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Twyla schien sich beeilt zu haben, denn innerhalb weniger Sekunden stand sie wieder vor ihr und hielt den kleinen orangefarbenen Kasten in der Hand, welcher bereits geöffnet war. ,,Hast du AluDerm Kompressen?", erkundigte sich die Frau, da hatte sie aber auch schon das gefunden, was sie brauchte. ,,Kannst du die Hand abtupfen?" Mit ihrem Fuß öffnete sie eine der vielen Türchen und holte ein frisches Handtuch aus dem Fach, um die Anweisungen zu befolgen. Schmerzhaft verzog sie das Gesicht, wann immer sie auch nur sanft Druck auf die gerötete Haut ausübte. Sobald alles trocken war, nahm Twyla wieder ihre Hand und legte ein paar einseitig silberne Kompressen auf die verletzte Haut. Vorsichtig und mit relativ wenig Druck umwickelte sie mit einer sterilen Mullbinde, bis die Kompresse nicht mehr bewegt werden konnte. ,,Kümmerst dich ja wie ne Sanitäterin darum", scherzte Mara leicht, doch Twyla schien nicht zu scherzen aufgelegt zu sein. „Mein Vater hatte manchmal Ausraster", begann die Frau zu sprechen, bevor sie ziemlich abrupt abbrach: Sagen wir einfach, ich hab Erfahrung darin, Wunden zu verbinden." Ganz wusste die Kommissarin nicht, wie sie antworten sollte, doch Twyla schien auch nicht darüber sprechen zu wollen. Mit kräftigeren Zug riss sie das Ende der Mullbinde auseinander, bevor sie ein Teil erneut um die Handfläche wickelte und dann mit dem Anderen verknotete. „Jetzt wo die Nudeln hin sind, soll ich uns eine Pizza bestellen?" Mit einem einfachen Lächeln winkte sie ab. „Nein Danke, dafür ist es nun auch etwas zu spät. Morgen wird ja schließlich anstrengend, für uns beide." „Ach, solche Durchsuchungen sind nicht so wild", scherzte Mara, während sie sich vorsichtig die Rückseite der verletzten Hand massierte: „Du kannst in meinem Bett schlafen. Ich geh auf die Couch. Moritz wird sich freuen." Für einen kurzen Moment glaubte Mara, einen Ausdruck der Enttäuschung in ihrem Gesicht zu erkennen, doch sogleich verschwand dieser, während sie fragte: „Wie kam der Kater eigentlich zu diesem Namen? Ist schon etwas ungewöhnlich für eine Katze." Wie gerufen tauchte der Vierbeiner wieder auf und kuschelte sich an Twyla an, bevor sie ihn hochnahm und hinter den Ohren kraulte. „Das kann ich dir leider nicht beantworten. Ich hab den kleinen Knallkopp adoptiert, als sein vorheriges Herrchen in den Knast ging. N rassisch motivierter Randalierer", antwortete sie und beobachtete mit einem Lächeln, wie sich der Kater in die Kängurutasche des Pullis verzog. „Dann kannst du ja froh sein, dass in München nur wenige Kriminelle einen Tiger als Haustier haben. In Berlin sieht das vielleicht anders aus." Auch sie schaute lächelnd auf die Ausbeulung im Pulli, bevor sie hinzugefügte: „Ich kann übrigens auch auf der Couch schlafen. Während des Studiums musste ich das häufiger machen." „Nein", lehnte die Kommissarin ab: „Das kann ich nicht zulassen. Du bist mein Gast." „Du musst aber morgen raus und des Anwesen Ludwigs unter die Lupe nehmen. Da brauchst du einen guten Schlaf." „Den kriege ich auch auf der Couch. Besonders, da Moritz immer mit im Bett liegt und gern ein paar Mordversuche unternimmt", entgegnete Mara und erneut erklang ein Lachen in der Wohnung. „Dann musst du erst recht im Schlafzimmer schlafen, um mich vor den Mordanschlägen deines Katers zu schützen", kam von der Anwältin, ihr Blick noch immer auf die Tasche des Pullis gerichtet. Zunächst lachte Mara, dann erkannte sie, die Frau hatte es ernst gemeint. „Außerdem kann ich vielleicht besser schlafen, wenn jemand anderes dabei ist. Dann weiß ich, dass er nicht einfach so auftauchen kann", nuschelte sie, diesmal stieg ihr das Blut in den Kopf. An sich hatte Mara keinerlei Probleme damit, doch sie wollte nicht riskieren, Twyla als Zeugin wegen Befangenheit zu verlieren. „In Ordnung."

Schlussendlich endete es damit, dass Mara in ihrem eigenen Schlafzimmer auf einer Matratze auf dem Boden schlief, während Twyla mit Moritz im dem Doppelbett lag. Das leise Schnarchen des Katers erfüllte den Raum und auch die Anwältin schien tief und fest zu schlafen. Nachdem sich die Ermittlerin sicher war, keinen der beiden zu wecken, stand sie wieder auf und verließ den Raum. Ihr Handy hatte sie noch im Wohnzimmer liegen, was das Ziel ihres nächtlichen Trips war. Emma hatte Julius ein altes Handy von sich im Krankenhaus gelassen, dessen Nummer sie ihr geschickt hatte. Ohne groß zu Überlegen tippte sie auf die Nummer, sodass sie ihren Partner direkt anrief. Natürlich freute sich der Mann nicht über ihre nächtlichen Anrufe, doch nach so vielen Jahren der Zusammenarbeit sollte er an ihre nächtlichen Erkenntnisse gewöhnt sein. „Ja?", kam es nuschelnd aus dem Gerät. „Gute Nacht, Julius", startete die Kommissarin, bevor er sie jedoch unterbrach. „Mit Gute Nacht enden eigentlich die meisten Gespräche, du Vogel. Was gibt es denn so dringendes, dass dazu führt, deine Stimme um kurz vor zwei durch das Zimmer hallen zu lassen." Kurz sah die Frau noch einmal in Richtung des Schlafzimmers, bevor sie fragte: „Ist dir eigentlich eingefallen, wer dir das Ketamin gespritzt hat? N Anhaltspunkt oder so?" „Nein, leider nicht. Die Chefin und auch Ilia hatten angerufen und sich über das Gleiche erkundigt. Die Ärzte meinten, die Wirkung des Medikaments und die Nahtoderfahrung könnten dazu geführt haben, dass mein Körper vorsichtshalber die Erinnerung daran gelöscht hat." Statt sich irgendwo hinzusetzen lief Mara weiter umher, während auch ihre Gedanken weiter wanderten. „Du, Julius. Ich glaube, wir haben ein Problem." Natürlich erkundigte sich ihr Partner sofort, was los sei. „Entweder habe ich unseren Fall gelöst, oder verkompliziert. Also Krachts Fall, nicht deinen", begann sie und nahm doch noch auf der Couch Platz: „Ludwig hat Twyla gegenüber gestanden, Kracht und zwei weitere junge Männer ermordet zu haben. Außerdem haben wir durch deine Telefondaten einen Durchsuchungsbeschluss beantragen können. So können wir an die Überwachungsvideos, die die Vorfälle aufgenommen haben. Twyla hat sie auch gesichert." „An sich klingt das nach einem fast perfekten Durchbruch, doch an deiner Stimme kann ich erkennen, irgendetwas stimmt nicht wirklich. Spuckst du noch aus, was dir nicht passt oder muss ich es dir aus der Nase ziehen?" Erneut blicke sie zum Schlafzimmer und schon schossen ihr wieder die Erinnerungen in den Kopf, in denen Twyla und sie beinahe einen Fehler begangen hätten. Wie nah sie ihr gewesen war und wie gerne sie die wunderschöne Frau geküsst hätte. Sie hatte wirklich ein Gespür dafür, sich in Zwickmühlen zu bringen. „Bist du noch dran?", riss ihr Kollege sie heraus und mit ihrem typischen kleinen Kopfschütteln brachte sie sich auf den Boden der Tatsachen zurück. „Ja, klar. Das Problem ist, ich hab mich vielleicht in unsere Kronzeugin verkuckt." Bevor sie noch weitersprechen konnte, erklang ein Lachen von ihrem Partner, gefolgt von einem feuchten, schwach klingendem Husten. Nach einem knappen Räuspern wandelte sich ihr Kollege wieder zu ihrem Freund, der ihr gerne mal einen Tipp in Sachen Beziehungen gab. „Habe ich doch richtig gelegen, dass ihr beide Gefallen aneinander gefunden habt. Sag mir jetzt bloß nicht, dass sie schon bei dir im Bett gelandet ist." Wie sollte sie ihm das nun erklären? Ihre knappe Pause zum Überlegen reichte Julius jedoch aus, um seine eigenen Schlüsse zu ziehen: „Oh Gott, Mara. Dich kann man ja auch wirklich nicht allein lassen." „Es ist nicht so, wie du denkst. Sie hat Angst, dass Ludwig bei ihr zuhause auf sie wartet. Aus Gastfreundlichkeit lasse ich sie im Bett schlafen. Ich lieg auf dem Boden", erklärte sie sich schnell, was auch nur wieder zu einem Lachen ihres Partners führte. Und wieder einem Husten.

Bilder der NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt