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Gerade als Mara aus dem Büro heraustrat, war Twyla kurz davor in das Verhörzimmer einzutreten. Für wenige Sekunden blieb die Anwälten stehen, ihre grünen Augen waren direkt auf die junge Kommissarin gerichtet und für diesen kurzen Augenblick, in welchem sich beide einfach nur ansahen, dachte Mara eine kleine Rötung im Weiß um die Pupillen der Frau zu erkennen. Bevor sie sich jedoch vergewissern konnte, ob dies wirklich der Fall war, ging sie ihrem Chef hinterher und ließ Mara allein auf dem Gang zurück. Anstatt ihr jedoch direkt zu folgen, ging sie zu dem Labor, um ihren Kollegen abzuholen. Drei Mal musste die Kommissarin klopfen, bis ihr jemand öffnete. Es war die gleiche Labortante wie auch zuvor, doch diesmal verwendete sie nicht ihre fachliche Kälte, sondern einen mitfühlenden, sorgenden Ton: ,,Frau Pibal, es tut mir so leid. Ich habe gehört, was passiert ist, hoffentlich kommt Herr Nowak durch." ,,Das hoffen wir alle. Wo ist Ilia?", erkundigte sich sie sich, anstatt weiter auf die Mitleidsbekundung einzugehen. ,,Penkowski analysiert gerade die Datensätze, welche gestern beschafft wurden." ,,Holen Sie ihn bitte her. Ich brauche ihn für eine Befragung." Verwirrt sah die Laborantin sie an, als hätte sie vorgeschlagen, eine Backmischung anstelle von Milch mit Wasser anzumachen. ,,Sie wollen Penkowski zu einer Befragung hinzuziehen?" ,,Ja. Wie sollte es den sonst gehen? Wie Ihnen ja so intelligent aufgefallen ist, fehlt einer von uns", entgegnete sie nur, dann machte sie auf dem Absatz kehrt. Wieder einmal stiegen ihr die Tränen in die Augen und schmerzhaft kalt stach es ihr ins Herz, doch sie konnte sich dadurch nun nicht beeinträchtigen lassen, durfte sich nicht dadurch unterkriegen lassen. Um sich zunächst einmal zu sammeln, ging sie in das Besprechungszimmer, welches über ein Spiegelglasfenster mit dem Verhörraum verbunden war. Während ihre Sicht leicht verschwamm, blickte sie auf die zwei Anwälte, die an dem Tisch saßen. Gelassen, als würde er auf einen Kaffee in einem Restaurant warten, saß der Mann lächelnd da und tratschte freundlich mit dem Streifenpolizisten, welcher mit im Raum anwesend war. Als Gegenteil dazu wirkte die junge Anwältin nervös, als säße sie im Wartezimmer zum Staatsexamen. Immer wieder zupfte sie ihren Blazer zurecht, welcher trotz der eigentlichen Hitze noch immer um ihren Körper geschlungen war. Vermutlich versuchte sie Schweißflecken zu verstecken, ein Geheimnis der Rechtsanwälte, jenes Steinberger persönlich ihr mal anvertraut hatte. Wie sah sie eigentlich aus? Die Fenster dienten ihr als Spiegel, doch was sie darin sah, erschreckte sie fast schon. Nicht die etwas zu groß geratenen Klamotten Ilias waren das Problem, jene wirkten noch halbwegs geziemt, doch sie selbst sah aus, als hätte sie gerade so einen Albtraum überlebt. Ihre Augen waren gerötet, ihre Haut bleich und wie eine Linie eines abgerutschten Bleistifts zog sich der kleine Schnitt über ihre Unterlippe. Ihre dunklen Haare waren trotz ihres normalen Volumens eigentlich platt an ihren Kopf gedrückt, jeglicher Lebensgeist schien aus ihr entflohen zu sein. Steinberger hatte recht gehabt, sie sah absolut schrecklich aus. Um zumindest etwas ansehbar zu erscheinen, strich sich die Kommissarin durch die Haare und spielte sogar für wenige Sekunden mit dem Gedanken, noch schnell die Reserveklamotten aus dem Spind zu holen. ,,Mara?", kam von Ilia, es klang als würde er sich wiederholen. ,,Tschuldigung." ,,Alles gut. Das Alles hat mich selbst ziemlich aus der Bahn geworfen", gestand der Mann ihr und ließ somit das erste Mal direkt durchleuchten, dass er tatsächlich nur ein Mensch war. Er gesellte sich neben sie an den Konferenztisch, der mitten im Raum stand, bevor er fragte: ,,Wieso möchtest du eigentlich mich bei der Befragung dabei haben?" ,,Vielleicht, weil mein normaler Partner fehlt?", kam von Mara zurück, ein krummes Lächeln auf ihren Lippen: ,,Ich brauch dich hier. Allein kommt keiner von uns weiter. Wir müssen uns zusammen reißen, für Julius."

Ohne sich vorher noch umzuziehen, dann sollen die sie doch in Schlaberklamotten kennenlernen, ist doch egal, betrat Mara gefolgt von Ilia das Verhörzimmer und mit einem knappen nicken, wie sonst immer Julius verabschiedete sie den jungen Streifenpolizisten. ,,Ah, Frau Pibal. So sieht man sich also wieder", begrüßte der Anwalt sie, ein fast schon bösartiges Lächeln auf den Lippen. Eine Eiseskälte lief ihr über den Rücken, während Ilia wirkte, als hätte der Mann ihn praktisch festgefroren. ,,Guten Tag, Herr Dr. Ludwig. Was bereitet uns die Ehre, Sie nun hier sitzen zu haben?" Absichtlich versuchte Mara, seine Partnerin zu ignorieren, auch wenn es ihr fast wie eine unmögliche Aufgabe vorkam. ,,Sie meinen, nachdem Sie illegal eine Abhöraktion gegen mich gestartet haben? Wie geht es eigentlich ihrem Kollegen? Aus meinem Fenster hatte ich nur sehen können, wie kurz nachdem er mein Haus verlassen hatte, mehrere Einsatzkräfte auf meinem Gelände vorgefahren waren." Was hatte das Lächeln auf seinen Lippen zu bedeuten. Doch statt auf den Mann einzugehen, wand sich die Kommissarin an seine Anwältin: ,,Frau Schauer, nun treffen wir uns auf meinem Gelände. Der Blazer steht Ihnen genauso gut wie ihr Outfit vom Samstag Abend." ,,Der Jogginganzug vermindert Ihr Auftreten nicht im Geringsten", entgegnete die Frau nur, Ilia dachte wahrscheinlich, sie alle drei würden spinnen. ,,Wer ist denn ihr schweigsamer Kollege? Nur Schmuck oder kann er auch sprechen?" ,,Ilia Penkowski, Kriminalkommissar wie auch technischer Analytiker. Genug Freundlichkeiten ausgetauscht, wer startet mit den Fragen?" Während sie die Vorstellungsrunde beendete, setzte sie sich auf den Stuhl des Anwalts gegenüber, Ilia folgte ihrem Beispiel. ,,Gut, wenn sie unbedingt direkt zum Sachlichen kommen wollen. Wieso hat sich ihr Kollege gestern mit mir verabredet?" ,,Es geht mich nichts an, was mein Partner in seiner Freizeit macht. Wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert, da kann jeder jeden lieben." Fast schon amüsiert schnaubte der Mann: ,,Verkaufen Sie mich nicht für blöd, nicht ohne Grund trage ich einen Doktortitel, also sprechen wir Klartext. Trotz Ihren Schminkkünsten hat der Angstschweiß ihres Partners den verdeckten Schatten eines Eherings freigelegt. Wie heißt den die werte Frau des süßen Julius'?" ,,Das geht Sie nichts an. Gut, ich habe Ihnen eine Frage beantwortet, nun sind Sie dran. Hat Markus Kracht Sie am Abend des letzten Donnerstags nach Hause begleitet?", forderte nun Mara ihre Antworten. ,,Wollen Sie meinen Klienten nicht zunächst über seine Rechte belehren, schließlich wird er hier als Tatverdächtiger verhört", erhob nun Frau Schauer ihre Stimme und zog somit die Aufmerksamkeit der jungen Ermittlerin auf sich. ,,Bis jetzt wird ihr Mandant nur als Zeuge gehört. Laut unseren Informationen war Herr Dr. Ludwig die letzte Person, welche Kracht lebend gesehen hatte. Sowie auch bei meinem Kollegen. Oder sollten wir von etwas anderem ausgehen." Fast schon schockartig erbleichte die Anwältin, während ihr Mentor sich nichts anmerken ließ. ,,Ist Herr Nowak verstorben?", flüsterte die Frau fast schon, ihre Stimme schien einen Hauch von Angst zu beinhalten. ,,Nein", entgegnete Mara: ,,Julius lebt, doch die Ärzte mussten ihn in ein künstliches Koma versetzen. Zurück zu meiner Frage." ,,Ein Markus hat mich nicht begleitet, nur ein netter Junge namens Mark." Bevor der Mann weitersprechen konnte, unterbrach die Kommissarin ihn, indem sie ihm ein Bild vorlegte. ,,Ist das der Mann, welcher sie begleitet hat?" Der Mann würdigte dem Bild des Opfers keinen Blick, sondern zuckte direkt mit den Schultern. „Auch wenn das Gesicht sehr hübsch ist, und hübsche Gesichter verlassen meinen Geist eigentlich nicht, dieses ist mir nicht bekannt." „Gestern haben Sie etwas anderes gesagt." „Ach wirklich? Haben Sie diese Aussagen in den Aufnahmen, welche Sie illegal beschafft haben?", konterte er auf ihre Provokation und wieder lag dieses ekelhafte Grinsen auf seinen Lippen.

Bilder der NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt