Es gab viele Dinge, die ich an Evelyn nicht verstand. Es waren ziemlich banale Dinge, die sie als Selbstverständlich ansah.
Fynn zu sehen brach selbst mir das Herz, dabei hielt ich ihn die meiste Zeit über für ein arrogantes Arschloch. Er und Evelyn passten ziemlich gut zusammen. Sie waren beide ziemlich gut darin Leute zu hassen. Evelyn sprach selten mit jemanden anderen als mir, Fynn oder Dean und wenn sie es doch mal tat, dann handelten die Gespräche von belanglosen Dingen. Auch Fynn entdeckte man selten mit Jemandem der nicht Dean oder Eve war, jedenfalls wenn man seine zahlreichen Dates außen vor ließe.
Ich war erstaunt als er sich auf den leeren Platz mir gegenüber setzte und sich räusperte. Fynn hatte noch nie wirklich viel mit mir gesprochen, meistens nickten wir uns bloß zu und überbrückten die gemeinsame Zeit mit Schweigen. Evelyn war seit einer Woche fort, ich vermutete, dass die Hochzeit ihres Bruders genau heute Abend stattfinden würde.
»Ich kann sie nicht erreichen.« Seine Stimme klang verzweifelt. Sein ganzes Erscheinungsbild sah elend aus. Gerüchte sprachen sich hier ziemlich schnell rum, eigentlich hätte man doch meinen müssen, dass Leute mit der Zeit reifen und die Gerüchteküche in der High School zurück gelassen wurde.
Ich sammelte meinen ganzen Mut um Fynn etwas vor zu lügen. »Vielleicht ist das ja beabsichtigt?« Gelogen war das nicht, ich hatte mich dazu entschlossen so viel wie nur möglich ehrlich zu halten, bloß die Frage, wo Evelyn sei, wollte ich ihm nicht beantworten. Und das Kind würde ich ebenfalls verschweigen.
»Ihr Klingelschild wurde abgenommen, sie macht die Tür nicht auf, der Vermieter sagte mir sie sei vor einer Woche ausgezogen. Wo ist sie, Megan?« Fynn lehnte sich gefährlich weit vor und sah mir so tief in die Augen, dass ich das Gefühl bekam, er würde sich die Antworten einfach aus meinem Gedächtnis raussuchen. »Sie geht hier nicht mehr zur Universität.«
»Der Typ ist aus Texas.« Mein Geburtsort war mir rausgerutscht ehe ich es überhaupt begreifen konnte.
»Sie ist mit ihm gegangen?«
»Ich habe sie nicht mehr gesprochen. Sie hat dasselbe wieder getan, die Situation wurde brenzlig und sie haute ab.« Meine Stimme klang erstaunlich kühl. Fynn lehnte sich zurück und vergrub für einen Moment das Gesicht in seinen Händen. Er sah aus, als hätte er seit Tagen nicht mehr geschlafen. »Du siehst müde aus.«, stellte ich fest und versuchte mir sein Gesichtsausdruck einzuprägen, damit ich Evelyn Vorwürfe machen konnte. Es war ein Fehler abzuhauen.
Fynn brachte ein freudloses Lachen zu Stande und schien sich um sein arrogantes Grinsen zu bemühen. Er gab es schnell wieder auf und der Kummer übernahm die Führung. Es brach mir das Herz ihn so zu sehen und Wut stieg in mir auf. »Ich frage mich ständig, was sie grade tut, wo sie ist, wie es ihr geht, ob sie The Walking Dead ohne mich weiter sieht.« Wir lächelten beide kurz. Ich wagte es nicht, Fynn wieder anzusehen.
»Ich weiß, wie du dich fühlst. Sie meldet sich nicht bei mir und ich habe kaum mehr Ahnung als du. Es tut mir so leid, Fynn. Es tut mir so leid.«
Der blonde Junge nickte langsam und seufzte. Noch nie hatte ich so viel mit ihm gesprochen, selbst dann nicht, als Evelyn dabei war. »Wenn sie dich mal anrufen sollte, sagst du ihr, dass ich sie liebe?«
»Habt ihr euch das überhaupt mal gesagt?«, fragte ich etwas verwirrt und starrte ihn entgeistert an.
»Nein.«, gestand Fynn und richtete sich langsam auf. »Und jetzt bereue ich es, es nicht früher gesagt zu haben.«
»Ich kann ihr nicht euer erstes „Ich liebe dich" überbringen.«
»Es hat doch sowieso keine Bedeutung mehr. Sie tut es anscheinend nicht.«
»Fynn! Meine Güte, sie - « Ich wollte grade von dem Baby erzählen als mir in den Sinn kam, wie wütend Eve auf mich wäre. »Ich kann das nicht!«, plapperte ich stattdessen und richtete mich ebenfalls auf. Einige Studenten um uns herum sahen uns an, Fynn blickte sich kurz um, schien nach jemandem zu suchen, dann fanden seine Augen wieder meine und ich hatte das Gefühl, sehen zu können, wie seine Welt zusammenbrach.
»Sie soll es wissen, Megan. Ich habe keine Möglichkeit es ihr zu sagen, aber es ist okay. Es ist okay, ich werde es überleben.«, er hatte seine Stimme gesenkt und wir setzten uns wieder.
Auch ich sprach leiser weiter als zuvor: »Ich kann euer „Ich liebe dich" nicht zerstören.«
»Du zerstörst es nicht, ich flehe dich an, Megan.«, er sah mich bittend an. »Ich weiß nicht wie ich sonst noch an sie ran kommen soll.«
»Bist du nicht wütend auf sie?«, hackte ich nach und spürte langsam Tränen in meinen Augen aufsteigen. Mein armes kleines Herz würde das ganze Fynn-Evelyn-Drama nicht überleben.
»Zu Beginn, ja.«, murmelte er und strich sich mit der Hand übers Gesicht. Er wirkte um Jahre älter. »Aber jetzt bin ich enttäuscht, ich habe gedacht sie würde mich ebenfalls lieben, deswegen hätten wir noch Zeit. Ich dacht, sie würde total peinlich berührt anfangen und ich würde ihr versichern, dass ich sie auch liebe.« Er grinste bei der Erinnerung, doch dann runzelte er die Stirn und blickte auf seine Finger hinab. »Wie auch immer, sag ihr einfach, dass ich es tue. Nicht heute, nicht morgen, irgendwann wenn sie sich meldet.«
»Willst du ihre Antwort darauf wissen?«
»Nein, nein ich glaube nicht.« Er kratzte an dem Tisch zwischen und herum und sah dann wieder zu mir rauf. »Ich glaube, ich will einfach nicht wissen, dass sie sich bei dir meldet, mich aber komplett ignoriert.«
»Es tut mir so leid, Fynn.« Ich schluchzte auf und blinzelte hastig Tränen weg. Fynn sah mich etwas irritiert an und ich lachte auf.
»Eigentlich hatte ich gedacht, es sei anders rum. Ich heule du guckst ratlos drein.«
»Oh Gott, das ist mir so peinlich.« Ich wischte mir die Tränen fort und bemühte mich standhaft zu bleiben. »Niemand verdient das, was sie dir angetan hat.«

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Couple in a roundabout way
HumorLiebesgeschichten hören immer auf, wenn die Protagonisten ihren langen Weg zusammen finden. Doch keiner schreibt darüber, was danach passiert. Denn dann, kommen die wahren Probleme ins Spiel. Evelyn und Fynn, weniger geeignet für eine Lebenslangebin...