28

11 1 0
                                    

Innerhalb weniger Millisekunden hatte Mara ihre Waffe gezogen und sich umgedreht, doch Ludwig hatte bereits beide Hände erhoben, während er sie noch immer anlächelte. ,,Sie sind schneller geworden, Frau Pibal. Wären Sie doch nur bei Ihrem Kollegen genauso schnell gewesen, dann wäre ihm der erneute Krankenhausbesuch erspart gewesen." ,,Lassen Sie die Spritze fallen. Glauben Sie mir, Sie stecken schon in der Scheiße", konterte sie nur und wunderte sich etwas über den erschrockenen Blick der Neuen. Hatte sie solch ein Problem mit Kraftausdrücken? Als Ludwig den Griff um die Spritze löste, fiel diese gefühlt in Zeitlupe zu Boden und kam mit einem eher leisen, dennoch dramatischen Knall auf dem Boden auf. Statt sich selbst zu Bücken und die Spritze in die Hand zu nehmen, deutete sie der Neuen, dies zu tun. Zwar zögerlich, aber nicht langsam hob sie sie auf und verpackte diese in einer Tüte. Auch wenn die Flüssigkeit in der kleinen Spritze so arglos wie Wasser wirkte, war ihr mittlerweile bekannt, wie gefährlich sie war. Während die Neue ihm die Handschellen anlegte, sah sie den Mann fast schon forschend an. ,,Was war der Plan? Was hätten Sie getan, sobald Sie mir das Ketamin gespritzt hätten? Wäre ich wie Julius im See gelandet? Oder hätten Sie mich wie Kracht aufgehängt?" ,,Ich sage nichts mehr ohne meine Anwältin, Sie kennen diese Aussage bestimmt, weswegen ich nun gerne mit Frau Schauer sprechen würde", entgegnete er, wieder dieses schälmische Lächeln auf den Lippen, welches sie so hasste. Doch nun konnte sie das gleiche Lächeln entgegnen. ,,Das geht leider nicht. Ein potentieller Täter darf nicht mit der Kronzeugin gegen ihn sprechen." Statt auf eine Antwort zu warten, ging sie an ihm vorbei und deutete einem der Streifenpolizisten, Ludwig zu übernehmen, bevor sie der Neuen zeigte, sie solle ihr folgen. ,,Was zum Kuckuck war das gerade? Ich verstehe gefühlt gar nichts mehr." ,,Müssen Sie auch nicht. Dafür kamen Sie zu spät zu dem Fall hinzu. Wieso seid ihr so schnell hoch gekommen?", fragte sie selbst, statt eine Antwort zu geben und noch immer verwirrt blickte die Blondine sie an. Man konnte praktisch schon die einzelnen Rädchen in ihrem Kopf rattern sehen, bevor sie endlich wieder ihren Mund öffnete: ,,Wir haben einen Überwachungsraum gefunden. Mit den abgespeicherten Aufnahmen, wie sie gesagt haben. Man kann darauf all das sehen, was Sie vorhergesagt haben. Sie müssen sich das anschauen!" Dafür, dass sie kurz zuvor noch Probleme hatte, ihre Worte wieder zu finden, war sie nun wieder erstaunlich gesprächig. ,,Was da zu sehen ist. Mir wird grad ein Bisschen schlecht. Würden Sie mich entschuldigen?" ,,Nein, würd ich nicht. Und lass die Formalien. Jeder, der mein Leben gerettet hat, darf mich Duzen." ,,Echt?", kam von ihr mit einem strahlenden Lächeln: ,,Also einfach Mara, richtig? Oder Mar? Oder Drive Maybe?" ,,Einfach Mara bitte. Und ich werde dich nicht Shot nennen. Verstanden?" Leicht nörgelig brachte die Neue ein Geräusch der Zustimmung raus, dann hüpfte sie bereits schon die Treppe herunter, wie ein junges Mädchen an ihrem ersten Schultag. Vermutlich hatte diese kleine Errungenschaft das üble Gefühl aus ihrem Körper ausgetrieben, was sie wieder zu der übermotivierten Neuen werden ließ. Mit etwas weniger Elan folgte Mara ihr und trat etwas nach Stephanie in den kleinen Raum ein, welchen sie zuvor nicht wirklich bemerkt hatte. Die Tür dazu war schlicht, eine Beschreibung, die auf kaum etwas in diesem Gebäude zutraf und vielleicht erklärte, weswegen das schlichte Holz nicht mal in Mara ins Auge gefallen war. Nun jedoch war die Tür geöffnet und offenbarte dadurch eine kleine Welt, in welcher sich Ilia vermutlich sehr wohl gefühlt hätte. Bildschirme waren in dem steril wirkenden Raum verteilt, auf denen jeweils unterschiedliche Aufnahmen und Winkel der Realität gezeigt wurden.

