Kapitel 10

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Der nächste Tag an der Uni verlief reibungslos. Ich war wieder etwas motivierter und hatte im Allgemeinen einfach Spaß. Nach unserer Vorlesung wollte Stacy noch Mittagessen, dabei ließ ich sie aber alleine. Ich musste nämlich noch zur Arbeit. Meine Chefin hatte mir gestern geschrieben, dass ich heute einspringen sollte, wenn dies denn möglich sei, wobei ich dann direkt zugesagt habe.

Stacy und ich waren gerade auf dem Weg zur Straßenbahn, als wir jemandem begegneten. Sein Gesicht kam mir irgendwie ganz bekannt vor. Als wir näher traten, erkannte ich ihn. Es war Andrew. Ich hatte ihn seit der Party vor ein paar Tagen nicht mehr gesehen, was natürlich auch einerseits meine Schuld war, da ich kaum in der Uni war. Stacy begrüßte ihn herzlich und umarmte ihn. "Schön, dich zu sehen, Andrew!"

"Es freut mich auch, euch zu sehen. Seid ihr beide nach der Party gut nach Hause gekommen?" Ich nickte als Antwort. Stacy packt daraufhin das ganze Drama aus. Sie erzählte ihm, dass sie am nächsten Morgen neben diesem Typen aufgewacht ist und Angst hatte, ihren Freund betrogen zu haben. Sichtlich erleichtert löste sie es dann auch direkt für Andrew auf und sagte ihm, dass nichts vorgefallen wäre. Andrew sah während der ganzen Story recht desinteressiert aus. "Was hast du jetzt eigentlich noch vor?" Sprach ich Andrew direkt an. "Oh, ich habe jetzt noch eine Nachmittagsvorlesung und dann gehe ich wahrscheinlich direkt wieder ins Wohnheim. Ich habe in zwei Tagen eine Klausur in Informatik, da will ich mich noch ein wenig darauf vorbereiten."

"Na, das klingt doch recht durchorganisiert, da wollen Stacy und ich dich dann nicht weiter stören. Hab noch einen schönen Tag und viel Glück." Ich zog Stacy sofort weiter. Ihr schien das nicht ganz zu gefallen, denn sie meckerte ununterbrochen, dass sie noch nicht fertig war und sich noch mit Andrew unterhalten wollte. Als ich zurückschaute, lächelte Andrew mich an. Ich deutete das mal als ein 'Dankeschön'.

In der Straßenbahn spielte Stacy immer noch eine auf beleidigte Leberwurst. Weil ich wusste, dass sie somit nicht mit mir reden würde, steckte ich mir meine Kopfhörer in die Ohren und hörte Musik. Sie steigt bei ihrem Wohnheim aus und verabschiedet sich mit einer Umarmung und ich fuhr bis zum Hauptbahnhof weiter. Dort stieg ich wie gewohnt in die Bahn um.

Das Lokal, in dem ich arbeite, war nicht weit vom Bahnhof bei mir entfernt, deswegen ließ ich mein Auto stehen und ging hin. Das Café war recht leer, als ich es betrat. Meine Chefin stand hinter der Theke und brühte gerade Kaffee auf. "Hallo Kylie. Danke, dass du so kurzfristig noch einspringen konntest."

"Ist doch kein Problem." Ich ging an der Theke vorbei, um ins Hinterzimmer zu gehen. In dem Zimmer stand nicht viel, außer ein paar Schließfächer, einem Tisch und ein paar Stühle. Es war unser Aufenthaltsraum und obwohl er ziemlich klein war, fühlte man sich wohl. Zumindest tat ich das, hier war es immer ruhig, egal wie viel im Café eigentlich los war. Gedankenverloren öffnete ich mein Schließfach. Meine grüne Schürze hing dort drinnen an einem Kleiderbügel und auf dem Regalbrett, das über der Kleiderstange hing, lag ein schwarzer langärmeliger Pulli. Ich hatte eigentlich immer ein paar auf Reserve hier drinnen, falls ich mich dreckig mache bei der Arbeit oder falls ich, wie heute, von der Uni kam und nicht die passende Kleidung anhatte. Meine Unitasche stellte ich auf den Boden des Schrankes, schnappte mir den Pulli und verschwand kurz auf Toilette , um diesen anzuziehen. Der Spiegel, der in dem Raum hing, war schon seit längerem kaputt, aber es schien keinen zu stören. Solange ich mich noch in ihm spiegeln konnte, war mir der Zustand auch egal, denn er half mir auch in diesem Moment wieder aufs neue meine Haare in einen Dutt hochzubinden, ohne, dass ich danach aussah wie ein gerupftes Huhn.

Nachdem ich mir auch meine Schürze übergestülpt hatte, begab ich mich zu meiner Chefin. Das Café hatte zwei neue Kunden dazu bekommen. "Bringst du das Tablett dort bitte zu Tisch 2?" Ohne darauf zu antworten, schnappte ich mir das Tablett und begab mich zu Tisch 2. Ich schätze, dass die beiden, die dort saßen, ein Pärchen sind. Sie starrten sich so verliebt an. "So, hier sind einmal ihre Getränke." Ich stellte die beiden Getränke vorsichtig auf den Tisch ab. "Kann ich sonst noch was für sie tun?"

"Nein, dankeschön", antwortete die junge Dame und lächelte mich freundlich an. Somit drehte ich mich wieder um, klemmte mir das Tablett unter den Arm und ging zurück zur Theke.

"Ich muss gleich einmal weg. Bekommst du das hier alleine hin?" Verdutzt sah ich meine Chefin an. Sie ließ nie ihre Angestellten alleine hier zurück. "Wenn es bei so wenig Kunden bleibt, dann definitiv."

"Danke. Ich brauche auch nicht lange versprochen, aber ich muss meine Kleine aus der Kita abholen." Verständnisvoll nickte ich.

Es blieb auch noch so schön ruhig, nachdem meine Chefin verschwunden war. Das verliebte Pärchen war gegangen und zwischenzeitlich kam immer mal wieder einer rein, um sich einen Kaffee zum Mitnehmen zu holen. Es lief also.

Ich war gerade dabei, neuen Kaffee aufzubrühen, als ich die Tür bimmeln hörte. "Schönen guten Tag", begrüßte ich den Neuankömmling. "Hallo", kam es von hinter mir. "Einen Moment bitte, ich bin gleich fertig."

Als ich fertig war, drehte ich mich um, um den Kunden zu bedienen und wollte mich sofort wieder umdrehen, nachdem ich der Person ins Gesicht sah. Vor mir stand Dain. Was macht der hier? "Also was kann ich für sie tun?" Ich war mir sicher, dass ich so rot war wie eine Tomate. "Ich hätte gerne einen schwarzen Kaffee und einen warmen Kakao."

"Zum Mitnehmen?"

"Ja." Ich drehte mich um und griff nach den Einwegbechern. Nachdem ich beide befüllt hatte und die Deckel draufgemacht hatte, drehte ich mich wieder um und stellte sie auch den Tresen. "So, das wären dann einmal 4,90€." Er hielt mir einen 5€ Schein hin und sagte nur "Passt." Als ich nach dem Schein griff, streiften sich unsere Hände. Aus Reflex schaute ich nach oben in sein Gesicht. Er schaute mir direkt in die Augen. Diese eisblauen Augen sahen so kalt und verletzt aus. Was ist nur damals vorgefallen? Er realisierte, dass wir uns anstarren und zog ganz schnell seine Hand weg. Mir ist gar nicht aufgefallen, dass unsere Hände sich immer noch berührt haben. Auf seinen Wangen lag ein leichter rosa Schimmer und sein Blick war auf die beiden Becher auf der Theke gerichtet. Er nahm beide in die Hand und murmelte ein leichtes 'Auf Wiedersehen', drehte sich um und verließ das Café. Was war das denn bitte? Hat er gerade wirklich 'Auf Wiedersehen' gesagt? Heißt das, dass er wiederkommen wird oder wollte er nur nett sein? Ich schaute ihm hinterher. Erst jetzt fiel mir richtig auf, dass er einen Anzug trägt. Seine dunkelbraunen Haare waren nach hinten gekämmt und an den Seiten kurz rasiert. Er hatte einen leichten Drei-Tage-Bart. Er ist richtig erwachsen geworden... Zumindest von seinem Aussehen her.

Es dauerte noch 10 weitere Minuten, bis meine Chefin dann auch wieder kam und sie hatte ihr kleines Kind dabei. Die Kleine war ziemlich neugierig, denn sie rannte sofort in dem Laden umher und begutachtete alles. Die Kunden, die an den Tischen saßen, schienen sehr amüsiert von dem kleinen, neugierigen Kind, was an allem eine Freude fand. Sie war schon relativ süß.

Der restliche Arbeitstag verlief recht gut. Am Abend kam nochmal ein kleiner Ansturm von älteren Damen, die alle zusammen nach ihrem Chor ins Café kamen, um den Abend ausklingen zu lassen. Zumindest konnte ich das so aus ihren Gesprächen aufschnappen.

Ich will dich nicht verlierenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt