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Circa zwanzig Minuten nach dem Mercedes kam auch der Dienstwagen des technisch veranlagten Kommissars auf der Straße zum stehen, welche an dem Weg zu einem großen Anwesen anlag. ,,Sollten wir rausgehen und auf das Gelände?" ,,Bloß nicht. Sicherlich hat der Ludwig Kameras, die das ganze Gelände abdecken. Kannst du die Adresse mal auf Google Maps eingeben? Dann können wir das Gelände überblicken." Knapp nickte der Kommissar, doch zuvor stellte er die Verbindung der Funkgeräte wieder her. ,,Wow, das ist wirklich eine beträchtliche Sammlung, die du da hast, wahrscheinlich alles Originale, oder?" ,,Natürlich, ein wahrer Kunstliebhaber würde sich keine Fälschungen ins Haus hängen", entgegnete der Anwalt lachend, etwas leiser, womöglich weiter entfernt. Auch Julius lachte, es klang leicht verklemmt: ,,Nun ja, wer das Geld dazu hat. Mit meinem Gehalt könnte ich mir nicht einmal eine Fälschung auf einer echten Leinwand leisten." Kurz ertönte Stille, dann das eine Geräusch, was Mara immer fast dazu brachte, ihrem Partner eine reinzuhauen. Manchmal, wann immer Julius nervös war, gluckste er beim Trinken, wie auch in diesem Moment. ,,Hier", zog Ilia ihre Aufmerksamkeit weg von dem Gespräch und hin auf seinen Handy Bildschirm. Bei dem Heim handelte es sich um ein riesiges Haus, fast schon eine Villa, welche nicht weit vom Wasser entfernt war. Vielleicht zwanzig, dreißig Meter vom Haus? Von ihrem Standpunkt aus handelte es sich um eine größere Entfernung, kein Wunder also, dass der Mercedes direkt vor der Eingangstür geparkt war. Man möchte sich ja die teuren Lackschuhe nicht durch das viele Laufen zerstören. Wie es wohl erst im Haus drinnen aussehen musste? Später musste sie Julius dazu dringend befragen, oder vielleicht bekämen sie in dieser Nacht bereits genug, um einen Durchsuchungsbeschluss zu kriegen. Wobei, abgesehen davon, dass Kracht vor seinem Tod bei Ludwig gewesen war, wussten sie nichts und das reichte Steinberger garantiert nicht, um ihnen noch etwas auszustellen. ,,Julius, falls du mich hörst, versuch noch mehr Infos zu bekommen. Wir brauchen etwas, irgendetwas." ,,Ich kümmere mich drum", flüsterte ihr Partner kaum hörbar. ,,Was war das?" ,,Ich meinte, ich dreh hier gleich durch. Es ist unglaublich, dieser Anblick all der Kunstwerke, der Farben und Pinselstriche. Nun ja, vielleicht wirkt der Champagner auch ein bisschen", log der Kommissar erneut und wieder hörte sie dieses nervige Glucksen, welches sie fast wahnsinnig werden ließ. Trank er gerade Alkohol? ,,Trinkst du gerade? Hast du geschaut, dass er dir nichts reingetan hat?" Wieder kappte die Verbindung und nun konnte Mara es nicht unterdrücken. ,,Gott verdammte, verfickte Scheiße!", schrie sie fast und erschreckte dadurch ihren Kollegen. Mit leicht entsetztem Blick sah er sie an, bevor er ihr versicherte: ,,Ich habe ihn sicherlich gleich wieder, die Verbindung sollte gleich wieder da sein." Nervös begann Mara, ihre Fingerknöchel knacksen zu lassen und wieder sah der Kommissar angepisst zu ihr herüber. Ach stimmte, er konnte dieses Geräusch genauso wenig leiden, wie sie das Glucksen ihres Partners oder die Essensgeräusche der Chefin, wenn sie mal wieder so laut auf ihrem Salat herumkaute. Der war doch eh schon matschig, wie konnte da noch so viel Lärm entstehen. ,,Und, hast du schon das Signal?" Ilia schüttelte nur den Kopf, was sie garantiert nicht mochte. So lange nichts von ihrem Kollegen zu hören und außerdem nichts aufzeichnen zu können, es machte sie nervös, es drehte ihr ihren Magen um und hätte sie zuvor etwas gegessen, es würde sich vielleicht nun wieder blicken lassen. Verdammt, sie hatte es schon wieder vergessen, etwas zu essen. ,,Ilia, du hast nicht zufällig etwas essbares hier, oder? Chips vielleicht?" ,,Schau mal im Handschuhfach nach, da könnte noch etwas sein", riet er und schon sah sie dort nach. Heraus holte sie eine Packung Maispuffer, nicht zwingend nahrhaft, doch zu mindestens in Menge sättigend.

Als nach zwanzig Minuten noch immer das Signal nicht wieder hergestellt war, reichte es Mara. ,,Ich rufe ihn an. Falls Ludwig fragt, wir haben neue Hinweise und brauchen ihn im Büro." Schon holte sie ihr Handy aus der Halterung und wählte den Kontakt ihres Partners und Freundes. Schon erklang das Wartezeichen, dieses Tuten, welches ihr so häufig auf den Zeiger ging. Ein Tuten, zwei Tuten, dann ein drittes Tuten, es ließ sie verrückt werden. ,,Wieso geht er nicht ran? Hat er es lautlos gestellt? Das macht er doch nie?" Unwissend zuckte der Kommissar neben ihr mit den Schultern, was die Situation nicht verbesserte. ,,Vielleicht hat er es extra gemacht, für die Operation. Er möchte garantiert nicht, dass Emma ihn währenddessen anruft." ,,Das ist es eben. Er würde sein Handy nie auf stumm stellen. Was ist, wenn Emma ihn braucht? Falls Lilly oder Max etwas passierte?" Auf eine Antwort wartend, die diese Fragen tatsächlich beantworten würde, sah sie ihren Kollegen an, doch dieser schwieg nur. Sie hatte recht, Julius würde nie und nimmer unerreichbar für seine Frau sein. Noch einmal versuchte Mara, Julius zu erreichen, doch wie zuvor ging der Mann nicht ran. ,,So, das reicht mir. Ich gehe rein." Schon legte sie ihre Finger auf die Türklinke, doch Ilia hielt sie zuvor ab: ,,Mara, check zuvor noch einmal den Peilsender. Was, wenn er gerade nicht rangeht, da er das Gespräch mit Ludwig mit seinem Handy aufnimmt?" ,,Stimmt", gab sie zu, daran hatte sie gar nicht gedacht. Verdammt, hatte sie dadurch vielleicht die Aufnahmen ruiniert? Schnell legte sie auf und öffnete erneut die Daten, die den Standort des Peilsenders symbolisierten. Schon suchten ihre Augen nach dem roten Punkt und wo sie ihn fanden, dass konnte eigentlich nicht möglich sein. Wieso ist der im Punkt im Blauen? ,,Wieso ist der Punkt im Blauen?", fragte Mara diesmal laut und nun sah auch Ilia auf den Bildschirm. ,,Vielleicht ist er auf dem Steg? Das das Signal da ist, es würde bedeuten, dass Julius im Wasser wäre." Länger wartete Mara nicht. Ohne auf Ilias Proteste zu hören sprang sie aus dem Auto und lief in Richtung Eingang, dem Eingang des riesigen Anwesens. Laut hörte man ihre Schritte durch die Nacht echoen, das Geräusch, als ihre Turnschuhe auf den Kies trafen und sich wieder erhaben. Fast schockartig erleuchtete sich der Weg, als würde er sie von oben hinweg auslachen, während sie zu ihrem Freund rannte. Nichts im Leben würde ihn mehr ans Wasser bringen, nicht nach dem Vorfall letzten Sommers. Es musste etwas passiert sein, irgendetwas war abgrundtief schief gelaufen. Ihr Handy war noch immer in ihrer Hand, sie konnte sehen, wie ihr Punkt dem ihres Partners näher kam. Nach vielleicht einer Minute, vielleicht auch zwei sah sie den Eingang des Hauses, die Türen waren geöffnet. Kurz verlangsamte sich ihr Tempo, sie konnte eine Silhouette in dem Türrahmen erkennen, vermutlich die des Anwalts. Lachte er sie gerade auch aus? Es war ihre Operation, sie hatte das vorgeschlagen, sie hatte es versaut. Sie musste es ignorieren, für Julius. Somit ignorierte sie einfach den Mann, welcher sie beobachtete und lief weiter in Richtung des roten Punktes, weiter in Richtung Wasser, weiter in Richtung Julius. Niemals, niemals würde Julius sich freiwillig in der Nähe des Sees aufhalten, es musste etwas geschehen sein. Sie ließ also das Haus hinter sich, lief weiter und bettete stumm, obwohl sie eigentlich noch nie gläubig gewesen war, dass nichts passiert war. ,,Julius!", schrie Mara laut, hoffend auf eine Antwort, doch abgesehen von dem Rascheln der Blätter hörte sie nichts, keinen Ton, kein Wort, einfach nur nichts.

Bilder der NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt