Ein paar Tage darauf saßen Stacy und ich vor unserem nächsten Vorlesungsraum. Wir hatten gleich Evolutionsbiologie und warteten eigentlich nur noch auf unseren Professor. "Hast du schon irgendwie ein Treffen mit Dain ausgemacht?" Stacy sah mich vielversprechend an. Niedergeschlagen schüttelte ich den Kopf. "Er ist seit dem letzten Mal nicht mehr ins Café gekommen." Von Stacy kam nur ein leises 'Oh' und sie blickte auf ihre Schuhe. "Ich verstehe das immer noch nicht und ehrlich gesagt macht mich das ganze Hin und Her mit Dain auch einfach fertig." Stacy legte mir sanft eine Hand auf die Schulter. "Er ist dir wichtig, also kein Wunder." Ich blickte sie daraufhin irritiert an. "Jetzt schau nicht so. Wäre er dir nicht wichtig, dann würdest du ihn nicht einmal mit dem Arsch angucken, aber du sitzt hier, trägst die Kette, die er dir vor 12 Jahren geschenkt hat und machst dir Gedanken über sein Verhalten dir gegenüber."
"Na gut, du hast mich ertappt." Stacy lächelte. "Weißt du, wie ich dich auf andere Gedanken bekomme?"
"Wie?"
"Wir gehen heute nach der Vorlesung einfach in die Stadt und machen uns einen gemütlichen Nachmittag, wie hört sich das an?"
"Wunderbar, ich könnte es mal eine kleine Auszeit gebrauchen." Stacy klatscht daraufhin in die Hände. "Gut, so machen wir es." Sie lächelte zufrieden.
Wir mussten nicht lange warten, denn Professor Werron kam mit zügigen Schritten auf uns zu. Er ging an uns vorbei und machte die Tür zum Saal auf. Wir liefen ihm hinterher und setzten uns etwas weiter hinten hin. Von unserem Platz aus hatten wir eine gute Aussicht auf die Tafeln und auch auf den Bereich, auf dem der Computerbildschirm projiziert wird. Professor Werron war ein alter Mann, der sich selbst nicht gerne als 'Alt' betitelt, sondern lieber als 'Erfahren'. Zudem hat er die meiste Zeit immer schlechte Laune, weswegen Stacy und ich ihn zumeist 'Alter Greis' nennen. Die Vorlesung verlief heute allerdings zu meinem Erstaunen ziemlich gut. Professor Werron machte zwischenzeitlich sogar Witze. Stacy sah mich über die Zeit immer wieder verwirrt an und lehnte sich sogar zu mir rüber und sagte: "Sag mal, hat seine Frau ihn in letzter Zeit mal wieder rangelassen oder warum ist der so gut gelaunt?" Das brachte mich zum Kichern. Seine gute Laune hielt allerdings nicht bis zum Ende der Vorlesung an. Ein junges Mädchen, sehr wahrscheinlich in unserem Alter, meldete sich und als sie dran genommen wurde, stellte sie eine Frage zu unserem Thema. Professor Werrons Gesichtsausdruck änderte sich schlagartig und von Stacy kam nur ein: "Oh, Oh." Wir wussten genau, was jetzt kam. "Junge Dame, ich mache mir hier die Mühe den Stoff so gut es geht zu erklären, Fragen stören dabei nur. Wenn sie etwas nicht verstehen, recherchieren sie es selbst." Gegen Ende wurde der Professor etwas lauter. Er konnte es gar nicht ab, wenn während seiner Vorlesung Fragen gestellt wurden. "Aber ich habe etwas nicht verstanden, können Sie das nicht kurz für mich wiederholen?"
"Sie stören gerade meine Vorlesung." Das Mädchen blieb danach still. Ich hatte sie zuvor noch nie gesehen, entweder war sie neu oder mir noch nie aufgefallen. Sie tat mir leid, der alte Mann da vorne nahm ziemlich wenig Rücksicht auf seine Studenten. Er begründet dies immer mit: "Ihr seid alt genug, da muss ich euch nichts mehr vorkauen, wenn ihr etwas versteht, dann arbeiten sie selbständig daran, es nachzuholen." Ich meine, auf eine gewisse Weise hat er recht, aber man kann das auch netter ausdrücken. Soweit ich allerdings weiß, soll Professor Werron außerhalb der Vorlesungen relativ ok sein und man soll sich gut mit ihm unterhalten können.
"Ich komme gleich wieder", flüsterte ich zu Stacy rüber und stand auf. Leise ging ich aus dem Saal und achtete darauf, dass ich die schwere Tür vorsichtig schließe, um keinen zu stören. Die Hallen der Universität waren wie leer gefegt. Zwischendurch sah ich immer wieder eine einzelne Person an einem Tisch, auf der oberen Etage, am Arbeiten. Bei manchen Sälen standen die Türen offen und man konnte die Dozenten reden hören. Ich bog von dem großen Hauptflur in einen kleinen Seitenflur ein. Hier war ein Schließfach nach dem anderen an beiden Seitenwänden angebracht. Es gab vereinzelt welche, die offenstanden, aber die meisten waren geschlossen. Mein Weg führte mich in einen kleinen Raum, zur Toilette. Hier war nicht gerade ein gemütlicher Ort. In den neuen Gebäuden waren die Toiletten bei weitem angenehmer und, was wichtiger war, sauberer. Im Hauptgebäude, da, wo ich mich gerade befand, genügen sie aber dem Zweck. Lange wollte man sich eigentlich sowieso nicht hier aufhalten. Neben mir waren noch zwei junge Mädchen vor Ort. Die eine stand an der Wand angelehnt und schien zu warten, während sich ihre Freundin die Hände wusch. Sie unterbrachen ihr Gespräch kurz, als ich hereinkam, aber sie setzten es dann auch sofort wieder fort. Nach weniger als einer Minute waren die beiden auch schon verschwunden und ich war alleine im Raum. Als ich mir die Hände wusch und in den Spiegel schaute, fiel mir auf, wie gelblich das Licht hier drinnen war. Meine dicken Haare sahen mal wieder aus wie ein Vogelnest. Ich hatte sie heute Morgen in einen Half Bun gebunden, aber da meine Haare gerne machten, was sie wollten, hing der tiefer als heute Morgen und mein restliches offenes Haar sah aus, als wäre ich gerade erst aufgestanden. Da es mich störte, öffnete ich den Half Bun und versuchte meine Haare mit meinen Händen zu kämmen. Verdammt, hätte ich jetzt nur meine Tasche hier, da ist immer eine Bürste drinnen oder hätte ich einfach mal die Mädchen gefragt, die hätte mit Sicherheit auch eine für mich gehabt. Obwohl, als die beiden noch hier waren, wusste ich noch nicht, wie ich auf dem Kopf aussehe. Als ich einigermaßen zufrieden mit meinen Haaren war, band ich sie mir in einen hohen Zopf zusammen. Ich hatte nicht den Nerv und die Geduld, mir wieder einen Half Bun zu machen, zudem musste ich auch wieder zurück in die Vorlesung. Ich checkte mich noch einmal im Spiegel und ging dann auf die Tür zu. Auf dem Weg zum Saal sah ich die beiden Mädels noch einmal. Sie standen bei dem kleinen Tante Emma Laden, der auf dem Hauptflur war. Wir hatten einige Läden hier in dem Hauptgebäude für alles, was man als Student brauchte. Wir hatten sogar eine kleine Sparkasse mit ein paar Automaten.
DU LIEST GERADE
Ich will dich nicht verlieren
Romance»Ich wusste nicht, dass man so schnell seine Versprechen brechen konnte, denn am nächsten Tag und auch darauf habe ich ihn nicht mehr zu Gesicht bekommen und am dritten Tag stand das Haus, in dem er gewohnt hatte, plötzlich leer. Ich habe ihn seitde...