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Mara versuchte, so sanft wie möglich einzuparken, auch wenn sie ihre neue Kollegin in nur wenigen Momenten eh wecken müsste, schließlich waren sie am Krankenhaus angekommen. Diese Aufgabe wurde ihr jedoch von einem anderen, ungeduldigen Besucher abgenommen, welcher voller Inbrunst auf die Hupe donnerte. Während Stephanie erschrocken hochschreckte, ließ die Kommissarin das Fenster herunter und verfluchte den Fahrer lauthals: ,,Ich park grad ein. Wegen zehn Sekunden warten stirbt hier auch keiner!" Statt darauf zu reagieren fuhr der Mann einfach an ihr vorbei und rammte dabei fast einen anderen Wagen, der ihr gegenüber geparkt war. ,,So ein verdammtes Arschloch!", knurrte sie eher zu sich selbst, dennoch stimmte die Neue ihr zu. ,,Selbst ein Arzt dürfte sich nicht so verhalten. Hätte ich eine Herzschwäche und hätte wegen ihm einen Herzinfarkt oder so bekommen, hättest du ihn wegen Todschlags verhaften können." Mit verwirrtem Blick sah die Kommissarin ihre neue Kollegin an, dann konnte sie ihr Lachen bereits nicht mehr für sich behalten. ,,Wie kamst du denn auf diesen Gedanken?" Knapp zuckte die Frau nur mit den Schultern, was sie noch mehr zum Lachen brachte, während sie den Wagen verließen. Die Jüngere blieb noch kurz stehen, zupfte an ihrer Jacke herum, vermutlich in der Hoffnung, ihr Aussehen vielleicht etwas professioneller aussehen zu lassen. ,,Bei dir passt schon alles. Außerdem ist Julius menschenfreundlicher als ich." Vielleicht ein bisschen beruhigt sah die Frau zu ihr herüber, zumindest schien ihr schiefen Grinsen dies auszusagen. Aus ihrer Manteltasche holte Mara eine Maske hervor und reichte Stephanie auch eine, sodass keiner von ihnen nicht ins Krankenhaus gelassen werden würde. ,,Shit, ich hab die Empanadas vergessen!" Schon lief die Blondine zurück zum Wagen und ohne hinzusehen öffnete sie ihr ihn, ging jedoch währenddessen weiter zum Eingang in das Krankenhaus. Mit ihren langen Beinen würde die Frau sogleich wieder bei ihr sein. Und tatsächlich, schneller als Mara gedacht hätte war die Frau wieder neben ihr und statt nur das in Folie verpackte Essen in ihrer Hand zu halten, zeigte sie ihr ein Papier, welches sie gefunden hatte. ,,Ich wusste nicht, dass du Kinder hast. Das ist ja wirklich knuffig. Bist bestimmt eine super Mutter." Das Bild war bereits ausgefaltet und mit einem kleinen Lächeln blickte die Kommissarin auf die Zeichnung Lillys. ,,Ich hab keine Kinder. Das ist von Lilly, Julius' Tochter." ,,Oh, sorry. Des ist jetzt peinlich, tut mir leid. Ich dachte nur, weil das bei dir im Auto war, dass es von deinem Kind kommen müsste", entschuldigte sich die Frau und schon errötete sie wieder. ,,Alles gut. Kannst ja nicht wissen, dass ich es nur zur Tante geschafft habe. Kennen uns ja gerade mal ein paar Stunden." Wie bei einer dieser komischen Figuren ließ Stephanie ihren Kopf wackeln, schwieg jedoch daraufhin. Statt zu reden reichte sie ihr einfach das Bild und nachdem Mara es wieder zusammen gefaltet hatte, steckte sie das Bild in ihre Tasche des Trenchcoats. Sie musste das Bild noch bei sich an die Kühlschranktür hängen. ,,Möchtest du später mal Kinder kriegen?" ,,Was?" Etwas überrumpelt von dem Thema sah Mara die Frau an. ,,Nun ja, du bist nun schon fast zehn Jahre im Job, ich habe vielleicht ein Bisschen über euch recherchiert, hast du da noch niemanden gefunden, mit dem du Kinder kriegen möchtest?" ,,Ich habe einfach noch nicht darüber nachgedacht", versuchte Mara das Thema zu beenden, schließlich ließ es sie immer etwas nervös werden. Sie hatte ja mal darüber nachgedacht gehabt, sehr intensiv sogar. Doch dies lag nun schon ein paar Jahre in der Vergangenheit und seither hatte sie niemanden kennengelernt, der diese Frage für sie wieder relevant gemacht hätte. Mit einem leisen Surren öffneten sich die automatischen Türen und fast sofort stand der Mann am Empfang auf. ,,Ham Se n Test g'macht?", rief er rüber, die Stimme leicht gedämpft durch die Maske und Mara nickte, während sie auf ihrem Handy die digitale Bestätigung bereits hervorholte. Stephanie tat es ihr gleich.

Auf dem Weg zu Julius' Zimmer war die Neue auffällig leise, vielleicht schämte sie sich noch immer für ihre Frage. Die werte Dame wusste wirklich, wie sie zielsicher wirklich jedes Fettnäpfchen auf ihrem Weg mitnehmen konnte. Ihr Partner würde sich freuen, dachte sich die Kommissarin, schließlich bekäme er nun wieder ein Sorgenkind, um welches er sich kümmern könnte. Zuerst Ilia, welcher liebe in seinem Büro stichhaltige Beweise fand als den Wirren der menschlichen Beziehungen und Feindschaften auf den Grund zu gehen. Dann sie selbst, fast das komplette Gegenteil von ihrem technischen Kollegen, welche ihrem Bauchgefühl meist mehr vertraute als ihrem Kopf, zumindest was ihre Fälle anging. Ihr Liebesleben war eine ganz andere Geschichte. Und nun war Stephanie zu ihrem Team gekommen, ein graues Mäuschen, welches erst einmal seinen Platz in der Welt finden musste. Er zog sich wirklich ein Team aus komischen Leuten auf, auch wenn er zu Stephanies Einstieg nicht wirklich viel zu sagen hatte. Mal sehen, was er zu der Frau überhaupt zu sagen hatte. Bevor sie an der Zimmertür klopfte, sah sie noch einmal zu der Blondine, dann donnerten ihre Knöchel bereits gegen das Holz. Tatsächlich wartete die Kommissarin, bis ihr Partner sich meldete, schließlich wollte sie nicht reinplatzen, während vielleicht eine Pflegekraft ihm gerade bei der Körperhygiene half. ,,Herein", ertönte die kratzige Stimme ihres Kollegen und somit drückte Mara die Türklinke herunter, sodass sie eintreten konnten. ,,Guten Morgen, Sonnenschein. Wir haben Frühstück mitgebracht", begrüßte sie Julius, den Rücken zu ihrem Kollegen gedreht, sodass sie Stephanie die Tür offen halten konnte. Diese blieb jedoch im Türrahmen stehen, als steckten ihre Füße in einem Eimer voller getrocknetem Zement. In ihrem Gesicht konnte sie erkennen, dass etwas nicht stimmte und somit drehte sich die Frau so schnell wie möglich um. Julius lag noch immer im Bett, leicht aufgerichtet und sah sie mit wachem Blick an. Es waren die restlichen Umstände, die ihr innerlich den Magen umdrehten. Von den neuen, alten Maschinen, an welche er wieder angeschlossen war ertönten wie üblich das nervige Gepiepse und ihrem Laienwissen nach passten die Werte auch, welche angezeigt wurden. Was sie jedoch beunruhigte, war der Anblick ihres Kollegen. In den paar Stunden, die sie sich nicht gesehen hatten, hatte sich ein gräulicher Schimmer auf seine Haut gelegt, während sich unter seinen Augen dunkle Augenringe abzeichneten. Trotz seines wachen Blicks bedeckten seine Augenlieder fast seine komplette Iris, sodass das gräuliche Blau kaum zu erkennen war. ,,Alter, was ist den mit dir passiert?" ,,Ich bin fast ertrunken, lag ein paar Tage im Koma und werde seither von dir wachgehalten", kam nur von ihm zurück, was ein leichtes Schmunzeln auf ihre Lippen brachte. ,,Du hast fast zwei Tage geschlafen. Das sollte doch reichen." Eher spöttisch grinste er sie an, bevor er in seinem typisch tadelnden Tonfall entgegnete: ,,Ein Koma ist nicht mit Schlaf gleichzusetzen, auch wenn es bei dir vermutlich die einzige Möglichkeit wäre, dass du mal zur Ruhe kommst. Aber jetzt kommt mal rein, ihr steht da ja wie bestellt und nicht abgeholt." Somit trat Mara weiter in den Raum ein, während die Neue noch immer im Türrahmen stand. Julius kümmerte sich sogleich darum: ,,Du bist vermutlich Stephanie, richtig? Ich hoffe, Mara hat dich nicht zu arg abgeschreckt, sodass du direkt zurück nach Ingolstadt möchtest." ,,Glauben Sie...", begann sie den Satz, bevor sie sich schnell korrigierte: ,,Glaub mir, da will ich nicht so schnell wieder hin. Dafür ist es hier zu spannend und verwirrend. Aber auch gefährlich. In der Zeit in Ingolstadt ist keiner fast gestorben." ,,Ach, das tue ich auch nur selten, manchmal so hin und wieder."

Bilder der NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt