Kollision

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Ich wusste, dass der Tag kommen würde, an dem Fynn wieder zurück nach New York fliegen würde. Nicht weil er wollte, sondern weil er es musste.

Am Dienstagmorgen gingen wir zu zweit Frühstücken. Ich wollte ihm Josie vorstellen oder eher Josie beweisen, dass ich mein Leben doch in den Griff bekam. Wir spazierten den kurzen Weg in das übliche Café in dem wir bereits am Samstag gewesen waren.

Ich musterte Fynn von der Seite. Er erinnerte mich an einen Urlauber, Großbritannien war nicht sein Ding. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er hier sonderlich lange leben würde. Vermutlich würde ihn alleine schon britisches Weihnachten verjagen.

New York fehlte mir. Megan fehlte mir. Dean auch ein wenig. Vor allem fehlte mir Fynns Lieblingsbar, der Alkohol und die blöde schwarzhaarige Kellnerin, mit der ich mich so liebend gerne wieder streiten würde. Mir fehlten Christians idiotischen Bemerkungen, darüber, wie recht er doch damit hatte, dass ich vollkommen in Fynn verschossen war. Mir fehlte meine kleine Wohnung, mein Job in Judiths Café und mein Studium.

Ich seufzte.

»Alles okay?«, fragte Fynn mich.

»Amerika fehlt mir.«, gestand ich. Er drückte meine Hand und lachte leise.

»Du hast hier doch alles, ich verstehe gar nicht, wieso du jemals abgehauen bist.«

»Ich wollte frei sein.«, murmelte ich und seufzte erneut. »Ich glaubte, dass ich in England niemals meine Eltern loswerden könnte, niemals selbständig leben könnte. Ich bin schon als Jugendliche ständig ausgerissen, es war nur eine Frage der Zeit, dass ich meine Sachen packte und komplett verschwand.«

»Und meine Mutter behauptete immer, ich sei ein anstrengendes Kind.«

»Ich habe meinen Brüdern nicht Horrorfilme untergejubelt.«, entgegnete ich. »Und meinen besten Freund auch nicht auf einer Datingwebsite kennen gelernt.«

»Erstens: Deine Brüder sind beide mindestens sieben Jahre älter als du, ich bezweifle, dass du diesen Punkt werten kannst. Zweitens: - « Fynn hob zwei Finger in die Luft. » - Du bist doch nur neidisch, weil deine beste Freundin dich an eurem Zusammentreffen beinahe umgebracht hat.« Ich schmunzelte bei der Erinnerung, als Megan mich umgestoßen hatte.

»Ich glaube, dass sie dem Tod näher stand, als ich es tat.«

»Zwischen Dean und mir stand nie der Tod.«

»Er ist auch gutmütig und du ein Trottel.« Fynn grinste zu mir herunter. Wir erreichten das Café. Josie saß bereits drin und tippte auf ihrem Handy herum. Sie bemerkte uns gleich, nachdem wir das Café betreten hatten und winkte uns hastig zu sich. Mit einer Umarmung begrüßten wir uns, dann schloss sie auch Fynn in die Arme.

Sie lächelte. »Okay, wenn habe ich da grade umarmt?«

»Josie, das ist Fynn, ich habe dir bereits von ihm erzählt.« Wir ließen uns auf den Stühlen nieder, ich blätterte durch die Speisekarte.

Ein wissendes Grinsen huschte über ihr Gesicht und sie beugte sich verschwörerisch vor. »Seit wann bist du hier, mysteriöser Fynn? Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich kennen lernen werde, vor allem nicht nach dem, was ich so über euren Beziehungsstand gehört habe.« Josies Direktheit war früher immer ein Grund gewesen, wieso wir uns so oft an die Gurgel gehen wollten.

»Und ich denke Mal, du bist diese namenlose Freundin aus Eves Schulzeit.« Wie schon die vorherige Male, fühlte sich das Zusammentreffen dieser zwei Unterschiedlicher Teile meines Lebens so ungewöhnlich an, dass mich das Gefühl überkam, zwei Welten würden mit einander kollidieren.

Josie lehnte sich zurück. »Namenlose Freundin. Ich wusste gar nicht, dass wir Freunde sind, Dunkens. Naja, jetzt haben wir ja beschlossen, welche zu sein, aber früher?« Sie lachte schallend, ich schüttelte bloß grinsend den Kopf.

»Deswegen hatte sie nie einen Namen, Fynn: Ich wusste, dass sie es bestreiten würde.«

»Kann ich von dir erfahren, wie ihr zwei euch kennen gelernt habt?«

»Oh, das ist eine meiner liebsten Geschichten, natürlich wird mein Kind niemals davon erfahren, aber die Schule war zu klein um zwei brutale Schlampen regieren zu lassen. Wir haben uns gehasst.«

Fynn lachte. »Das klingt nach dir, Kleine.«

»Ich weise dich gerne darauf hin, dass unsere Kinder alles mitkriegen, was wir hier reden.«

»Und du kannst dich ja so perfekt, an deine Gebärmutter-Zeit erinnern?«

Einen Moment lang sahen Josie und ich uns herausfordernd an, dann fuhr ich mit der Geschichte fort: »Sie war meine Alkohol-Partnerin, eigentlich war sie der schlechteste Umgang, den man sich für sein Kind wünschen kann.«

»Ach, Eve, wir waren gleichberechtigt, du musst mir den Ruhm nicht überlassen.«, bemerkte sie verschmilzt und wandte sich an Fynn: »Sie ist ja so bescheiden, wir beide waren die Arschlöcher und irgendwann auf einer Party beschlossen wir unsere Kräfte nicht gegeneinander zu verschwenden, sondern uns zusammen gegen den Rest zu wehren. Es war eine rein geschäftliche Beziehung.«

»Und sie tauchte hier auf und schrieb dich an?«, fragte Fynn verdutzt.

»Oh nein, nach der Schule haben wir uns sowieso ziemlich selten gesehen.« Josie zuckte mit den Schultern. Es machte ihr nichts aus von unserer verkorksten Freundschaft zu erzählen. »Und das sie plante abzuhauen, hat sie mir ebenfalls nicht offenbart. Sie war einfach weg und vor einigen Wochen trafen wir uns zufällig beim Frauenarzt.« Sie grinste mich verführerisch an.

»Du hast einen Knall.«, teilte ich ihr mit.

»Ja, das höre ich oft. Und du bist wie lange hier?«

Fynn brauchte einen Moment, um zu merken, dass er gemeint wurde. »Ich fliege morgen wieder ab.«

»Oh, das ist ja bedauerlich.« Ihr Blick wanderte zu mir, ich winkte einen Kellner herbei. »Und du hast vor hier zu bleiben oder verziehst du dich wieder in die Vereinten Nationen?«, zog sie mich auf. Ich sah zu Fynn, dieser Lächelte mir aufmunternd zu. Es würde alles funktionieren, alles würde gut gehen. Wir könnten es schaffen, ob hier oder in Amerika – Wobei es hundertprozentig Amerika werden würde.

»Ich bleibe vorerst hier. Aber ich will ihn sicherlich nicht hier großziehen.«

Ich könnte schwören, dass Fynn erleichtert ausatmete. Der Kellner erreichte unseren Tisch, nahm unsere Bestellung auf und verzog sich genauso hastig, wie er aufgetaucht war.

Josie nickte langsam, verarbeitete das eben Erfahrene und wägte ab, was sie als nächstes sagen sollte. »Amerika scheint dir echt angetan zu haben.«, murmelte sie schließlich.

»Ich habe mich nie freier gefühlt.« Wir lächelten uns beide an.

»Dein Lover-Boy wäre sowieso ein grausamer Brite.«, fügte sie mit einem Lächeln hinzu.


Couple in a roundabout wayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt