Kapitel 14

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"Dain!", rief ich ihm hinterher. Er schien mich nicht zu hören und verschwand in einer Menge Menschen. Ich rannte ihm so schnell ich konnte hinterher. Warum hatte ich das Gefühl, dass jetzt auf einmal bei weitem mehr Menschen in der Fußgängerzone unterwegs waren? Ich quetschte mich immer wieder zwischen Körpern durch und versuchte mich immer zu entschuldigen, wenn ich jemanden anrempeln oder ihnen den Weg abschnitt, aber mir war es wichtig, Dain jetzt noch zu erwischen. "Dain, warte doch bitte." Er schien mich bemerkt zu haben, denn als ich ihm näher kam, sah ich, wie er den Kopf hob und sich umsah. Anhalten tat er trotzdem nicht. Da ich jetzt näher bei ihm war und ihn besser erkennen konnte, konnte ich sehen, dass der kleine Junge auch wieder dabei war. Er hielt Dains Hand und da Dain gerade zu ihm hinunterschaute, glaubte ich, dass die beiden sich gerade am Unterhalten waren. Je weiter ich rannte, desto näher kam ich, bis ich irgendwann direkt neben Dain zum Stehen kam. "Hey, Dain, kann ich kurz mit dir reden?" Ich hatte das Gefühl, dass ich ihn erschreckt hatte, denn er zuckte etwas zusammen. Er sah mich verwirrt an, bis er mit einem "Klar" antwortete. Bevor ich allerdings zu reden begann, kam der kleine Junge auf mich zu. "Kylie, wie cool, dass du auch hier bist", lächelte er mich an. Wie süß er dabei aussah. Dain legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Sag mal Noah, wie wäre es, wenn du schon einmal vorgehen würdest?" Der Kleine, Noah, so wie ich jetzt weiß, sah zu Dain herauf. "Aber ich habe Kylie jetzt schon so lange nicht mehr gesehen", schmollte er. "Tu mir bitte den Gefallen", antwortete Dain daraufhin ruhig. Noah sah etwas gekränkt zu mir und nickte dann, bevor er sich auf den Weg machte. "Wer ist das eigentlich?", rutschte es mir raus. "Mein kleiner Bruder. Er hat einen Narren an dir gefressen, tut mir leid." An mir? Wie? "Ich wusste gar nicht, dass deine Eltern sich noch einmal dazu entschieden hatten, ein Kind zu bekommen."

"Er ist ungefähr zwei Jahre nach unserem Umzug zur Welt gekommen." Er lächelte mich vorsichtig an und sein Blick rutschte von meinen Augen zu meinem Brustbein hinunter. Wie automatisch schoss meine Hand zu der Stelle und umfasste den Anhänger der Kette. Es war immer noch die Kette, die er mir vor zwölf Jahren geschenkt hatte. An seinem Blick konnte ich auch erkennen, dass er genau wusste, von wem die Kette war. Seine Augen schnellten wieder zu meinen. In seinen meeresblauen Augen herrschte eine gewisse Unsicherheit. Wir schauten uns einen Moment so an. Er war ein gutes Stück größer als ich, weswegen ich meinen Kopf leicht in den Nacken legen musste, um ihm vernünftig in die Augen schauen zu können. "Worüber wolltest du reden?" Seine Stimme ließ mir einen Schauer über den Rücken laufen. Sie klang plötzlich so viel tiefer, aber dennoch war sie angenehm zu hören. "Oh, stimmt, sorry. Ich wollte eigentlich nur fragen, ob es vielleicht möglich wäre, dass wir uns irgendwie treffen würden." Ich wurde nervöser und löste unseren Augenkontakt. Dain hatte, wie die letzten Male auch, einen Anzug an. Das weiße Hemd schien unter seinem schwarzen Jackett nur so zu strahlen. Die schwarze Krawatte passte perfekt zum Anzug und war sauber gebunden. Generell war alles makellos an seinem Outfit. Irgendwie machte mich das noch aufgewühlter und ich fing leicht an, von einem Bein auf das andere zu tapsen. "Warum können wir das hier nicht machen?" Überrascht über seine Worte sah ich ihm wieder ins Gesicht. Die Unsicherheit aus seinen Augen war verschwunden und er wirkte distanzierter. "Weil ich gerne etwas klären würde und das eher ungern in einer Fußgängerzone thematisieren würde." Sein Blick wandte sich ab. Er sah sich um und nun war die Unsicherheit wieder da. Ich sah ihn gespannt an und war ehrlich etwas stolz auf mich, dass ich ihn nun gefragt habe und keinen Rückzieher gemacht habe. Er brauchte einige Momente, bis er seufzte. "Na gut, hast du was zu schreiben?"

"Oh, ähm, klar." Unwillkürlich zog ich mein Handy aus meiner Hosentasche und öffnete die Notizen App mit einer neuen Notiz. Danach überreichte ich ihm mein Handy. Er tippte ein wenig und gab es mir dann zurück. Eingetippt war eine Adresse und 'nächste Woche Mittwoch um 16 Uhr'. "Tut mir leid, früher habe ich leider keine Zeit."

"Alles gut, ich werde dann da sein." Ich lächelte ihn an und erntete von ihm einen überraschten Blick. Dann kam ein Nicken von ihm. "Freut mich. Ich muss jetzt aber nach Noah schauen."

"Natürlich und Dain, vielen Dank." Er nickte. Auf seinen Lippen spiegelte sich ein leichtes Lächeln wider, dann ging er in die Richtung, in der Noah verschwunden war. Wow, jetzt habe ich es nicht nur geschafft, mit Dain zu sprechen, sondern auch ein Treffen mit ihm. Ich blickte noch einen Moment auf die Adresse, bevor ich den Bildschirm ausschalte und mein Handy wieder in die Hosentasche gleiten ließ. Dain war mittlerweile auch nicht mehr zwischen den Menschen zu erkennen und so drehte ich mich um und ging zum Café zurück. Ich hatte vor Eile total vergessen, Stacy zu sagen, was los war, weswegen ich meine Schritte beschleunigte.

Im Café angekommen, saß Stacy etwas angespannt immer noch an unserem Tisch. Als sie mich sah, sprang sie auf. "Da bist du ja wieder. Was war denn los?" Sie kam langsam auf mich zu und umfasste meine beiden Oberarme mit ihren Händen. "Tut mir leid. Ich hatte Dain gesehen und ich wollte mir die Chance nicht nehmen lassen, mit ihm zu reden. Deswegen bin ich ihm hinterhergerannt." Stacy sah mich ungläubig an. Dann führte sie uns beide zum Tisch zurück. "Du hast was?"

"Ich habe mit Dain geredet."

"Was hat er gesagt?"

" Na ja, nicht viel, wir haben aber ein Treffen für nächste Woche Mittwoch ausgemacht. Ich habe seine Adresse bekommen." Stacy fiel wortwörtlich die Kinnlade nach unten. "Was?", fragte sie ungläubig. "Zeig mal her." Ich kramte wieder mein Handy aus meiner Jeans und gab es ihr. Einen Augenblick starrte sie auf das Display, bis sie ihren Kopf wieder hob. "Das ist in der Nähe unserer Uni." Stutzig sah ich zu ihr. "Wirklich?"

"Ja, zu Fuß circa 30 Minuten." Sie überlegte noch einen Moment, dann sprach sie weiter. "Du sollst um 16 Uhr bei ihm sein und wir haben am Mittwoch bis 14 Uhr Uni. Wollen wir dazwischen noch was unternehmen?"

"Klar, woran hast du denn gedacht?"

"Keine Ahnung, aber bring Wechselsachen mit. Ich style dich dann ein bisschen." Sie zwinkerte mir zu. "Ich weiß nicht, ob es gut wäre, für dieses Treffen mein Aussehen in deine Hände zu legen. Am Ende sehe ich noch aus, als würde ich auf eine Party gehen."

"Ach komm. Ich werde vorsichtig mit dir sein. Du wirst Dain dann schon nicht verschrecken, du wirst ihn verzaubern." Sie sah mich ein wenig beleidigt an. "Na gut, aber wenn ich damit nicht zufrieden bin, werde ich jederzeit das Ruder übernehmen, Deal?" Stacy lächelte mich zufrieden an und streckte mir die Hand hin. "Deal." Widerwillig legte ich meine in ihre. Danach brachen wir beide in Gelächter aus.

Ich will dich nicht verlierenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt