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Nach einer halben Ewigkeit des Arbeitens und gleichzeitig immer wieder auf die Uhr Schauens war es endlich kurz vor halb acht und schon sprang Mara fast schon auf, bevor sie das Top nahm und zu den Toiletten ging. Vorsichtig nahm sie das Schulterholster ab und legte es auf das Waschbecken, dann zog sie den Pulli aus. Noch immer wollte sie sich nicht im Spiegel ansehen, doch sie sollte sich schon noch zurechtmachen. Schnell warf sie sich das Top über und aus ihrer Tasche zog sie auch noch einen Eyeliner, Wimperntusche und eine Haarbüste hervor. Mit ein paar Zügen der Bürste waren die leicht zerzausten Haare wieder halbwegs zurecht gestriegelt. Auch die restlichen Vorbereitungen hatte sie innerhalb weniger Minuten geschafft, so weit sie es konnte. Wieso machte sie sich eigentlich so viel Mühe für diese Frau? ,,Wie ein Teenager vor dem ersten Date", neckte sie sich selbst, was ein schiefes Lächeln auf ihre Lippen zauberte. ,,Denk dran, es geht um ihre Aussage." Noch einmal strich sie ihr Top glatt, bevor sie tief einatmete und die Toilette verließ. Machte Twyla sich gerade den gleichen Stress? Würde sie überhaupt auftauchen? Erst nach den ersten Schritten fiel ihr wieder ein, dass ihre Waffe noch auf dem Waschbecken lag. ,,Oh Fuck", fluchte sie, dann lief sie schnell zurück und holte ihr Holster wieder. Wo hatte sie nur wieder ihren Kopf gelassen, dass war doch nicht normal für eine erwachsene Frau. Sich innerlich verfluchend ging sie zurück zu ihrem Büro, wo sie ihre Waffe in das dafür vorgesehene Fach legte und es abschloss. Während sie gerade mit einem Knie auf dem Boden war, erklang ziemlich plötzlich die Stimme ihrer Chefin, was dazu führte, dass sie sich den Kopf an dem Schreibtisch anschlug. ,,Oh, verdammt", fluchte sie, während sie sich ihren Kopf rieb und wieder aufstand: ,,Wie kann ich Ihnen helfen?" ,,Ich habe gehört, dass Julius aus dem Koma erwacht ist", begann die Frau zu sprechen: ,,Haben Sie bereits seine Aussage aufgenommen?" ,,Als ich vorhin bei ihm war. Anscheinend haben wir es mit zwei Tätern zu tun, nicht nur einem. Wissen Sie, ob wir Kühlpacks oder so haben?" Leicht abwertend schüttelte die Frau den Kopf, dann deutete sie in Richtung des Sekretariats. ,,Im Erste Hilfe Kasten sollten welche vorhanden sein. Was haben Sie heute noch vor? Gehen sie der Spur des zweiten Täters hinterher?" Kurz häsitierte Mara, schließlich wusste sie nicht ganz, was sie antworten sollte. ,,Man könnte es so sagen. Ich habe für Morgen einen Durchsuchungsbeschluss bei Steinberger für Ludwigs Anwesen beantragt. Mal sehen, was rauskommt." ,,Und dafür machen Sie sich so hübsch?", glaubte sie, ihre Chefin sie necken zu hören: ,,Bitte nehmen Sie ihre Waffe mit. Ich möchte nicht noch einen guten Kommissar im Krankenhaus haben." ,,Das Treffen findet an einem öffentlichen Ort statt, da kann ich nicht meine Waffe mitnehmen", entgegnete Mara, während sie mit ihrem Fuß den Stuhl wieder in Position zog: ,,Aber ich kann schon auf mich aufpassen. Nur weil ich mal Ballett getanzt habe, heißt das nicht, ich könne nicht genauso gut Ärsche versohlen." Amüsiert lächelte die Chefin auf Mara hinab in einer Art, die die Kommissarin einfach nur verabscheute. Ja, sie war klein, doch dennoch war sie nicht schutzlos. ,,Wie steht es mit ihren Augen? Laut den Kollegen von der Streife, die Ihnen gestern geholfen haben, wurde ein Pfefferspray gegen Sie eingesetzt, welches auch wir verwenden. Diese sind ja bekannt dafür, auch nachträglich noch etwas zu beißen." Kurz war Mara davor, nochmals ihre Augen zu reiben, doch dann hätte sie gleich als Waschbär zu dem Treffen gehen können. ,,Hab es gestern gut ausgewaschen. Also alles gut. Kann ich mir nun ein Kühlpack holen?" Mit einem Nicken erlaubte die Frau ihr, den Raum zu verlassen, somit nahm Mara nur noch ihr Handy und ihre Schlüssel von dem Tisch, dann ließ sie die Frau in ihrem Büro zurück.

Mit dem Kühlpack auf der Stirn lief die Kommissarin zur Bar, einhändig Autofahren war ihr in diesem Zustand etwas zuwider, während sie immer wieder ihr Mantra wiederholte, welches seit dem Beziehungsende mit Franzi ihr half. ,,Kopf über Herz. Kopf über Herz", sprach sie immer und immer wieder laut aus, als könnte sie dadurch ihre Gedanken besser ordnen. Doch nur allzu häufig verfing ihr Geist sich bei dem Bild der Frau, wie sie in dem knappen schwarzen Kleid vor ihr gestanden hatte und mit den smaragdgrünen Augen sie gemustert hatte. Wie ihre schwarze Haarpracht hochgesteckt war, mit den einzelnen goldenen Nadeln, welche die leichten Locken einfingen. Das Tattoo eines Tigers, welcher ihre Schulter hochkletterte und auf ihrer braunen Haut wie lebendig wirkte. Vielleicht trug die Frau deswegen immer einen Blazer, um nicht unprofessionell vor Gericht zu wirken. Würde Mara an diesem Abend wieder einen Blick auf das Tattoo erhaschen? Wieder schüttelte sie den Kopf, um ihre Gedanken ordnen zu können, doch erst der Beinahe-Zusammenstoß mit einer Laterne half ihr, aus ihrem Kopf herauszukommen. Sollte sie nicht eigentlich nun wieder unter Kontrolle ihres Geistes sein, nachdem Julius wieder bei ihnen war? Sie brauchte wieder seinen Rat, seine Hilfe, seine Unterstützung, doch noch könnte der Kommissar nicht wieder zurück zum Dienst. Nicht so, wie seine Lunge klang und schwach sein Körper schien. Bis Julius wieder in den Dienst konnte würde es noch länger dauern und bevor er auch noch mit ihr wieder draußen unterwegs war, wie lange würde das wohl noch dauern? Nachdem ihre Stirn nicht mehr schmerzte und das Kühlpack seine Wirkung verloren hatte, schmiss sie es in den nächstgelegenen Mülleimer, bevor sie den Marienplatz überquerte. Noch immer waren viele Menschen unterwegs, nicht so viele wie tagsüber, da konnte man fast nicht durch, ohne gegen irgendwen fremdes zu laufen. Nun jedoch ebbte die Menschenmasse etwas ab, sodass man einfacher durchgehen konnte. Nach und nach begannen die einzelnen Läden ihre Kunden hinaus zu scheuchen und so manche ließen bereits die Jalousien herunter, um sich vor Vandalierenden und Einbrechenden zu schützen. Zu Maras Freude traf sie nicht wieder auf einen Junggesellinnenabschied, welcher laut grölend durch die Straßen zog. Vorbei am Rathaus, wo mal wieder irgendeine Kundgabe war, welcher Mara jedoch keine Aufmerksamkeit schenkte. Laut einer Freundin bei der Sitte hatten verschiedenste Verschwörungstheorien den Weg über den Atlantik zu ihnen nach Deutschland geschafft, wovon eine verrückter war als die Andere. Es war doch einfach bescheuert. Würde sie vielleicht Kracht Senior irgendwo sehen oder saß er noch immer in einer Zelle? Sie war zuvor nie von einem Angehörigen eines Opfers angegriffen worden, somit wusste sie nicht ganz, wie sie mit dem Mann vorgehen würden. Vorbei an dem erstaunlicherweise noch immer existierenden Käseladen, welcher gegenüber einer großen Kirche stand, bog sie in Richtung des Viktualienmarktes ab. Mit beschleunigtem Schritt brachte sie die vielen Stände hinter sich, bevor sie bei einem kleinen, schwarzen Eimer anhielt. Man wusste nicht genau, wer die Blumen immer verschenkte, doch jeden Abend war der Eimer mit verschiedensten Schnittblumen gefüllt, welche auf ein neues Zuhause warteten. Mara nahm eine zierliche Rose heraus, dann machte sie sich wieder auf den Weg. Während sie an der katholischen Mädchenschule entlanglief, knubbelte sie vorsichtig die kleinen Dornen ab, welche noch an der Blume waren. Nach einem kurzen Blick nach links und rechts wechselte die Kommissarin die Straßenseite, auch wenn eine Ampel mit Fußgängerüberweg nicht allzu weit entfernt war. Nach und nach stieg eine gewisse Nervosität in ihrem Bauch auf und auf den letzten Metern zur Bar setzte ihr Denkvermögen vollständig aus. Dabei bräuchte sie es jetzt mehr den je.

Bilder der NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt