Kapitel 34

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Das kalte Wasser floss mir über die Hände, als ich die Seife von meinen Händen abspülen wollte. Egal zu welcher Jahreszeit, das Wasser an den Waschbecken bei unserer Uni war immer eiskalt. Ich griff nach ein paar Papiertüchern und trocknete meine Hände ab, bevor ich sie wegschmiss und dann die Tür aufdrückte, um in den Flur zu kommen. Der Flur war recht verlassen, als ich ihn durchquerte, um in die große Haupthalle zurück zu Stacy zu gehen, doch als ich sie erspähte, blieb ich stehen. Sie war nicht alleine. Andrew war bei ihr. Beide lachten, bis Andrew sich leicht zu ihr runter lehnte und ihr einen schnellen Kuss auf die Lippen drückte. Ich sah den beiden zu und sah auch Andrew hinterher, als er sich umdrehte und wegging. Mit langsamen Schritten ging ich zu Stacy. "Sag mal... Was war denn das gerade?", fragte ich und jagte Stacy einen leichten Schrecken ein, denn sie zuckte kurz auf, bevor sie sich zu mir drehte. "Du hast es gesehen, oder?", fragte sie nervös. Ich nickte. "Na ja... Das ist eine komische Geschichte."
"Ich bin ganz Ohr", antwortete ich. Stacy seufzte. "Er war halt einfach da, nachdem Julian mich verlassen hatte." Ich sah sie leicht schief an. "Guck nicht so. Er hat mich halt getröstet und mich abgelenkt und dann ist eines zum anderen gekommen."

"Aber deine Trennung ist doch gerade mal mehr oder weniger einen Monat her."

"Es ist halt einfach passiert, außerdem bin ich nicht der Typ, um ein ewiges Singleleben zu führen wie du", verteidigte sich Stacy. "Erstens brauchst du mich jetzt hier gar nicht anzufauchen und zweitens... Ich bin gar nicht mehr Single... Oder vielleicht doch. Ach, keine Ahnung, was Dain und ich sind." Ich merkte, wie meine Wangen warm wurden. "Wir haben da noch gar nicht darüber geredet und ich wollte es auch irgendwie nicht ansprechen. Es läuft doch gerade so gut."

"Aber irgendwann musst du doch wissen, was zwischen euch beiden ist. Ich meine, Ihr habt euch schon geküsst, seit Händchen haltend durch die Stadt gelaufen", säuselte Stacy vor sich hin. "Uhh, und Noah hat das Gesicht verzogen und gesagt, dass ihr das immer so macht, wenn ihr beieinander seid", lachte sie. "Er war richtig wie so ein kleines Kind, das seine Eltern beim Küssen erwischt. Bahh, Liebe", kicherte Stacy weiter. Der Gedanke daran, wie Noah uns sieht und das Gesicht verzieht, blieb in meinem Kopf und ich musste an das erste Mal denken, als Noah mich und Dain gesehen hat, als Dain meine Hand gehalten hat. Er hat ganz laut 'Eww' gesagt und das Gesicht weggedreht. Bei dem Gedanken muss ich auch lächeln. Ich weiß, dass ich das damals auch immer gemacht habe, als ich meine Eltern gesehen habe, wie sie sich geküsst haben.

Nach der letzten Vorlesung, die Stacy und ich hatten, stieg ich in mein Auto und fuhr zum Weingut. Als ich auf den Parkplatz fuhr, sah ich noch ein paar andere Autos hier stehen, was sehr wahrscheinlich bedeutet, dass Dain noch ein Meeting hatte oder potenziellen Kunden noch eine Führung durch das Weingut gab. Ich parkte mein Auto, schnappte meine Tasche und lief dann zum Eingang des Weinguts. Sobald ich es betrat, wurde ich schon von Joann begrüßt. "Kylie, wie schön, dich wieder einmal zu sehen." Joann lächelte mich an. "Wie geht es dir? Und wie geht es mit dem Studium voran?"

"Das Studium läuft gut und mir geht es super. Und dir, Joann? Wie geht es deinen Kindern?" Auf meine Frage seufzte Joann. "Der Kleinste ist gerade krank, ich bekomme nachts kein Auge zu, aber der Großen geht es gut. Sie hat sich ziemlich schnell an den Kindergarten gewöhnt und will nachmittags meistens nicht mit mir nach Hause." Joann fing das Kichern an. "Wie süß", lächelte ich. "Ja, sie ist schon ein kleiner Schatz. So, aber jetzt zu dir. Du möchtest sehr wahrscheinlich zu Dain, richtig?" Ich nickte darauf. "Ich gebe ihm Bescheid. Gerade ist er noch in einem Meeting, aber sobald dies zu Ende ist, bin ich mir sicher, dass er dir all seine Aufmerksamkeit schenkt." Joann lächelte. "Danke, Joann." Ich lächelte zurück und machte mich dann auf in den kleinen Hinterhof des Weinguts, wo auch das Weinfest stattgefunden hatte. Mit gezielten Schritten ging ich zur Bank, die dort stand. Beim Weinfest saß ich hier auch schon. Es ist ein schöner Platz, weil man die ganzen Weinreben sehen konnte und jetzt, wo einige schon reif waren und in Rottönen und Grüntönen in der Sonne schimmerten, war der Ausblick sogar noch viel schöner. Das letzte Mal, als ich hier war, waren die Reben noch am Blühen.

Mit einem leichten seufzen zog ich ein Buch aus meiner Tasche und fing an die Zeit, solange ich auf Dain warten muss, etwas zu lesen.

Das Buch war gut, so gut, dass ich mich fast vollständig in seinen Bann zog. Die beiden Hauptcharaktere hatten endlich zusammengefunden und fielen fast über sich her, als ich merkte, wie die Bank neben mir etwas knackte, aber ich dachte mir dabei nichts. Stattdessen las ich weiter. Ich konnte gerade einfach nicht aufhören und jetzt, da das Buch auch noch Spicy wurde, sowieso nicht. Der männliche Hauptcharakter hatte sein Mädchen einfach gegriffen und nach oben ins Schlafzimmer getragen, wo er sie dann auf das Bett warf und langsam ihren Körper erkundete und küsste. Es wurde beschrieben, wie sich ihr Körper unter seinen Berührungen wandte, wie leise Stöhner ihre Lippen verließen. Ich biss mir leicht auf die Unterlippe, als ich weiter las. "Ist dein Buch interessant?", hörte ich plötzlich eine tiefe und raue Stimme sagen. Ich zuckte zusammen, schloss das Buch schnell und sah neben mich. Mit einem vielsagenden Grinsen sah Dain mich an. "Wie lange sitzt du da schon?" Meine Stimme war leicht schrill. "Seitdem, du deine Beine überschlagen und deinen Oberschenkel zusammengepresst hast", grinste Dain. "Na komm, erzähl schon. Ist es interessant?"

"Ja... Sehr."

"Oh, wirklich? Um was geht es?"

"Um die zwei Hauptcharaktere, die sich eigentlich nicht wirklich leiden können, aber dann doch sich ineinander verlieben", murmelte ich leicht verlegen. "Und was ist jetzt gerade im Buch passiert, dass du so schön rot bist?"

"Nichts!" Auf meine Reaktion hin lachte Dain nur. Er hob leicht seinen Arm und legte sie über die Lehne. Seine Finger fingen dabei leicht an, meine oberen Rücken zu streicheln. Ein angenehmes Kribbeln entstand genau dort, wo Dain mich berührte. "Du siehst bezaubernd aus, wenn du dich so auf ein Buch konzentrierst." Meine Wangen füllten sich mit Wärme. "Ich habe dich schon oben vom Balkon aus gesehen."

"Hast du?"

"Joann hat mir meine Nachricht geschrieben, dass du schon da wärst. Nachdem das Meeting vorbei war, habe ich also einen kurzen Abstecher auf den Balkon gemacht. Ich war mir ziemlich sicher, dass du hier sitzen würdest. Du magst den Platz hier, richtig?" Ich nickte darauf hin. "Ich mag den Ausblick, den man hier über die Felder hat."

"Ich auch. Deswegen habe ich den Balkon oben angebaut, als ich das Weingut übernommen hatte. Es ist ziemlich angenehm, da oben zu sitzen, wenn die Reben blühen oder schon reif sind. Ich habe diesen Ausblick schon immer als Kind geliebt." Dain sah zu den Feldern mit den Reben. Ein zufriedenes Lächeln lag auf seinen Lippen. "Aber irgendwas fehlt noch."

"Und was?", fragte ich. "Ich weiß nicht. Die Reben sind extrem schön, aber ich glaube, ich hätte gerne ein paar mehr Blumen. Auch hier direkt am Weingut. Um den Parkplätzen habe ich noch ein paar kleine Felder, welche nicht benutzt werden. Sie sind zu klein für ein paar Reben, deswegen dachte ich mir, ich pflanze da ein paar Blumen hin."

"Das klingt wunderbar", lächelte ich. "Hast du schon eine Idee, was für Blumen?"

"Ja, aber so ganz sicher bin ich mir noch nicht. Dennoch gibt es eine Blume, die definitiv dort angepflanzt wird. Da ist mir auch egal, was die anderen sagen." Das ließ mich hellhörig werden. "Und welche?" Dain Blick wanderte zurück zu mir. Er blieb kurz an meiner Kette hängen, bis er weiter nach oben wanderte und seine eisblauen Augen genau in meine sahen. "Sonnenblumen", sagte Dain sanft. "Sonnenblumen? Warum Sonnenblumen?", fragte ich. "Weil du Sonnenblumen liebst."

"Wegen... Wegen mir?", stotterte ich leicht. "Ja, wegen dir." Dain lächelte mich sanft an. "Jedes Mal, wenn ich dann die Sonnenblumen sehen würde, dann hätte ich einen kleinen Teil von dir bei mir."

"Meinst du das ernst?", fragte ich ungläubig. Er würde Sonnenblumen pflanzen, nur wegen mir. Dain nickte. "Ich meine es ernst. Ich hätte sehr gerne ein paar Sonnenblumen hier. Und ich weiß, dass sie dir auch gefallen würden."

"Natürlich würden sie mir gefallen", lächelte ich.

"Noch ein Grund mehr, welche zu pflanzen." Dain und ich lächelten uns eine Zeit an, bis er sanft seine Hand auf meine Wange legte und diese mit seinem Daumen streichelte. "Kylie," begann er. "Ich bin so unendlich dankbar, dass du in meinem Leben bist. Ich habe das mit Sicherheit schon so oft zu dir gesagt, aber ich kann es einfach nicht aufhören, es dir zu sagen. Du bist schon seit damals, seitdem wir Kinder waren, eine der wichtigsten Personen in meinem Leben. Und ich möchte dich wirklich nicht noch einmal verlieren. Ich liebe dich." Den letzten Satz flüsterte er fast. Mein Herz fing an schneller zu schlagen. Das Lächeln auf meinen Lippen wurde breiter. "Ich liebe dich auch", flüsterte ich zurück. Dain lächelte und beugte sich leicht näher zu mir, bis seine Lippen auf meinen lagen.

Ich will dich nicht verlierenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt