Liebeskummer

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Ich hatte Glück gehabt, dass beide Universitäten, die ich bis jetzt besucht hatte, internationale Semesterferien hatten. Ich schrieb meine Prüfungen mit all den anderen Studenten, denen ich bereits in meinen ersten Semestern begegnet war. Gestern hatte ich den kompletten Tag mit lernen verbracht, Benny war arbeiten gegangen und ich hockte alleine in der Wohnung, in der ich als Kind so viel Zeit verbracht hatte.

Die Prüfungen waren wohl Fynn und mein größter Unterschied. Während er total verzweifelt büffelte und zu einem noch größeren Hitzkopf mutierte als er es sonst war, beruhigte mich die Stille. Ich war nicht sonderlich gut darin, mir Dinge zu merken, doch das Lernen störte mich nicht. Ich hasste es still sitzen zu müssen und hielt lieber mündliche Prüfungen ab in denen ich mich hin und wieder auch bewegen musste, doch die Stille war beruhigend.

Aus dem Grund mochte ich Nächte auch mehr als Tage. An dem Punkt glichen Fynn und ich uns wieder.

Er fehlte mir. Als ich nach der Prüfung wieder alleine in Bennys Wohnung saß, beziehungsweise nutzlos wie ein Häufchen Elend auf seinem Sofa lungerte, wurde mir das erste Mal seit Tagen bewusst, wie sehr mir Fynns Nähe eigentlich fehlte.

Die Tatsache, wie wütend es ihn machte, dass ich jeden Morgen Müsli essen wollte, dass er Fisch hasste, während ich mir ein Leben ohne, gar nicht vorstellen wollte und vor allem fehlte es mir, dass er jeden Song der Beatles auswendig mitsingen konnte, weil seine Mutter ein riesen Fan der Gruppe war.

Mir fehlten auch unsere The Walking Dead – Abende. Je länger ich hier auf diesem Sofa lümmelte, desto bewusster wurde mir, was für ein riesen Idiot ich war. Benny würde nicht vor zweiundzwanzig Uhr Heim kommen und ich brauchte jemanden zum Reden. Ich streckte meine Hand in Richtung des Couchtisches und versuchte verzweifelt mein Handy zu erreichen, ohne dafür aufstehen zu müssen. Als ich es schließlich ergriff, wählte ich ohne groß darüber nach zu denken Megans Nummer.

Als das erste Piepen ertönte, schob ich mein Shirt bis zum Rand meines BHs hoch. Noch könnte man behaupten, dass ich einfach Fett werde, doch ich wusste, dass nicht mein Heißhunger auf Kalorienreiche Mahlzeiten Grund für diese Wölbung waren.

Beim zweiten Piepen seufzte ich tief und schloss die Augen. Ich sollte bald wieder einen Frauenarzt aufsuchen.

Drittes Piepen. Wollte ich das Geschlecht wissen? Wie würde ich mein Kind überhaupt nennen?

Viertes Piepen. Ich sollte wirklich zu Frauenarzt. Musste man während Schwangerschaften nicht extrem viele Untersuchungen durchleiden?

Megan ging nicht ran, stattdessen sprang ihre Mailbox an. »Ich bin grade nicht zu erreichen, aber hinterlass mir doch einfach eine Nachrichten nach diesem komischen Piepen.«, verkündete ihre aufgenommene Stimme mir fröhlich.

»Hey, Megan.« Ich wusste nicht mehr was ich sagen soll. Meine Zunge wurde bleischwer und ich zog mein Shirt energisch wieder hinunter. Tränen stiegen mir in die Augen. »Ich glaube langsam, dass es ein Fehler war. Ruf mich bitte zurück, meinetwegen auch, wenn bei mir grade vier Uhr morgens ist.« Dann legte ich auf und starrte an die Decke.

In was hatte ich mich hier reingeritten? Ein halbes Jahr in einer Beziehung zu sein, war vielleicht keine Spitzenleistung, doch ich hatte noch nie so viel Zeit mit jemandem verbringen wollen wie mit Fynn. Und jetzt, lag ich allein auf dem Sofa, hatte den Menschen den ich liebte vergrault und musste wohlmöglich auch noch ein Kind großziehen. Alleine. Während der Vater, der Mann den ich liebe, irgendwann über mich hinwegkommt und Neue Mädchen kennenlernt.

Ich war ein verdammter Idiot.

Eine Stunde später begann mein Handy zu vibrieren.

»Megan?!«, sagte ich hoffnungsvoll in den Hörer, ohne auch nur einen Blick auf den Bildschirm.

»Fehlalarm, Eure Majestät.«, erwiderte eine tiefe Stimme am anderen Ende der Leitung.

»Was gibt's?«, fragte ich Benny und schloss wieder die Augen.

»Ich mache gleich 'ne Mittagspause, kommst du mit zu Joeys?« Ich konnte seine Frage nicht verneinen, seit Mutter vor zwei Tagen behauptet hatte, ich würde zu wenig essen um ein Kind auszutragen, kontrollierte Benny meine Mahlzeiten. Obwohl ich viel lieber weiter auf dem Sofa gelümmelt hätte und mich kein Stückchen bewegt, sondern stattdessen meinem Leben mit Fynn an meiner Seite nachtrauerte, versprach ich, in zehn Minuten bei der Videothek zu sein.

»Komm einfach rein, Clark glaubt mir nicht, dass du wieder da bist.« Mit diesen Worten legte Benny auf und mir blieb nichts weiter übrig als mich aufzurappeln, mich herzurichten und die Wohnung zu verlassen.

Ich erreichte die Videothek schneller als erwartet und hinter dem Tresen erblickte ich auch Clark. Clark war wohl der perfekte Bilderbuch-Nerd. Er war übergewichtig – und das nicht nur ein bisschen – hatte langes Haar und zu allem Überfluss, trug er noch den Namen Clark, was jeden anderen Nerd nur noch an Superman denken ließ.

Ich konnte ihn gut leiden. Als ich die Tür aufdrückte, bimmelte ein kleines Glöckchen über mir, welches meinen Besuch ankündigen sollte. Sofort hoben die beiden Männer den Blick und Benny gab Clark einen Stoß mit dem Ellenbogen.

»Ich hab's dir doch gesagt.«, behauptete Benny zu seinem Arbeitskollegen.

Clark erwiderte nichts auf Bennys Bemerkung sondern kam hinter dem Tresen hervor um mich in die Arme zu schließen. Lächelnd gestattete ich die Umarmung. »Ich kann's nicht glauben, Eve ist von den Toten auferstanden!«

»Das sollten wir dringend der Kirche melden.«, sagte ich darauf und grinste als er mich böse anfunkelte. Während meine Familie und Benny selbst unter Folter nicht an eine höhere Macht glauben würden, war Clark festgläubiger Katholik.

»Zieh den Sohn des Herren hier nicht mit rein, du Atheist.« Ich lachte und grinste ebenfalls.

»Gut siehst du aus, das Jahr scheint dir gut getan zu haben.«, bemerkte Clark und tauschte mit Benny den Platz.

»Du kannst dir gar nicht vorstellen wie gut!«, stimmte ich zu und seufzte. Mit Mühe verdrängte ich die Erinnerung an Fynn und zwang mich zu einem Lächeln.

»Ich geh jetzt was zu Mittag essen, Kumpel. In einer Stunde bin ich wieder hier.«, unterbrach Benny unsere Unterhaltung und Clark nickte.

»War nett dich zu sehen, Eve. Komm ruhig öfters vorbei.«

»Mache ich, noch einen schönen Tag dir!«, verabschiedete ich mich und folgte Benny aus der Videothek.

cale

Couple in a roundabout wayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt