Wahrheit

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»Bereit?«

Ich schüttelte den Kopf. »Ich verstehe nicht, wieso ich dabei sein muss.«

»Weil du Evelyns beste Freundin und mit schuldig an der ganzen Scheiße hier bist.«, erwiderte Dean und sah mich von der Seite an.

»Ich habe ihr nicht vorgeschlagen, das Land zu verlassen und Fynn Lügen aufzutischen.« Das letzte Mal bin ich in diesem Block gewesen, um Eve beim Packen zu helfen, aber das verschwieg ich. Ich war wirklich Schuld daran, als Eves beste Freundin, wobei einzige Freundin auch ganz gut passte, hätte ich sie aufhalten sollen.
»Sollten wir nicht zuerst mit Benny an dem Plan arbeiten?«
»Für den Plan brauchen wir erstmal Fynn, wenn er uns nicht glaubt, wird er Evelyn auch nicht helfen.«
Ich sagte nichts mehr darauf. Deans Worte waren hart und direkt, erst gestern hatte ich mitbekommen wie er mit Elena darüber gestritten hatte, dass er mich trifft. Hart aber wahr, vermutlich hatte sie ihm deswegen 'Ich liebe dich' gesagt und war schließlich abgezogen. Der Typ hatte sein Leben im Griff. Während ich meine Gedanken zu Ende führte, ertönte Fynns Stimme verzerrt in der Sprechanlage.
Mit dem Finger an den Lippen wies Dean mich darauf an, die Klappe zu halten. »Kumpel, ich bin's.«
»Dean?«
»Kennst du noch jemand anderen der dich Kumpel nennt? Wenn ja, werde ich echt eifersüchtig - lass mich rein.«
Fynn seufzte, seine Stimme klang müde doch gleich darauf wurde uns die Tür geöffnet.
»Willst du mich ihm ausliefern?«, fragte ich ernst und sah auf meine Schuhe.

Dean war trainiert, doch mir blieb schon im ersten Stock die Luft weg und ich rang angestrengt nach Atem. Er sah mich belustigt an und ich spürte wie eine Seite in mir hoch kroch, die Evelyn zum Leben erweckt hatte. Ich hasste ihren Pessimismus und ihr soziopathisches Verhalten.

Evelyn hatte sich oft wegen den Stufen beschwert, wobei sie auch behauptete, dass sie dank ihnen sportlicher wurde.

Fynns Tür war geöffnet, von ihm selbst aber nichts zu sehen. Während wir an Evelyns ehemaligen Tür vorbei gingen, wurde ich immer nervöser. Kaum zu glauben, dass ich das wirklich für sie tat. Immerhin ertrug ich es nicht einmal, Fynn anzusehen und dann sollte ich ihm Beichten, dass Evelyn eine verlogene Hexe war. Wobei eher Dean sie als verlogene Hexe ansah, sie wollte Fynn „retten". Vermutlich dramatisierte sie vieles, doch ein Kind würde das Leben der beiden nicht wirklich vereinfachen. Dean drückte die Tür auf, sein bester Freund saß am Küchentisch und schlürfte an einem Kaffee. Als er mich bemerkte, sah er verwirrt auf.

»Was suchst du denn hier, Megan?«, fragte er und runzelte die Stirn. Dean bot mir ein Glas Wasser an, welches ich Dankend annahm.

»Fynn, wir müssen uns unterhalten.«, begann Dean und reichte mir das Glas.

»Ist mir schon aufgefallen.«, bemerkte dieser. Sein Blick wirkte verschlossen, nicht mehr so verletzlich. Fynn machte mir Angst.

»Hau raus, Megan.«, verlangte Dean und ließ sich ebenfalls am Küchentisch nieder. Ich blieb wie angewurzelt einfach dort stehen, wo ich grade war.

Ich suchte nach Worten, irgendetwas, das ich ihm sagen könnte. Irgendetwas, was besser klang, als die bittere Wahrheit. Die beiden Männer sahen mir entgegen, Dean ungeduldig, Fynn verwirrt, wieso wir solch einen Wirbel um wenige Worte machten. Wenige Worte, wenig war oft mehr. »Evelyn ist mit deinem Kind nach England gezogen.« Ich sprach so schnell, dass ich bezweifelte, dass er mich überhaupt verstanden hatte.

»Was?«

Dean räusperte sich und zog damit Fynns Aufmerksamkeit auf sich. »Sie hat dich belogen, Kumpel, damit du's durchziehst.«

»Durchziehen?« Wir schienen Fynn nur noch mehr zu verwirren, falls dies überhaupt noch möglich war.

Ich holte tief Luft, fest davon überzeugt, dass ich ihm alles sagen würde, was ich wusste. »Sie ist schwanger, von dir.«

Fynn lachte. »Sie verhütet.«

»Sie war beim Arzt, Pillen haben keine hundertprozentige Sicherheit, Fynn, das solltest du doch wohl wissen.«, entgegnete Dean.

»Als sie es erfuhr, wollte sie keinesfalls, dass du darunter leiden musst.«

»Und Abtreibung?«, er wirkte schockiert. »Sie sagte, sie hat jemanden anderen, was – «

»Sie wollte, dass du sie gehen lässt. Sie musste gehen, aber jetzt ist sie in London und ich telefonierte mit Benny und der sagt, dass es ihr beschissen damit geht.«, quatschte ich weiter, doch Dean ließ sich Zeit damit, alle Fragen von Fynn zu beantworten.

»Evelyn war bereits im vierten Monat, es ist unmoralisch das Kind in dieser Zeit abzutreiben und auch nur in Notsituationen erlaubt.«

»Aber – « Fynn war sprachlos.

»Sie wusste, dass du alles dafür tun würdest für sie und das Kind da zu sein.«

»Was ist falsch daran?«

»Sie will, dass du studierst und ein besseres Leben führst, als das aus deiner Kindheit.« Als ich die Worte aussprach, merkte ich, wie gemein es klang. Ich klang nach Evelyn, ich klang verbittert.

»Ich kann's nicht glauben.«

»Ich weiß...«

Fynn winkte genervt ab und unterbrach seinen besten Freund. »Oh, nein. Du weißt gar nichts, mein Lieber.« Tränen füllten seine Augen und ich spürte wie mein Herz brach. »Ihr glaubt, ihr könnt jetzt einfach hier auftauchen und mir offenbaren, ich sei Vater? Nachdem sie mich angelogen hat? Und du, Megan, mir tagelang gesagt hast, sie lebe jetzt in Texas mit einem anderen Typen?«

»Sie hat mich darum gebeten, zu lügen.«

»Und was hat deine Meinung geändert?«, wollte er von mir wissen.

»Ich habe mit Benny gesprochen, du weißt schon, der beste Freund von ihrem Bruder.« Fynn sah mir unbeeindruckt entgegen, sein Blick war kalt, seine Augen glänzten noch immer verdächtigt. »Sie wohnt zur Zeit bei ihm, England tut ihr nicht sonderlich gut.« Fynn vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Eine lange Zeit blieb er regungslos so sitzen.

»Was denkst du?«, fragte er schließlich an Dean gewandt. Ich blieb stumm und verlagerte mein Gewicht von einem Bein auf das andere.

»Ich habe mit ihm gesprochen, er ist besorgt.«, begann Dean vorsichtig. »Wir wollen dich nach England bringen, immerhin ist Evelyn jetzt im sechsten Monat oder so.«

Fynn lachte freudlos auf und nahm die Hände vom Gesicht. Er fuhr sich durch die Haare und zog die Nase hoch. »Das wirkt alles wie Bullshit.«

»Sie liebt dich.«, brachte ich hervor. Fynns Blick glitt zu mir.

»Du hast es ihr gesagt?«

»Ich war ziemlich wütend, vermutlich kam es dann nicht so romantisch rüber, aber ja.«

Ein Lächeln umspielte seine Lippen, ein ehrliches, anders als die ironischen Lacher zuvor. »Danke, Megan.«


Couple in a roundabout wayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt