XVI. 3. Schlangengesang und Hahnenschrei

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Kapitel 3


Tom schleppt sich durch die Flure von Hogwarts. Jeder Schritt ein Kampf. Bereits unten in der Kammer hat er ein Pillenfläschchen geext und er kann es nicht erwarten, gleich in seinem Zimmer ein weiteres folgen zu lassen. Sonst weiß er nicht, wie er das abgrundtiefe Entsetzen und den unbändigen Zorn ertragen soll, die in abwechselnden Wellen durch seinen Körper schwappen.

Daisy ist fort. Sie hat ihn verlassen! Sie, das Zeichen seiner Macht. Dieses undankbare Biest!

Bloß, weil er nicht persönlich Hand an die Hähne gelegt hat. Dabei hat er sich so bemüht! Hat unter all seinen Anhängern in Hogwarts den Fähigsten ausgewählt – aber auch der ist eben nicht gut genug. Keiner von ihnen reicht an seinen Meister heran. Als hätte er es nicht geahnt, dass auf niemanden wirklich Verlass ist! Da hätte er doch lieber gleich selbst – aber nein, ihn trifft keine Schuld! Er hat schließlich einen Ruf zu wahren. Was kann er dafür, wenn Daisy für so etwas das Verständnis fehlt?

Sie hätte die Wahrheit niemals erfahren müssen! Aber auch hier ist sie selbst schuld, dass ihm das verräterische Wort entschlüpft ist. Was musste sie ihn so bedrängen? Diese unvermittelte Knutscherei – lächerlich! Und einer Basiliskin völlig unwürdig. Wenn er ein Haustier zum Knutschen wollte, hätte er sich einen Knuddelmuff angeschafft!

Es ist also alles allein ihre Schuld, klar und eindeutig. Aber dennoch ist es sein Problem. Daisy ist fort! Was wird dieses undankbare Biest dort draußen in der Welt anstellen? Wie will sie überhaupt alleine zurechtkommen? Sie wird sich noch wundern, wenn sie feststellt, dass es in der Welt von Hähnen nur so wimmelt und niemand da ist, der sie ihr vom Leib hält! Aber dann ist es zu spät. Und wie viele streng gehütete Geheimnisse werden bis dahin bloß durch ihren Ausbruch ans Licht kommen?

Nein, er darf Daisy unter keinen Umständen allein dort draußen herumkriechen lassen. Er muss sie zurückholen! Dafür braucht er erst einmal mehr Pillen, dann wird sein genialer Geist schon von ganz allein einen hervorragenden Plan austüfteln ...

Doch als er sein Zimmer erreicht, wird er bereits erwartet. Jemand lehnt neben der Tür und blickt ihm mit selbstgefälligem Grinsen entgegen. Erst auf den zweiten Blick erkennt er Bartemius Crouch Junior. Toms Hände ballen sich zu Fäusten.

„Und, Sir, sind Sie mit meiner Arbeit zufrieden?", erdreistet der Junge sich doch tatsächlich zu fragen.

„Zufrieden?!" Toms wütendes Knurren hallt von den Wänden wider. „Sie haben meinen Auftrag ja wohl gründlich missverstanden, Crouch! Warum haben Sie auch die Hennen getötet?"

„Oh, ich mache da keinen großen Unterschied." Der Junge wirkt reichlich unbeeindruckt. „Huhn ist Huhn. Außerdem haben Sie mir doch selbst bestätigt, dass ich ALLE erledigen soll. Es wäre keine sehr gründliche Arbeit gewesen, die Hennen am Leben zu lassen. Lebende Hennen legen Eier, die bringen neue Hähne hervor, Sie wissen schon, Sir. Davon abgesehen wäre es auch nur der halbe Spaß gewesen."

„Spaß?! Denken Sie etwa, Sie töten hier zum Vergnügen?"

„Ja, schon. Womit ich auch bei meiner eigentlichen Frage wäre: Welche Tiere darf ich als nächstes verschwinden lassen?"

„Was?!" Tom muss erst einmal nach Luft schnappen. Solche Mordlust kennt er ja nicht einmal von Bellatrix. „Hören Sie zu, Bartemius–"

„Bart!"

„Nichts da! Das Recht auf freie Wahl des Namens müssen Sie sich erst einmal verdienen. Also, hören Sie mir zu. Wenn ich Ihnen einen Auftrag gebe, erwarte ich, dass Sie ihn exakt ausführen! Exakt, verstehen Sie? Nicht weniger, aber auch nicht mehr als das, was ich Ihnen aufgetragen habe. In diesem Fall: Der Hahn, der Hahn und nicht die Henne – kennen Sie das nicht? Haben Sie mich verstanden?!"

Professor Riddles ScheiterhaufenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt