Beste Freunde

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Ich war unheimlich müde, als ich Megans Nummer wählte. Benny fragte seit gestern, ob ich den Namen im Kopf hatte und behauptete die ganze Zeit ich würde nicht genug essen.

Er pisste mich an. Alles pisste mich an. Das Essen morgen mit meinem Vater pisste mich an, ich pisste mich schon selbst an. »Wow, du hast gelernt zu normalen Uhrzeiten an zu rufen.«, lachte Megan am anderen Ende der Leitung. Ihre Fröhlichkeit pisste mich auch an, wie damals, als wir uns kennen gelernt hatten.

»Ja.«, brummte ich.

»Was gibt's denn Neues?« Megan wirkte nervös, doch ich hatte keine Lust mich damit herum zu schlagen. Früher hätte mich Joan Jetts Stimme wieder glücklich gestimmt, es hätte bloß extrem laut Bad Repetation oder vielleicht auch Pirates von Bullets and Octane laufen müssen. Doch langsam wurde ich zu fett um durch die Gegend zu hüpfen und Luftgitarre zu spielen während ich auf dem Boden kniete, das Gesicht zur Decke gerichtet. Vermutlich wurde ich auch einfach zu alt dafür.

»Ich bin echt fett.«, behauptete ich. »Benny wirft mir vor ich würde die falsche Musik hören, da mein Baby ja jetzt hören kann.«

»Das klingt für mich eher nach guten Nachrichten, ist es ein Junge oder ein Mädchen?«

»Ein Junge.« Ich seufzte. »Und zurzeit so groß wie eine Honigmelone. Eine Honigmelone, Megan.«

»Was dachtest du denn? Dass es bis nach der Geburt so groß wie ein Pfirsich bleibt?«

Mir wurde schlecht. »Können wir bitte aufhören das Kind mit Obst zu vergleichen? Ich schwöre dir, ich werde nie wieder eins der beiden Früchte essen können.«

»Ein Junge also?«

»Ja.«

»Hast du einen Namen?«

»Bestimmt nicht Charles.«

»Welcher denn?«

»Ich weiß nicht. Was ist zurzeit angesagt?«

»Eve, alles okay bei dir?« Megan klang zögerlich, als hätte sie Angst vor dem, was ich ihr antworten würde.

»Glaubst du man merkt, wenn man den Verstand verliert?«

»Du verlierst deinen Verstand nicht, Kleine.«

»Ich hätte nicht gedacht, dass meine schlechte Laune sich noch verschlimmern könnte, aber im ernst. Ich verliere ihn.« Als sie nichts darauf sagte, sprach ich einfach weiter. »Es fühlt sich an, als würde mir alles wie Wasser entgleiten. Ich habe nichts, an das ich mich klammern könnte und Benny wirft mir nur vor, dass ich mich selbst unter zu viel Druck setze.«

»Tust du es denn?«

Eine simple Frage die mich komplett aus der Bahn warf. Ich rutschte von dem Hocker und füllte mir ein Glas Wasser auf. »Ich werfe mir selbst vor, einen Fehler begangen zu haben.«

»Du kannst ihn Rückgängig machen.«

»Er wird mir nie wieder vertrauen.«

»Das kannst du jetzt noch nicht sagen.«

»Und du kannst jetzt noch nicht das Gegenteil behaupten.«

Megan seufzte. »Wie steht's mit deinen Semesterprüfungen?«

»Ich habe in zwei Tagen wieder eine und dann die nächste am zwölften.«

»Ich habe morgen die nächste, dann wohl noch zwei.«

»Totaler Quatsch das Ganze, in der Schule war es angenehmer.«

»Ja, aber du hättest dann nicht einfach das Land wechseln und drei Wochen lang zu Hause auf der Couch liegen können.«

»Ich frage mich, wie es nach der Geburt aussehen wird.«

»Kommst du zurück nach Amerika?« Ihre Frage war ernst gemeint. Ich wollte, ich wünschte ich könnte.

»Wenn ich mit ihm zurechtkomme. Als Säugling kann ich ihn wohl kaum irgendwelchen Babysittern übergeben nur um studieren zu können.«

»Vermutlich nicht.«

»Bei dir alles okay?«, fragte ich. Ich drehte mein inzwischen leeres Glas auf der Tischplatte herum und überlegte, ob ich in mein Zimmer oder auf das Sofa sollte.

»Ja, klar. Du fehlst mir, Grumpy.«

»Wie liebevoll von dir.«

»Und ich glaube du fehlst ihm auch.«

»Schlechtes Thema, Megan.«

»Ich meine es ernst, Evelyn. Sein Anblick bricht einem das Herz und ich nehme es dir echt übel, dass ich ihn mir so ansehen muss.«

Meine Kehle fühlt sich rau an und statt mich irgendwo nieder zu lassen, füllte ich mir mein Glas wieder bis an den Rand voll mit Wasser. »Ich hätte ihn gern bei mir. In Filmen sehen Schwangerschaften immer so wunderbar aus, wenn der Partner bei einem ist.«

»Das glaubst du wohl selber nicht.«

»Ich will es glauben.«, murmelte ich in den Hörer und ging ins Wohnzimmer um mich auf der Couch auszustrecken. »Aber die Menschen wollen immer das, was sie nicht haben können.«

»Wie geht's deinen Eltern?«

»Oh, keine Ahnung. Mein Vater hat mich für morgen zum Essen eingeladen. Ich soll ihn in seinem Büro abholen.«

»Den stelle ich mir total wie einen Geschäftsmann vor.«

»Richtig so, genauso ist Dad. Wobei Klaus auch ein eigenes Büro hat und Jackson... Im Grunde habe ich vergessen, was genau Jackson jetzt macht.«

»Und Benny?«

»Die Videothek um die Ecke, der Mistkerl kriegt Rabatte und zahlt kaum was für den Verleih.«

»Bei ihm könnt ich mir vorstellen, dass er dir jeden Abend irgendeinen Film aufzwingt.« Ich lachte leise. Mit den Beinen auf dem Tisch strich ich mir über den geschwollenen Bauch.

»Er fängt an zu treten.«, wispere ich. »Irgendwie gruselig.«

»Das wollte ich schon immer Mal miterleben.«

»Lass dich schwängern.«

»Ich dachte da eher daran, dass ich dich besuchen kommen könnte. Nach den Prüfungen, nur für eine Woche, wenn das okay ist.«

Ich war sprachlos. »Ähm.. Ja, klar!« Ich lachte erfreut. »Ich weiß nicht ob es daran liegt, dass die Leute hier in England schrecklich sind oder daran, dass sie mich einfach hassen, aber noch nie wollte jemand so etwas für mich tun.«

»Schätzchen, ich würde noch viel mehr machen, wenn ich könnte.«

»Hast du dir jemals gewünscht, erwachsen zu sein?«

»Ständig, hauptsächlich nur weil ich heiraten wollte und nun stehe ich hier, zweiundzwanzig Jahre alt und Single.«

»Ich weiß nicht mal wieso ich erwachsen sein wollte. Mit sechszehn hatte ich schon perfektionierte Methoden um an Alkohol und an Zigaretten zu kommen und wenn meine Eltern nervten, zog ich entweder zu Leuten, die genauso große Idioten sind wie ich oder zu Benny und Jackson.«

»Vielleicht wolltest du zur Abwechslung Mal irgendetwas legal machen?«

»Ich glaube, sowas hätte ich nicht einer Jura-Studentin erzählen sollen.«

»Vermutlich nicht.« Wir lachten beide leise vor uns hin. »Manchmal habe ich Angst, du würdest Anfangen mich als deine Patientin zu sehen.«

»Wenn das passiert, verlange ich Geld von dir.«

»Das wäre echt krank.«

»Habe ich denn jemals gesunden Menschenverstand bewiesen?«

Couple in a roundabout wayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt