieren. Zwar wusste sie, dass die Bewohner der Moore sich mit Sicherheit gegen die Menschen wehren konnten, doch die Sorge um ihr Königreich war nicht das einzige, was sie bedrückte, es war auch das Heimweh, das sie ständig spürte. Jeden Tag, wie jetzt, wo sie am See saß und auf den Sonnenuntergang hinter dem Schloss blickte, vermisste sie die Plaudereien mit Diaval, die spielenden Wasserfeen und sogar über Aurora dachte sie ab und zu nach. Wie konnte dieses Mädchen nur eine gute Fee in Maleficent sehen? Wie auch immer, nächstes Jahr etwa Ende des Sommers war es soweit. Denn da würde Aurora sechszehn Jahre alt werden und somit ihren letzten Geburtstag erleben. Ihre Konzentration auf den Sonnenuntergang wurde unterbrochen, als zwei Gestalten durch ihr Sichtfeld huschten. Ihre Augen folgten ihnen, ein Mädchen und ein Junge, die kichernd und Händchen haltend über den Kieselsteinweg am anderen Ende des Sees rannten. Gegen ihren Willen schossen ihr Erinnerungen mit Stefan durch den Kopf. Wie glücklich er sie doch immer zu machen schien. Doch natürlich hatte jeder eine Seite, die niemand kannte. Hätte sie das doch nur früher beachtet, hätte sie vermutlich noch ihre Flügel. Wäre sie nicht so naiv gewesen. Das Teenager-Pärchen hörte auf zu kichern und zu rennen, denn direkt hinter ihnen stand nun Snape, murmelte etwas von "Zehn Punkte Abzug für", das nächste Wort verstand sie nicht, und schickte sie zurück ins Schloss. Es wunderte sie nicht, Hagrid hatte ihr bereits erklärt, dass die Schüler ab einer gewissen Uhrzeit nicht mehr die Schule verlassen durften. Es war nicht abzustreiten, dass Snape in seiner Rolle als "Der strengste Lehrer von Hogwarts" ziemlich attraktiv wirkte. Zu schade, dass er innerlich so hässlich war. Gut, eigentlich wusste sie ja nun den Grund für sein Verhalten, doch sie hatte keine Gründe, ihn zu mögen. Dennoch sah sie sich dazu verpflichtet, ihm für die Lebensrettung im Wald zu danken. Also stand sie auf und ging zu einer der vertrauenswürdigsten Personen, die sie in ihrer Zeit hier kennengelernt hatte. Als Hagrid sie freundlich wie immer hereinbat, saß auf seinem riesigen Sofa bereits ein anderer Besuch. "Abend, Valerie." sagte Minerva und trank dann von der Teetasse in ihrer Hand. Maleficent gesellte sich zu ihnen und kam direkt auf den Punkt. "Morgen ist Weihnachten, und weil ich Snape etwas schulde brauche ich ein angemessenes Geschenk für ihn." Minervas halbes Lächeln verschwand augenblicklich und komischerweise wirkte sie plötzlich ziemlich irritiert. Hagrid dachte nach, während er Nachschub an Feuerholz in seinen Kamin legte. "Schwer zu sagen, ob man dem guten alten Snape überhaupt irgendne Freude machen kann. Hab ihn nie bei irgendnem Weihnachtsball gesehen, wenn ich mich recht erinnere." Minerva packte irgendeines der kleinen Stücke Pergament, die Hagrid zu seinem gelagerten Brennholz zählte, suchte im Raum nach einer Schreibfeder und schrieb damit eine Notiz darauf. "Bring ihn zu dieser Adresse, dann seid ihr beide quit." Maleficent kam nicht einmal dazu, es zu hinterfragen, da Minerva im nächsten Augenblick schon aus der Hütte verschwunden war. "Komisch, hat ihren Tee noch garnicht ausgetrunken." murmelte Hagrid und räumte den Tisch ab. "Hagrid, ich kenne mich hier nicht aus. Würdest du Snape und mich zu dieser Adresse bringen?" "Sicher, ein Kinderspiel! Nur werden wir erst nachts aufbrechen müssen, darf mein Motorrad nicht bei den Muggeln zeigen." "Und wie bringen wir ihn dazu, mitzukommen?" "Mach dir da mal keine Sorgen. Und jetzt ab ins Schloss zurück, ist schon spät." Am nächsten Tag war es endlich soweit. Das Schloss leuchtete in weihnachtlichen Farben und am Abend würde der Weihnachtsball stattfinden. Natürlich begannen danach gleich die Ferien und die Schüler freuten sich darauf, endlich etwas Abstand von dem Lernen zu bekommen. Doch auch wenn jetzt die Hälfte seiner Aufgaben wegfiel, hatte Severus immer noch alle Hände voll zu tun. Der Abstand seines Lehrer Daseins würde ihm helfen, sich auf die Befehle des dunklen Lords zu konzentrieren. Nachdem er seinen Schlafplatz, den Keller, ein wenig geputzt hatte, ging er hoch in sein eigentliches Zimmer, zu Maleficent. Sie stand vor seinem Spiegel im Bad, die Tür offen, und bürstete ihre langen, braunen Haare glatt. Anlässlich des besonderen Feiertags trug sie ein eng anliegendes, purpurrotes Kleid in Richtung mittelalterlichen Stils. Severus wollte nicht starren. Wollte er nicht, er tat es aber. Wie kam es überhaupt dazu, dass sie immer so gepflegt aussah? Er hatte ihr nie erlaubt, seine Dusche zu verwenden. Als Maleficent ihn endlich bemerkte, verschränkte er schnell die Arme und setzte seinen üblichen, ernsten Blick auf. "Raus. Für den Fall, dass es dir entgangen ist, du befindest dich hier in meinem Baderaum." Severus zog seine gewöhnlichen Arbeitsklamotten an, als wäre es ein ganz normaler Tag. War es für ihn auch, denn Weihnachten hatte seiner Meinung nach keinen wirklichen Wert. Deswegen verlief der Tag auch nicht unbedingt anders als andere Ferientage, zumindest bis zum Abend. Kurz vor 20:00 Uhr verließ er, gepflegter und frisierter als sonst, sein Zimmer und wollte sich eigentlich nun am Weihnachtsball beteiligen, um seine Pflicht als Lehrer zu erfüllen, bis er von Hagrid auf dem Weg dorthin abgefangen wurde. "Wo schickt Dumbledore Sie und mich genau zu diesem Zeitpunkt hin?!" fragte er Hagrid leicht genervt, als er hinter ihm auf seinem Motorrad saß, das rasend über die Wolken schwebte. "Soll sehr wichtig sein, laut Dumbledore!" antwortete Hagrid, stolz darauf, dass sein Plan funktioniert hatte, Professor Snape reinzulegen. Severus verwirrte nicht nur dieser "sehr wichtige" Auftrag kurz vor dem Weihnachtsball, sondern auch, dass Maleficent neben ihm saß und mit ihnen kam. Diese genoss währenddessen den Ausblick und das Gefühl, wieder fliegen zu können, als hätte sie nie ihre Flügel verloren. Hagrid senkte sein Fahrzeug in einer kleinen, leeren Gasse, welche vom Nachthimmel aus fast gar nicht zu erkennen war. "Also dann meine Fahrgäste, oder sollte ich sagen Fluggäste? Wir sind da." Maleficent nahm Minerva's Notiz heraus und las die gleiche Adresse auf einem der Briefkasten. "Also, ich lass euch jetzt allein. Hab da noch eine Verabredung auf dem Ball." flüsterte er ihr zu, lief leicht rot an und flog zurück nach Hogwarts. Severus bemerkte nicht einmal, dass Hagrid ihn mit ihr einfach zurückgelassen hatte, da er schockiert auf das Haus starrte, das zu dem Briefkasten gehörte.

Severus Snape × Maleficent - Die Fee und der ZaubererWo Geschichten leben. Entdecke jetzt