,,Wir mussten nicht sonderlich lange suchen. Penkowski hat uns den Dateinamen und das dazugehörige Passwort geschickt, sodass wir darauf zugreifen können", begann die Neue wieder zu sprechen und setzte sich sogleich an die Tastatur, um den entsprechenden Ordner herauszufinden. Schnell hatte die junge Kommissarin die Datei wieder gefunden und öffnete eine Videodatei, die mit dem Datum von Ludwigs Angriff auf Julius beschriftet war. Schon begann die Aufnahme zu spielen und schmerzhaft zog es Maras Magen zusammen, was nur dafür sorgte, dass ihr schlecht wurde. Wieder sah sie, wie zuvor in ihren Albträumen, wie Ludwig Julius in die Villa leitete und dann durch die Gänge führte. Bereits früh merkte sie, wie Julius Anzeichen von Nervosität zeigte. Sie hasste es, ihn so zu sehen. Gemeinsam gingen die zwei Männer zu Ludwigs geheimer Galerie und um ehrlich zu sein, wollte Mara nicht einmal hinschauen, da sie indirekt ja bereits wusste, was kommen würde. Vielleicht tatsächlich interessiert sah sich der Kommissar in dem Raum um, während der Anwalt begann, die Gläser zu füllen. Dann reichte er Julius eines davon und als wäre sie wieder in Ilias Auto, hörte sie das nervöse Glucksen des Mannes in ihren Ohren. Kurz darauf hatten sie den Kontakt verloren, was dazu führte, dass ihr tatsächlich wieder schlecht wurde. Dann, kaum dass Julius sich hinter seinem Ohr gekratzt hatte, vermutlich in dem Versuch, den Ohrknopf wieder zum laufen zu bringen, zuckte der Mann auch schon zusammen, bevor er benommen ein paar Schritte tätigte, bevor er zusammenbrach. ,,Spul bitte zurück!", ordnete Mara die Neue sofort an, als die erste Schocksekunde vergangen war und schnell folgte die Frau ihrer Anweisung. Über ein paar Tasten spulte sie zurück und wieder versuchte Mara zu erkennen, wer ihrem Partner das Mittel gespritzt hatte, doch verdammt nochmal, sie konnte nicht sehen, wer es war. ,,Nochmal." Wieder spielte der Bildschirm die gleichen wenigen Sekunden ab, bevor erneut nicht zu sehen war. Dieses Prozedere wiederholten sie mehrfach, doch egal wie häufig sie das Video gemeinsam ansahen, mehr als Kopfschmerzen bekamen sie nichts davon. ,,Nochmal", ordnete sie erneut an, doch diesmal folgte die Neue nicht ihrer Anweisung. ,,Wir werden da nichts rausbekommen. Mehr als eine Hand ist nicht zu erkennen und mal ehrlich, viel bringt uns das einfach nicht." ,,Lass es nochmal laufen", knurrte sie einfach nur, statt auf die Meinung der Neuen einzugehen. Also ließ Stephanie das Video erneut ablaufen, nur dass sie recht behielt und Maras Kopfschmerzen heftiger wurden. ,,Fuck!", fauchte sie, während ihre Faust auf den Tisch hinunter sauste und mit einem lauten Knall aufkam. Erschrocken zuckte die Blondine zusammen und sah überrascht wie auch verängstigt zu der Kommissarin auf, doch Mara ignorierte es einfach. Sie war wütend. Ja, sie hatten nun die Beweise, dass Ludwig derjenige war, welcher die Morde begangen und Julius fast getötet hatte, doch die unbekannte Person war ihnen entwischt. ,,Frau Pibal?", erkundigte sich einer der Streifenpolizisten hinter ihnen und als Mara sich umdrehte, standen zwei Kollegen der Spurensicherung neben ihm: ,,Können wir die Spurensicherung auf die Computer loslassen?" ,,Klar. Habt euren Spaß." Ohne auf die Neue zu achten verließ sie den Raum und ließ somit die ganzen Bildschirme hinter sich, auf denen der vermutlich schlimmste Abend ihres Lebens aufgezeichnet worden war. Sie hatten den Mörder, werden vermutlich auch die Tücher finden, welche immer an den Tatorten hinterlassen wurden, hatten sogar zwei weitere ungeklärte Morde aufklären können, doch dennoch war es unbefriedigend. Etwas fehlte, irgendetwas passte nicht. Waren allein diese Aufnahmen dass, was dieses Mastermind zu Fall bringen würde? Es war, trotz allem, zu einfach. Wieder einmal hatte sie ein Bauchgefühl, dieses Kribbeln, wenn einem bewusst wurde, dass etwas so rein gar nicht passte.

Bilder der NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt