Kapitel 19 - Dain

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Ein paar meiner Partner diskutierten gerade mit meinen Mitarbeitern über die Produktion. Unsere Partner wollten mehr von ihrem meistverkauften Wein, während wir eigentlich daran dachten, ein paar neue Sorten auszuprobieren. "Das wäre absolute Verschwendung. Wer sagt, dass Kunden die neuen Weinsorten mögen werden?"

"Aber ich bitte sie, Herr Stephens, wir produzieren doch trotzdem genug von ihrem Bestseller."

"Aber ich möchte mehr davon anbieten können. Das heißt, mehr Profit für mich und auch mehr Profit für sie, da ich ihnen mehr abnehme." Er hat recht, aber er ist unser einziger Partner, bei dem die Sorte so gut weggeht. Es macht also keinen Sinn mehr davon zu produzieren. Sagen tue ich ihm dies allerdings nicht. Der Mann ist schnell beleidigt und ich will einen meiner treuen Partner nur ungern verlieren. Ich seufzte laut und fasste mir an den Nasenrücken. Das ganze Theater geht jetzt schon seit einer Stunde so und ich bekomme Kopfschmerzen. "Herr Lindström, was sagen Sie denn dazu?" Fuck, ich hätte nicht auf mich aufmerksam machen sollen. "Herr Stephens, wie wäre es denn, wenn wir uns in einer Woche noch einmal Treffen? Ich kann das währenddessen mit meinem Team besprechen und wir sehen, was gemacht werden kann." Ich sah ihn eindringlich an und faltete meine Hände auf dem Tisch zusammen. "Gerne."

"Gut, dann machen Sie bitte gleich mit meiner Empfangsdame unten einen Termin aus." Er schien nicht zufrieden, aber dennoch nickte er. Ein Problem weniger. "Dann wären wir so weit, eigentlich durch, oder hat noch jemand ein Anliegen?" Joseph, meine rechte Hand, beendete das Meeting, als niemand mehr etwas sagte. Wir standen alle auf und verabschiedeten uns. Joseph schloss hinter allen Besuchern die Tür und ich setzte mich wieder in meinen Sessel. "Das hat sich aber gezogen."

"Das hat es sich, definitiv. Ist alles bei dir gut, Dain?"

"Habe ich heute noch einen Termin?" Bewusst ignorierte ich seine Frage.

"Nein, hast du nicht. Wir wussten nicht, wie lange das Meeting geht, deswegen hattest du entschieden, dahinter keinen Termin mehr zu legen." Stimmt, das hatte ich. Ich bedankte mich und zog mich dann in mein eigentliches Büro zurück. Mein Vater hatte damals darauf geachtet, dass er einen Balkon an seinem Büro hatte. So konnte er immer das Feld beobachten. Gleichzeitig hatte er aber auch eine große Fensterfront, damit er dafür nicht immer rausmusste. Sie lag mir im Rücken, als ich mich auf den Stuhl setzte. Das Foto von mir und Noah irritierte mich allerdings, weswegen ich mich umdrehte und nach draußen sah. In letzter Zeit war ich nicht bei der Sache. Genau genommen fing das an, nachdem Kylie plötzlich hier im Weingut aufgetaucht war. Ich hatte sie einfach rausgeschmissen. Meine Empfangsdame, Joann, hatte mir an dem Tag die Hölle heiß gemacht. Ich sollte nicht so mit Frauen umgehen, hat sie gesagt. Das ist mir klar und ehrlich gesagt war es auch ungewollt. Ich hatte nicht mit Kylie gerechnet und war in dem Moment überfordert. Ich habe Kylie nicht einmal erkannt, es war die Kette und ihre Reaktion darauf. Nach dem, was vor ein paar Wochen vorgefallen ist, zwischen uns, hoffe ich nur, dass sie gut nach Hause gekommen ist. Noah hatte mir an dem Tag dann auch noch einmal einen Vortrag gehalten. Er mag sie. Er findet sie nett. Das hat er mir noch nie zu irgendeiner Frau gesagt, mit der ich Kontakt hatte. Wenn ich jetzt wieder an Kylies, mit Tränen verschmiertes Gesicht zurückdenke und wie sie sich die Kette vom Hals gerissen hat, was sichtlich rote Streifen hinterlassen hat, fühlte ich mich schlecht. Ich weiß nicht, warum ich auf einmal so reagiert habe, aber ich glaube, ich habe mich angegriffen gefühlt. Noch nie habe ich jemandem erzählt, was alles in meiner Kindheit und Jugend passiert ist. Na ja, niemanden außer Joseph. Ich kenne ihn noch aus der Schule und war sichtlich überrascht, als er sich ein paar Jahre nach unserem Schulabschluss bei mir bewarb.

Noah hatte auf jeden Fall darauf bestanden, dass ich mich bei Kylie entschuldigte und wieder alles gerade biege, aber als wir dann ins Café gefahren sind, wurde uns gesagt, dass sie im Urlaub ist. Ich würde gerne alles mit ihr klären und ihr sagen, dass es mir leid tut, aber ich habe keine Ahnung, wie ich sie auffinden soll. Gleichzeitig weiß ich aber auch nicht, ob es nicht besser wäre, wenn ich es so belasse. Kylie war ein großer Teil meines Lebens nicht anwesend und ich war auch nicht da. Wir haben nichts mehr miteinander zu tun, und eigentlich hat es uns auch nicht interessiert, wie es uns über die Jahre entgangen ist. Andererseits ist sie jetzt wieder ein Teil von meinem Leben, da wir miteinander gesprochen haben und ich sie verletzt habe. Ach verdammt, mich machte all das kirre. Ich kann mich nicht auf die einfachsten Sachen konzentrieren und das ist schlecht für mein Unternehmen.

Ich wurde durch ein Geräusch aus den Gedanken gerissen. Mein Handy klingelte. Ich musste Noah gleich von der Schule abholen. Eine andere Nachricht fiel mir aber auch ins Auge. Eine Benachrichtigung von Instagram. Sie war von irgendeinem User, wahrscheinlich wieder von dem, den ich die ganze Zeit blockierte. Seit der Auseinandersetzung mit Kylie gab es diesen einen anonymen User, der mir immer wieder über Instagram schrieb und mich versuchte, fertig zu machen, dass ich einem unschuldigen Mädchen das Herz gebrochen hätte. Ich vermutete, dass das ein Freund oder eine Freundin von Kylie war, die mir jetzt auf die Nerven gehen wollte. Zumeist schreibe ich nichts dazu, sondern blockierte den User einfach nur, aber diese Person erstellte immer wieder einen Account, um mir auf die Nerven zu gehen. Ich seufzte und stand auf. Es war höchste Zeit, dass ich Noah holte.

Ich will dich nicht verlierenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt