Entscheidung

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»Hey, Megan!« Fynn holte mich mühelos ein und verlangsamte seine Schritte um mit mir gleich auf zu gehen.

»Oh, wow, er spricht.«, schnaubte ich und rückte den Gürtel meiner Tasche zurecht.

»Ha, ha – sehr witzig.«, erwiderte er und griff nach meinem Arm. Ich sah zu ihm rauf. Wir standen in Nähe des Sekretariats, zu dem ich Eve damals geführt hatte. Ich sah wieder zu ihm, es ärgerte mich, dass er größer war als ich. Ich hasste es zu Leuten hoch blicken zu müssen.

»Hast du deine Wut gegen mich nun endlich verpuffen lassen?«

Genervt raufte Fynn sich die Haare. Ich wusste, dass es falsch war, so auf ihm herum zu hacken, nach dem er erfahren hatte, dass Eve eine schreckliche Lügnerin war. »Es ist nicht leicht, okay? Ich kann nicht einfach mal in irgendeinen Flieger steigen um nach Eve zu suchen.«

»Ich weiß, aber sie liebt dich und ganz wie es aussieht, tust du es auch.«, versuchte ich ihn aufzumuntern.

»Natürlich liebe ich sie, aber das ganze hier – « Er ruderte verzweifelt mit den Händen durch die Luft. » – ist echt beschissen, ich meine... Sind wir hier bei irgendeinem Scheiß Liebesfilm in dem ich superglücklich losziehen soll und optimistisch als Student in den Zwanzigern ein Kind aufziehen?«

Ich wusste wohin diese Unterhaltung führte. Mit Evelyn hatte ich oft genug darüber gesprochen, ihre Schwangerschaftsschwankungen hatten sie noch unerträglicher gemacht als sie es vorher gewesen war.

»Das letzte, das ich kann, ist für ein Kind zu sorgen und wie soll ich mit Evelyn reden? Hey, ich verzeihe dir, dass du mich belogen, verlassen und scheiße noch mal noch mehr belogen hast?«

»Ich würde es mit Wut versuchen, das ist Eves liebste Therapie.«

»Sie löst auch alles mit Wut, da – oh mein Gott, was wenn ich ein schlechter Vater werde?«

Ich seufzte, ich war definitiv nicht dafür gemacht, Leuten bei ihren Schwangerschaftsproblemen zu helfen. »Dann seid ihr beide grauenvolle Eltern, Fynn, im Ernst, ich kann weder dir noch Eve dabei helfen. Ihr braucht jetzt zwei Dinge: Euch gegenseitig und jemanden der sich mit diesem ganzen Kram ausdenkt. Du hast doch eine Mutter, die ist bestimmt besser dafür gemacht als ich.«

»Scheiße, meine Mutter.« Er ließ den Kopf hängen und sogleich überkam mich ein schlechtes Gewissen.

»Tut mir leid, seid Eve weg ist bin ich so ein undankbares Biest geworden.« Ich seufzte. »Benny kann dir dabei besser helfen, ich gebe dir seine Nummer. Macht einen Termin aus, Platz einfach so bei ihm rein, mach irgendetwas unerwartetes.«

»Und du bist der Ansicht, dass sie mich braucht? Wo sie doch ziemlich viel auf sich genommen hat um mich loszuwerden.«

»Man, Fynn!«, kreischte ich auf. »Sie hat es doch getan, damit du zu Ende studierst und dich nicht um ein Kind den Kopf zerbrechen musst! Niemand versteht Evelyn, aber das hier ist ziemlich klar und eindeutig.«

»Man kann doch studieren und ein Kind groß ziehen.«

Ich zog eine Augenbraue hoch. »Ach ja? Und was ist mit dem Geld? Schon mal daran gedacht, dass es Ewigkeiten dauert um wirklich als Arzt anzufangen?«

Fynn schluckte schwer. »Ich arbeite aber auch neben bei, genau wie sie es getan hat. Es wird kein „Ich erfülle meinem Kind jeden Wunsch"-Leben, aber ich kann für es sorgen.«

»Sie war übrigens ernsthaft am überlegen, ihn Fynn zu nennen, sie ist echt am Ende.«

Er verzog das Gesicht. »Ist ja beschissen.« Ohne etwas darauf zu erwidern, zog ich mein Handy heraus und suchte zwischen den Kontakten nach Bennys Nummer.

»Wollen wir ihn zusammen anrufen oder soll ich dir die Nummer geben und du quatscht alleine bisschen mit ihm rum?«

»Ruf ihn jetzt an.«

»Bitte?«

»Danke.«

»Arschloch.«

»Ich hatte dich netter in Erinnerung.«

»Du bist nicht der einzige, dem es beschissen geht.«, erwiderte ich und drückte auf den kleinen, grünen Hörer, dann reichte ich ihm den Hörer.

Fynn öffnete den Mund um etwas zu sagen, schloss ihn allerdings hastig wieder und reichte mir panisch mein Handy zurück. Ich runzelte die Stirn, doch er schüttelte bloß den Kopf. Ich hob das Handy an mein Ohr.

»Halllooooo...?« Das war nicht Bennys Stimme.

»Eve?«, fragte ich verwirrt und sah entsetzt zu Fynn hoch der nun vor mir hin und her tigerte.

»Megan! Ich bin so froh, dass du anrufst!« Einen Moment schwieg sie, ehe Evelyns Stimme wieder am anderen Ende der Leitung ertönte: »Aber... Ist das hier nicht Bennys Handy?«

»Was machst du an Bennys Handy?«, fragte ich sie.

»Was machst du an Bennys Handy?«, entgegnete meine beste Freundin sichtlich verwirrt und ich konnte förmlich sehen wie sie skeptisch die Stirn kräuselte.

»Ich rufe ihn oft an.«, antwortete ich wie selbstverständlich. »Du lügst mich nämlich ständig an, wenn ich dich frage, wie's dir geht!«, warf ich ihr vor und starrte zu Boden. Fynn lief noch immer hin und her, ich konnte ihn nicht ansehen, da mich sein herum Gerenne nervös machte.

»Ihr Lästerschwestern!«

»Ach, Eve! Sag doch einfach mal wie es dir wirklich geht.«, erwiderte ich sanfter. Gleich darauf brach die härteste Frau, die ich persönlich kannte, in Tränen aus und begann zu schluchzen. Sie weinte und weinte, so sehr, dass es mir das Herz brach und ich das Handy schließlich einfach Fynn in die Hand drückte und mich auf den Weg zu einer Bank in der Nähe machte. Er folgte mir, das Handy am Ohr und lauschte. Seine Gesichtszüge verhärteten sich bei jedem Schritt den er tat mehr und als wir die Bank erreichten, übergab er mir mein Handy wieder und ließ sich neben mich sinken.

»Verstehst du was ich meine?«, schluchzte sie schließlich.

»Liebes, du musst dringend aufhören zu flüchten.«, teilte ich ihr mit. »Hör mal ich muss los, mein Hund jault schon die ganze Zeit und ich hab Elena versprochen sie zum Shoppen zu begleiten.«

»Ähm... ja. Ja, ich sollte aufhören. Danke, Megan. Ich hoffe wir sehen uns bald mal.«

»Spätestens zur Geburt.«

»Spätestens.«, mit diesen Worten legte sie auf und ich sah zu Fynn.

»Tut mir leid, ich wusste nicht, dass sie an sein Handy ran geht.«

»Ich werde fliegen. Nächstes Wochenende und dann komme ich mit dir, wenn sie unser Kind kriegt.«

Ich hatte das Gefühl, als würde ein Stein von meiner Brust fallen. »Sie ist nicht so stark wie sie immer vorgibt.«

»Ich weiß.«, murmelte er. Wir blieben eine halbe Ewigkeit so auf der Bank sitzen, ohne etwas zu sagen oder uns zu bewegen. Ich ließ Fynn die Zeit die er brauchte, um seine Erfahrungen zu verarbeiten. Eve war während ihrer Schwangerschaft schrecklich drauf und ich konnte mir vorstellen, dass sie vieles gesagt hatte, dass er erst durchsacken lassen musste. 


Couple in a roundabout wayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt