Geburtstagskuchen

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»Happy Birthday to you.«, trällerte ich, während Benny mit einem Kuchen aus der Küche kam. Wir hatten Megans Geburtstag zu meinem Beinahe-Bruder verlegt, jedenfalls den Morgen und Nachmittag, abends wollten meine Eltern ein Familienessen arrangieren, aus welchem Grund auch immer. Vielleicht mochten sie Megan dafür, dass sie nett und höflich war. Wobei schon seit unserer ersten Begegnung klar war, dass Megan das komplette Gegenteil von mir war und somit vermutlich die Traumtochter. Jedenfalls fast, ich wusste nicht, ob es irgendeinen Menschen gibt, der es meinen Eltern Recht machen würde.

Megan lachte. »Hat dir schon mal jemand gesagt, wie schrecklich du eigentlich klingst?« Sie lächelte mir zu.

»Sie hat diese Bemerkung erfolgreich ignoriert.«, entgegnete Benny und stellte den Kuchen ab. »Ich muss ihren Gesang seit sagenhaften zwanzig Jahren ertragen, wobei es vor zehn Jahren noch süß war.« Er drückte mich an sich und gab mir einen Kuss auf den Kopf.

»Ach, knutsch dich selbst ab, du doofe Nuss.«, erwiderte ich bissig und stieß ihn von mir. »Und du hör auf zu lachen und puste endlich deine dreiundzwanzig verdammten Kerzen aus bevor sie Jeanettes Kuchen vollwachsen.«

Und sie hörte auf mich, pustete die Kerzen aus – nach drei Versuchen – und dann setzten wir uns zu dritt auf Bennys Couch und aßen. Ich aß mehr als die beiden, immerhin hatte ich mich in den letzten Monaten in eine totale Fressmaschine verwandelt. Auch wenn Benny etwas unglücklich darüber aussah, dass ich so viel Zucker verschlang, sagte er nichts. Überhaupt sagte er seit Klaus' Auftauchen nichts mehr über meine Essgewohnheiten. Wenn ich Lust auf Nutellabrote mit Vanilleeis bekam, aß ich es. Seit ich nicht mehr bei ihm wohnte, sahen wir uns sowieso kaum mehr als einmal die Woche.

Außerdem war jetzt fast die Hälfte der Zeit um. Vor achtundvierzig Tagen sagte Fynn mir, er würde mich in hundert wieder sehen. Ich konnte es kaum erwarten.

»Findet ihr eigentlich Manny oder Began besser? Ich stehe ja total auf Manny.«

»Was?«, fragte Benny und sah mich argwöhnisch an.

»Euer Shipping-Name.«, erklärte ich mit vollem Mund. »Irgendeinen braucht ihr ja.«

Megan runzelte die Stirn. »Wir brauchen gar nichts.«, erwiderte sie und legte ihren Kopf schief. Ich stellte meinen Teller auf den Couchtisch und schluckte meinen letzten Kuchenbissen herunter.

»Ihr benehmt euch wie ein altes Ehepaar.«, stellte ich fest.

»Tun wir nicht.«

»Tut ihr doch.«

»Nein, Eve.«

»Doch, Benny.« Wir sahen alle einander an. Ich wartete auf Antworten, wieso meine beste Freundin und mein Beinahe-Bruder sich so vertraut waren und die schienen nach Worten zu suchen, mit denen sie mir alles schmerzlos erklären konnten.

»Da läuft nichts zwischen uns.«, stellte Megan fest.

Ich schob meine Unterlippe vor. »Wieso?«

»Was?!« Sie sahen mich beide entgeistert an, jetzt zog ich die Augenbrauen hoch.

»Oh, fuck, mir wird schlecht.«, teilte ich den beiden noch mit, stand schwerfällig auf und hielt meine Hand fest gegen meinen Mund gedrückt, während ich so schnell wie möglich auf das Bad zu steuerte.

Ich schloss hinter mit ab, sodass keiner von den beiden auch nur auf die Idee kam, mir helfen zu wollen. Das letzte, das ich in diesem Moment noch vertragen könnte, war eine versuchte Heldentat, während ich über der Kloschüssel hing. Ich hatte mir nicht mal als Kind dabei helfen lassen, es war einfach bloß widerlich.

Und so kam es, dass ich eine halbe Stunde später immer noch in dem Badezimmer hockte und vom kalten Boden aus hoch an die Decke starrte. Ab und zu bekam ich Bruchstücke von der Unterhaltung zwischen Benny und Megan mit, zu meinem Leidwesen sprachen sie wenig über mich oder deren Beziehung. Dabei schien es schon fast logisch, die beiden schienen sich vertrauter, als sie es hätten sein sollen, beziehungsweise vertrauter, als andere es gewesen wären. Während ich allerdings so auf dem Boden lag und meinen Gedanken nachhing, kam mir die absurde Idee, dass ich es mir vielleicht bloß wünschte, weil die beiden die wichtigsten Personen in meinem Leben waren. Natürlich neben Fynn, aber mit dem hatte ich ein Baby, für ihn wünschte ich mir keine Andere.

Viele Scheidungskinder wünschten sich, dass ihre Eltern wieder zusammen kämen, immerhin zählten die Eltern oft zu den wichtigsten Personen im Leben des Kindes. Vielleicht verhielt ich mich im Moment wie ein Scheidungskind und wünschte mir bloß, dass Manny zueinander findet. Desto länger ich dieser Theorie nachhing, desto konfuser wurde sie.

Zum Schluss, fragte ich mich nur noch, wie ich im Gottesnamen wieder aufstehen sollte. Immerhin war ich fett, nicht speckig, sondern so richtig mit Wampe vorne dran und grade diese Wampe hinderte mich am Aufsetzen. Vermutlich hätte ich einen Weg auf gefunden, wenn ich den kühlen Boden nicht so erfrischend empfunden hätte.

Ich wünschte mir Fynn an meine Seite, der hätte zwar eher auf der Kloschüssel gesessen und damit gedroht mich einzuweisen, wenn ich noch länger der Scheidungskind-Theorie nachhänge, doch er wäre hier bei mir gewesen. Noch zweiundfünfzig Tage.

»Evelyn? Bist du noch am Leben?«, fragte Megan und klopfte gegen die Tür.

»Oh, ja, natürlich.«, gab ich von mir. »Tut mir leid, es ist dein Geburtstag, bin sofort bei dir.« Und mit diesen Worten rappelte ich mich irgendwie auf, putzte mir die Zähne mit meiner Zahnbürste, die ich hatte hier lassen sollen – zum Notfall, falls ich vor meinen Eltern davonlaufen müsste – und verließ das Bad schließlich. Immerhin war ich meiner besten Freundin einen Geburtstag schuldig, an den sie sich mit Freuden erinnern würde. »Wie wäre es mit etwas Sightseeing? Immerhin wolltest du London sehen, wer ist dafür besser geeignet als eine Britin?«

»Eine hochschwangere Britin?«, riet Megan und zog die Stirn kraus.

»Haargenau!«, stimmte ich ihr zu. »Keine Sorge, ich schaffe das, es gibt genug Cafés die wir besuchen können.«

Meine beste Freundin lächelte, ich tat es ihr gleich.

»Ich komme leider nicht mit.«, teilte Benny uns mit und schaltete sich durch die unterschiedlichen Fernsehkanäle.

»Er hasst Sightseeing.«, bemerkte ich und sah Megan von der Seite an. »Ich habe dich sowieso lieber für mich alleine, Brüder nerven.«

»Ich kann dich hören, Königin.«, sagte Benny ohne den Blick vom Fernseher zu nehmen. »Aber Sie haben Recht, eure Majestät, ich bin ein ausgesprochen vielbeschäftigter und müder Mann, sie müssen mir eine Auszeit gönnen.«

»Ist klar, Mr Viel-Beschäftigt. Komm, Megan, ich muss dir noch meine ganzen Lieblingsorte zeigen.« Ich verdrängte den Gedanken, dass ich die meisten von ihnen mit Josie besucht hatte und konzentrierte mich stattdessen auf die Frau vor mir. Ich konnte trauern, wenn Megan in wenigen Tagen abgeflogen war.

OMG ES GIBT VIELLEICHT NUR NOCH 3 KAPITEL

Couple in a roundabout wayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt