»Reece?«
»Mmh?« Er schaut von seinem Spiel auf und sieht mir in die Augen. Ich bemerke, dass seine Figur im Spiel gerade abgeschlachtet wird, aber ihn scheint das eher weniger zu interessieren, denn sein Blick liegt interessiert auf mir.
Ich lächle innerlich. Das heißt doch was Gutes - ich meine, wenn der Typ sein Spiel einfach so für dich aufgibt? Immerhin sind Jungs soweit ich weiß süchtig nach solchen Spielen und nicht so leicht davon abzubringen.
Wir sitzen beide auf seinem Bett in seinem Zimmer. Während er an seiner Konsole spielt, liegt mein Kopf auf seinen Beinen. Bis jetzt habe ich ihm zugeschaut, wie er seine Gegner in kleine Teile zerlegt, durch eine Wüste gefahren und einmal angeschossen wurde, aber mir ist gerade ein Gedanke gekommen. »Du hast dich doch in mich verliebt, oder?«
Reece starrt mich für einige Sekunden einfach so an.
»Was soll diese Frage schon wieder?«, stöhnt er und runzelt die Stirn. Ich glaube, er wünscht sich gerade das Spiel nicht abgebrochen zu haben. Zu spät.
»Antworte einfach«, sage ich und halte seinem Blick stand. Reece hasst es, wenn ich ihm solche Fragen stelle - zugegeben, ich nerve vielleicht ein wenig damit, aber ich bin eben ein sehr unsicheres Mädchen. Er rollt mit den Augen und antwortet: »Ja habe ich, Em, das weißt du doch schon.«
Er scheint beschlossen zu haben, dass dieses Gespräch nicht ganz so wichtig ist und widmet seine Aufmerksamkeit wieder dem Spiel. Ich seufze. »Warum?«
»Warum was?«, fragt er zurück, schaut dabei aber weiterhin auf den Bildschirm, auf dem er ein paar komische Dämonen abschlachtet, während er an seinem Piercing herum kaut. Ich schaue zu ihm auf und atme tief ein uns aus. »Warum hast du dich in mich verliebt?«
»Emma«, stöhnt er, spielt dabei aber weiter. »Muss das jetzt sein?«
»Bitte, sag es mir«, flüstere ich. »Ich muss es hören.«
Ich bin ein Mädchen mit Komplexen und Selbstzweifeln. Manchmal, egal wie dumm es klingt, muss ich es einfach hören. Ich muss hören, was Reece an mir liebt. Ich muss hören, welche Eigenschaften er an mir mag.
Reece seufzt, legt sein Gamepad zur Seite und schaut zu mir herunter. Sein Mundwinkel hebt sich zu einem halben Lächeln, als er eine Hand an meine Wange legt und murmelt: »Ich fühle mich wie ein Lappen, wenn ich so einen Stuss von mir gebe, Em.«
»Ich weiß«, antworte ich leise, lächelnd. »Aber ich höre es einfach zu gerne. Du hast es mir noch nie wirklich gesagt.«
Er presst die Lippen aufeinander und sieht mich lange einfach so an. Bis er schließlich sagt: »Ich liebe deine Augen.«
»Meine Augen?«, frage ich irritiert, kann mir ein Lachen aber nicht verkneifen. Romantik ist nicht unbedingt Reeces Stärke. Doch wer braucht schon Kitsch und Romantik, wenn man einen Reece hat? Wenn man Mr. Perfect hat?
»Ja, deine Augen«, antwortet er und lächelt, als er mir in die Augen schaut. »Sie sind so dunkel und groß. Manchmal weiß ich gar nicht wo deine Pupille aufhört und die Iris anfängt.«
»Okay«, antworte ich kichernd und schaue ihn an, dann dränge ich ihn. »Weiter, weiter.«
Sein Lächeln verwandelt sich zu einem breiten Grinsen, als er mir durch die Haare streicht. »Ich liebe dieses kleine Muttermal hier.«
Er tippt auf eine Stelle an meiner Wange. Genau da wo mein so verhasstes Muttermal ist - ich weiß nicht genau wieso ich es so hasse, aber es stört mich einfach im Gesicht. Reece lässt seinen Blick über meinen Körper wandern und listet Dinge an meinem Körper auf, die er liebt und manchmal sagt er auch warum er sie liebt. Und für kurze Zeit - für ganz ganz kurze Zeit - habe ich das Gefühl mich selbst nicht mehr ganz so hassen. Habe das Gefühl, dass ich schön sei, weil Reece mich das denken lässt.
»Ich liebe dein Lachen«, zählt er weiter auf, als ich ihn weiterhin erwartungsvoll anschaue. »Emma, ich verliere hier gerade Stück für Stück meine Männlichkeit. Tu mir das nicht an.«
Ich fange an zu lachen und setze mich auf, während ich die Arme um ihn schlinge. »Danke Reece. Du weißt gar nicht wie viel mir deine Worte bedeuten. Ich liebe dich.«
»Ich liebe dich auch, Küken«, antwortet er und drückt mich fester an sich. »Und jetzt bist du dran mit aufzählen.«
»Nächstes Mal«, antworte ich fies lachend. »Dann-«
»Emma!«, ruft jemand und rüttelt mich unsanft an den Schultern, während er immer wieder meinen Namen flüstert. Aber ich möchte nicht aufstehen, möchte nicht von Reece gerissen werden, ich möchte bei ihm bleiben. Hier in meiner Traumwelt, in der er immer sein wird und immer gesund war, ist und sein wird.
Ich denke zurück an gerade, als ich mit Reece in seinem Zimmer lag. War es wirklich nur ein Traum oder war es eine Erinnerung? Ich weiß es nicht mehr genau. Einerseits fühlte es sich so echt an, andererseits wirkte alles wieder so verschwommen. Die Grenze zwischen Realität und Traum scheint zu verschwimmen. Ich weiß langsam nicht mehr was sich wo abspielt. Manchmal, da weiß ich nicht einmal mehr wo ich mich gerade befinde.
»Emma, wach auf!«, ruft die Stimme jetzt und klingt wesentlich dominanter. Stöhnend lasse ich zu, dass ich jetzt komplett loslasse von meinem schönen Traum. Bewege mich nicht mehr in meiner sichereren Traumwelt, aber auch nicht mehr in meiner Zwischen-Traum-und-Realitäts-Sphäre.
Ich öffne noch leicht benebelt die Augen.
»Was?«, frage ich verwirrt und reibe mir die Augen, als ich Maria vor mir sehe, mit großen, glänzenden Augen. Ich sehe sie an und gähne, immer noch müde vom vielen weinen und wach bleiben. Ava hatte recht, ich hätte mehr schlafen sollen.
»Was ist los?«, frage ich noch einmal, die Augenlider träge, aber immerhin wach. Ich unterdrücke ein erneutes Gähnen.
»Reece«, flüstert sie und starrt mich an. »Er... er ist...«
»Er ist was?«, frage ich nun, die Stimme hebend und mich ruckartig aufsetzend. »Maria, was ist mit Reece?«
»Er schläft noch, aber die Ärzte meinten, dass bis jetzt alles gut aussieht«, flüstert sie. »Sie meinten, dass er vermutlich erst morgen wach werden wird wegen der Narkose, aber die OP an sich soll gut verlaufen sein.«
»Heißt das, dass er überleben wird?«, frage ich fassungslos. Maria beißt sich auf die Unterlippe und zuckt mit den Schultern. »Die Möglichkeit auf Nebenwirkungen besteht immer noch, aber da er den Eingriff überstanden hat, ist die wohl größte Hürde überwunden.«
Ich springe auf und starre sie an. »K-kann ich ihn sehen?«
»Gleich«, antwortet sie. »Wäre es Okay, wenn Jack, Maddy und ich kurz alleine mit ihm sind? Ich glaube die Kleine braucht diese Zeit.«
»Oh«, sage ich leicht enttäuscht, andererseits kann ich es ziemlich gut verstehen. Ich gehöre immerhin nicht richtig zur Familie und Reece ist gerade ebenso dem Tod entkommen. Natürlich brauchen sie da Zeit für sich. Ich nicke. »Na klar. Lasst euch Zeit. Ich... äh, ich warte hier mit Ava bis du mich rufst.«
Maria nickt und lächelt, dann drückt sie mich kurz ein letztes Mal bevor sie davon geht. Ich lasse mich wieder auf die Bank neben Ava fallen und sehe sie an. Ihr Blick ruht auf mir, als sie mich abwartend mustert, anscheinend darauf bedacht was ich als nächstes vorhabe.
»Er... lebt«, sage ich mit brüchiger Stimme. »Oh Gott, Ava, hast du das gehört? Er lebt.«
Ich kann nicht verhindern, dass mir erneut Tränen aus den Augen brechen, wie Wasser aus einem Damm, als ich Ava fest an mich drücke. Ja, ich weine schon wieder. Aber diesmal sind es Freudentränen.
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A Story of Broken Hearts
RomanceEmmas Traum geht in Erfüllung und sie darf endlich ein Jahr im Ausland verbringen. Neben neuen Freunden, Erfahrungen und einer Liebe lernt sie auch die Schattenseiten des Lebens kennen. Kann ein gebrochenes Herz je wieder heilen?