28. Die Wahrheit

98 2 9
                                    

Ich werde von Ava nach Hause gefahren.

»Möchtest du, dass ich bei dir bleibe?«, fragt sie, als sie in die Einfahrt fährt. Ihr Blick spricht tiefes Mitleid und Bedauern aus. Die großen, blauen Augen sind mit Sorgen gefüllt. »Ich... ich kann mit reinkommen und...«

»Nein«, antworte ich, als ihr die Worte zu fehlen scheinen. »Ich glaube, ich brauche etwas Zeit, um alleine zu sein.«

Ava nickt mir bekräftigend zu. »Das verstehe ich. Emma, du weißt, dass du dich immer bei mir melden kannst, wenn es etwas ist. Ruf einfach an und ich komme.«

Mir fällt es schwer die Tränen herunterzuschlucken, die danach schreien herausgelassen zu werden. Einerseits möchte ich mich auf den Boden werfen und weinen, bis ich meine letzte Träne aufgebraucht habe, aber andererseits weiß ich auch, dass es mich nicht weiterbringen wird.

Ich nicke und drücke Ava zum Abschied ganz fest an mich. »Du bist die beste, Ava. Nein, die allerbeste. Die allerallerbeste.«

Ava lacht und drückt mich genauso fest zurück. »Dafür gibt es doch schließlich Freunde, oder?«

Als ich aus dem Auto steige, scheint alles so wie immer zu sein. Die Gartenzwerge lachen mich an, als sei nichts geschehen. Jacks Auto steht an genau derselben Stelle, an der es immer steht. Selbst die Vögel, die im Garten friedlich vor sich hin zwitschern, scheinen nichts von alledem, das sich in mir widerspiegelt, zu ahnen. Welch Ironie. Dennoch ist mir nicht zum Lachen zumute. Ganz im Gegenteil. Ich muss wissen, was hier los ist. Was soll das Ganze eigentlich? Hätte hier nicht ein Notruf aus dem Krankenhaus eintreffen müssen? Hätte nicht die reinste Panik ausbrechen müssen? Was ist nur los? Sind sie vielleicht alle schon im Krankenhaus?

Mein Blick gleitet über den Zaun. Nein, das kann nicht sein. Madison spielt im Garten mit ein paar Freunden. Jack und Maria würden Madison doch nie im Leben alleine lassen, wenn sie Reece im Krankenhaus besuchen würden, oder?

Ich laufe auf die Haustür zu. Meine Hand zittert, als ich versuche sie aufzuschließen. Immer wieder fällt mir der Schlüssel aus der Hand, bevor ich es endlich schaffe, die Tür zu öffnen.

Im Wohnzimmer lasse ich meinen Blick durch den Raum schweifen. Der Fernseher läuft. Nachrichten. Es geht um Assad und Putin, wie immer. Mein Blick wandert weiter zu Jack, der auf dem Sofa sitzt und Zeitung liest. Mir fallen beinahe die Augen aus dem Kopf, als ich ihn da so ruhig und gelassen sitzen und Zeitung lesen sehe. Warum rennt er nicht aufgelöst im Zimmer herum? Sollte er nicht in Panik ausbrechen, weinen und - ich weiß auch nicht - im Krankenhaus bei seinem leidenden Sohn sein?

Vielleicht ist Maria ja auch alleine ins Krankenhaus gefahren, meldet sich eine Stimme in meinem Kopf. Aber warum sollte sie?

Ich räuspere mich, um seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Vermutlich hat er mich noch nicht bemerkt. Er schaut überrascht zu mir auf. »Oh. Hallo Emma. Wie war die-«

»Hallo«, unterbreche ich ihn, fühle mich aber sofort schlecht deswegen. Ich versuche mir einzureden, dass jetzt nicht der Zeitpunkt dafür ist. Wenn ich das nicht sofort kläre, drohe ich zu platzen. Ich werde mich einfach später bei Jack entschuldigen. »Ähm... Weißt du wo Maria ist?«

»Maria ist in der Küche«, antwortet er. Ich kann ihm die Verwirrung von den Augen ablesen. Aber bevor er noch etwas sagen oder auch fragen kann, laufe ich dankend aus dem Wohnzimmer in Richtung Küche.

So langsam spüre ich die Verzweiflung in mir aufsteigen. Mein ganzer Körper zittert vor Angst. Mich überkommt das Bedürfnis, mich einfach auf den Boden zu legen, zu weinen und mich dabei in den Schlaf zu wiegen, bis ich aus diesem Albtraum erwache.

A Story of Broken HeartsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt