Der Brief von Dr. Shirvington kam vor ein paar Tagen mit der Post an. Maria hat ihn hereingeholt und angefangen vor Freude zu weinen und herum zu schreien. Man merkt sofort, dass ihr die Bindung zu ihren Kindern enorm wichtig ist. Sie hat uns alle herbeigerufen und dann laut und stolz den Brief vorgelesen. Natürlich haben wir uns alle tierisch gefreut. Sogar Reece, auch wenn er es nicht zugeben mag. Ich weiß nicht mehr genau was im Brief stand, aber das wohl wichtigste daran war, dass endlich ein Spenderorgan für Reece zur Verfügung steht.
Er soll in zwei Wochen operiert werden. Ich glaube ich war noch nie so erleichtert und glücklich wie in diesem Augenblick, als ich die Nachricht gehört habe.
Ich muss zugeben, dass ich bereits fast am Durchdrehen war, weil ich schon gedacht habe, dass es am Ende daran scheitern wird, dass die Ärzte kein Organ zur Verfügung haben. Es hat immerhin fast zwei ganze Monate gebraucht bis dieser Brief endlich ankam. Reece musste ab und zu zur Untersuchung in Dr. Shirvingtons Praxis, damit sicher war, dass er nicht so krank war, dass er jeden Moment tot umfallen würde.
Wenn es hart auf hart gekommen wäre, hätte ich alles getan, um Reece diese Operation zu ermöglichen. Ich hätte wohl sogar mein eigenes Herz gespendet, wenn das hieße, dass Reece überleben würde. Natürlich nur, wenn das auch möglich wäre. Aber glaubt mir, ich hätte es nie einfach so hingenommen, dass Reece ohne eine Möglichkeit auf eine Operation von uns gehen würde. Ich will mir dieses Szenario gar nicht erst vorstellen.
Reece und ich sind heute Einkaufen gewesen, weil Maria noch einige Sachen für das Weihnachtsessen benötigt. Naja, noch sind wir nicht ganz fertig. Wir stehen auf dem Parkplatz hinter dem Supermarkt, kommen mit einem voll beladenen Korb wieder heraus. Zugegeben, wir beide haben uns ein bisschen kindisch verhalten im Laden. Ich glaube die Frau an der Kasse war ganz froh, als wir endlich fertig waren mit unseren Einkäufen. Zwei Teenager die mit Eierkartons und Mehl Wer kann mehr tragen spielen, sind nicht ganz so lustig. Vor allem nicht, wenn man Nachtschicht in einem vierundzwanzig-stunden-lang geöffnetem Supermarkt hat.
Reece sieht mich unsicher an, als ich hinter ihm her schlürfe, mit dem schweren Korb in den Händen. »Em, das sieht nicht gut aus. Lass mich den Korb tragen.«
»Nein!«, rufe ich und drehe mich um, damit er den Korb, nach dem er gerade zu greifen versucht, nicht in die Finger bekommt. Vielleicht mag ich leicht erbärmlich und schwächlich aussehen, aber ich tue es für ihn. Ich lächle ihm zu, als ich mich wieder zu ihm drehe und sage: »Nichts da. Ich trage ihn. Guck mal, dahinten ist schon das Auto. Das bisschen schaffe ich.«
Er seufzt und verdreht die Augen. Natürlich sieht er immer noch nicht ganz überzeugt aus. Ich mühe mich vielleicht ab mit diesem Korb, aber so schwer ist er eigentlich nicht. Wahrscheinlich bin ich einfach zu schwach. »Ich liebe dich, Emma, aber ich glaube du-«
»Na, wen haben wir denn da?«, ruft plötzlich eine Stimme. Mir kommt die Stimme am Anfang zwar bekannt vor, dennoch kann ich sie nicht einordnen. Reece und ich zucken mitten in unseren Bewegungen zusammen und drehen uns um. Wir tauschen einen letzten Blick aus, bevor unsere Blicke auf den Jungen vor uns fallen.
Och nö.
Lucian.
Neben ihm stehen zwei andere Typen, mit denen ich Reece auch ab und zu in der Schule gesehen habe. Ich fand sie, um ehrlich zu sein, schon immer ziemlich einschüchternd. Und jetzt wo wir auf einem dunklen Parkplatz stehen, abgeschieden von allem und jedem, machen sie keinen freundlicheren Eindruck auf mich. Ich schaue Reece an und seufze: »Sieh mal an. Deine Freunde.«
»Sie sind nicht meine Freunde«, knurrt Reece zurück und stellt sich direkt neben mich, als würde er versuchen mich von ihnen fernzuhalten. Ich spüre seine Hand an meiner Hüfte, die mich noch mehr an ihn drückt. Verwirrt schaue ich zu ihm auf. Was ist los mit ihm? Na klar, habe ich etwas Angst, aber was glaubt er denn? Dass Lucian mit einem Messer auf uns losgeht?
DU LIEST GERADE
A Story of Broken Hearts
RomanceEmmas Traum geht in Erfüllung und sie darf endlich ein Jahr im Ausland verbringen. Neben neuen Freunden, Erfahrungen und einer Liebe lernt sie auch die Schattenseiten des Lebens kennen. Kann ein gebrochenes Herz je wieder heilen?