Und obwohl ich den Sonntagabend lieber wie die restlichen vier Tage im Bett oder auf der Couch verbringen würde, schleppte Benny mich zu einem Familienessen. Seiner Meinung nach, würde es mir gut tun, wenn ich mal unter Menschen kommen würde. Genau das waren seine Worte gewesen, direkt nach: »Eve, du kannst doch nicht die hundert Tage lang nichts tun!«
Ich sollte umsichtiger mit ihm sein, immerhin durfte ich bei ihm wohnen, damit ich nicht wieder zu meinen Eltern ziehen musste. Benny gab sich große Mühe mir meinen Aufenthalt in England so bequem und einfach wie möglich zu gestalten. Und ich? Ich trampelte auf ihm herum, als wäre er der Feind.
Der Gedanke verletzte mich, mein eigenes Verhalten verletzte mich.
»Wieso weinst du?«, fragte Benny schockiert. Er sah mich kurz von der Seite an, ehe er seinen Blick wieder auf die Straße richten musste. »Alles okay?«
Ich zog die Nase hoch. »Ich bin so schrecklich.«, stellte ich fest und schluchzte auf. »Du bemühst dich so sehr um mich und ich behandele dich wie meine Mutter.«, heulte ich und wischte mir die Nase am Pulloverärmel ab.
»Du bist ein Idiot, Evelyn Rose Dunkens.«, erwiderte Benny darauf. »Ein großer Idiot.«
»Bin ich nicht, ich behandele dich schrecklich.«
»Ich glaube deine Pubertär war schlimmer, als deine Schwangerschaft - « Er sah mich erneut kurz an und lächelte. »Ich werde es überleben.«
Ich sagte nichts mehr darauf, was hätte ich denn auch? Benny war der beste Bruder, den man haben konnte und zu meinem Leidwesen, war er nicht meiner. Vielleicht war Benny auch nur so gut zu mir, weil er selbst Einzelkind war und seine Mutter eine wahnsinnig gläubige, Kekse backende und strenge Frau war, die mein Verhalten jedes Mal bemängelte. Sie sah mich dabei allerdings nicht abfällig an, wie meine Mutter es tat, sondern ignorierte mich so lange, bis ich ordentlich aussah und mich so auch benahm.
Bennys Mutter behauptete, sie habe der Queen mal die Hand geschüttelt. Die Frau hätte genauso gut am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts leben können, vermutlich hätte sie dort besser hinein gepasst.
»Wie geht's deinen Eltern?«, fragte ich und musterte Bennys Gesichtszüge. Er verzog das Gesicht nicht so, wie ich oder meine Brüder es immer getan hatten, wenn jemand nach unseren Eltern fragte.
»Naja, Mum ist so seltsam wie sie es immer war und Dad handwerkelt an den Autos herum - Im Grunde ist alles wie immer.« Er überlegte einen kurzen Moment, dann lachte er. »Die beiden haben sich 'nen Hund zugelegt.«
Ich zog eine Schnute. Obwohl ich auch so kein großer Fan von Tieren war, außer vielleicht auf dem Teller, zählte ich Hunde zu meinen größten Erzfeinden. Wobei, früher, in meiner brutalsten Teenagerzeit, hatte ich mir Ratten gewünscht. Ich muss wohl kaum erwähnen, dass meine Mutter diesen Einfall nicht sonderlich prickelnd fand. Wir sind vornehme Leute, Evelyn Rose Dunkens! Keine Bauern! Manchmal war Mum echt lächerlich.
Jedenfalls: Hunde. Nicht nur das ich allergisch auf deren dauernd herumfliegendes Fell reagierte, nein, Hunde schienen immer etwas von mir zu erwarten. Das beste Beispiel dafür war Megans Terrierhündin, Spike, die mich jedes Mal, wenn ich ihr begegnete, anstarrte, als würde hätte ich irgendetwas zu Essen bei mir.
Der Hund war das Grauen.
»Ein Hund? Wieso ein Hund?«, fragte ich gekränkt und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Nun ja, sie wollten schon immer mal einen Hund haben, ist auch so ein riesiges Monster, 'ne Dogge?«
Er sah mich kurz mit einem fragenden Blick an, als sei er sich nicht sicher ob er mit der Hunderasse richtig lag.
»Du meinst diese Monsterviecher? Diese Riesen?«
Benny lachte. »Ja, Dad wollte einen Wachhund haben.« Ich fühlte mich von seinen Eltern verraten, gleichzeitig plagten mich allerdings auch Schuldgefühle, dass ich sie noch immer nicht besucht hatte. Das gab ich jedenfalls nicht zu.
Im Radio lief ein Song von James Blunt, die Tatsache, dass der Typ mit scheinbar unendlich vielen Songs über die Liebe auch jetzt über eine wunderschöne Frau singen musste, verfrachtete mich wieder in mein tiefes Loch, in dem ich mich selbst wegen Fynn bemitleidete. Es war keine Woche vergangen und ich wollte schreien, heulen und mich betrinken.
Es schmerzte, dass er nicht mehr hier sein konnte, es schmerzte, zu wissen, wie falsch ich gelegen hatte.
Ich war ein totaler Idiot und sollte mich glücklich schätzen, dass Fynn mich nach dem ganzen Chaos überhaupt noch lieben konnte.
Jedenfalls würde ich mich glücklich schätzen, wenn ich normal beim Verstand wäre, stattdessen brachte ich nicht mehr als depressives im Bett lungern zu Stande. Oder zwanghaft zu meinen Eltern verfrachtet zu werden. Da James Blunt mir definitiv nicht dabei half mit meinem Verlust zurecht zu kommen, wechselte ich den Sender. Und obwohl die Charts nicht viel besser waren als der gute alte James, gab ich es auf, nach einem mir gerechten Song zu suchen und ließ einfach das Laufen, was kam.
Benny warf mir einen kurzen Blick zu, sagte aber nichts darauf. Wir schwiegen so lange, bis er den Wagen vor meinem Elternhaus geparkt hatte. Klaus' Auto fehlte, vermutlich legte sich der Tumult um mein Auftreten wieder. Es wurde wie früher, er fehlte Klaus beim Familienessen, dann würde auch Jackson immer seltener auftauchen.
Dann würde schließlich auch Benny fehlen, aus welchem Grund auch immer und ich würde wieder alleine mit den beiden da sitzen, Jeanettes Geschichten lauschen und allein sein. Mein Herz verkrampfte sich. Alles in mir wehrte sich dagegen auszusteigen und hinein zu gehen. Ich fühlte mich eingeengt, eingesperrt in der kleinen durchsichtigen Kiste, die mich schon so lange eingesperrt hielt.
Benny hatte den Wagen bereits verlassen und betrachtete mich durch die Windschutzscheibe, als ich mich nach wenigen Minuten noch immer nicht rührte, kam er auf meine Seite des Fahrzeugs und zog meine Tür auf. »Eure Majestät, Sie müssen Ihre Kutsche auch verlassen.«, murmelte er und kniete sich neben die offene Autotür. In dieser Position reichte er mir kaum bis zur Schulter, ich starrte auf meine Hände, die ich in meinem Schoß verschränkt hielt.
»Megan hatte Recht.«
»Sie machte auch einen ziemlich intelligenten Eindruck am Telefon.«
»Ich meine aber, dass sie mit der ganzen Situation Recht hatte.« Ich seufzte. »Siehst du Klaus' Wagen?«
Benny sah durch die Fensterscheibe der Tür weiter die Auffahrt hinauf. Er schluckte. »Nein.«
»Und am Ende, werde wieder ich hier bleiben. Alleine, als Einzige.«
»Ich bin doch hier, Eve.«, entgegnete ich.
»Komm schon, niemand kommt freiwillig zum Essen zu meinen Eltern.« Benny lachte leise über meinen Einwurf und richtete sich wieder auf.
»Dieses Mal, sitze ich allerdings nicht im Knast, du kannst auf mich zählen, Eve. Ich bin doch dein großer Bruder.«, bemerkte er noch immer lächelnd.
Ich täuschte ein Lächeln vor, ergriff die Hand, die er mir hinhielt und ließ mir aus dem Wagen helfen. Ich wollte Benny nicht weiter bedrücken, ich wollte niemanden mit meinen Problemen überhäufen.
Ich wollte nach Amerika.
Es tut mir leid, dass ich zurzeit so selten updaten kann, aber im Moment stehen bei mir alle möglichen Klausuren an (für die ich eh nicht lerne, aber sie gerne als Ausrede für meine Antriebslosigkeit nutze xD) Ich versuche öfter zum schreiben zu kommen, allerdings arbeite ich auch neben bei an zwei (nein, drei) anderen Werken, die zurzeit noch nicht online sind und jaa...
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Couple in a roundabout way
HumorLiebesgeschichten hören immer auf, wenn die Protagonisten ihren langen Weg zusammen finden. Doch keiner schreibt darüber, was danach passiert. Denn dann, kommen die wahren Probleme ins Spiel. Evelyn und Fynn, weniger geeignet für eine Lebenslangebin...
