Kapitel 8

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»Sonderlich viel gibt es nicht zu packen.«, war meine Antwort.

Ich lebte in einem Deja Vu, in dem ich abermals mit kaum Habseligkeiten an einem Ort gestrandet war. Ich lebte aus einer kleinen Sammlung an Klamotten, die ich vor wenigen Tagen aufstockte, indem ich einen Teil meines winzigen Budgets für Unterwäsche und T-Shirts ausgab. Die Tasche wäre also in fünf Minuten eingeräumt.

Die stürmischen Arktissplitter in Reapers Augen wirkten ebenso atemberaubend wie die Milchstraße im Sternenhimmel New Mexicos. »Umso besser. Das heißt, wir sind gegen Mitternacht im Club.«

Die texanische Kleinstadt hatte ich auf meiner Fahrt nicht auf direktem Weg erreicht, viel eher war es das Ergebnis einer ziellosen Erkundungstour durch die Südstaaten, sodass ich erst später realisierte, dass ich mich weniger als sechs Autostunden vom Hauptsitz der Haydes Hells aufhielt.

»Ich möchte ungern sofort aufbrechen.«, gestand ich Reaper. »Einerseits halte ich es für unverantwortlich die Nacht durchzufahren, nachdem wir beide bereits den ganzen Tag auf den Beinen sind, aber viel wichtiger ist mir, nicht einfach von hier abzuhauen.«

Die strenge Erziehung meiner Eltern, fragwürdige Methoden, die ich nie an meine eigenen Kinder weitergab, würde ich jemals welche haben, aber die mir doch bedeutsame Werte vermittelt hatten, untersagte mir, mich nicht angemessen zu verabschieden. Allen voran von der Frau, in deren Haus ich gewohnt und die uns jetzt von der kleinen Treppe vor ihrer Haustür beobachtete.

Unsicher schluckte ich.

Indem ich Reaper begleitete, brach ich das Zugeständnis, dass ich ihr vor wenigen Tagen gab. Dass ich ihr nie einen Mann weggenommen hatte. Zu meinem Erstaunen zeigte ihr Gesicht jedoch keine Enttäuschung. Oder Wut. »Wie mir scheint, kann ich zukünftig wieder ruhig durchschlafen.«, meinte sie, da ich mich von Reaper gelöst und zurück zum Haus gegangen war.

»Es tut mir leid, um all den Ärgern, den du mit mir hattest und... wegen ihm.« Obgleich in ihren dunklen, an geröstete Kastanien erinnernden Augen keinerlei Groll zu lesen war, so litt sie dennoch unter einer Liebe, die nie greifbar wäre.

Melanie verdrehte eben diese Augen. »Mach dir nicht ins Hemd. Er ist auch nicht das Maß der Dinge.« Sie bemühte sich, ernst zu klingen, doch der trotzige Ton stand auf brüchigen Säulen.

Reaper hatte sich nicht von seiner Harley gerührt, aber das unverkennbare Prickeln in meinem Nacken verriet mir, dass er uns beobachtete.

»Lass ihn das besser nicht wissen.«, antwortete ich.

Ihre Aussage hätte sein Ego nicht gekränkt, dafür war es zu weit fortgeschritten, doch er würde darüber lächeln wie ich.

Die Tasche im Wohnzimmer, deren Inhalt ich ohnehin nie ausräumte, war schnell zusammengepackt. Ebenso wie die restlichen Artikel wie Zahnbürste und Shampoo aus dem Gästebadezimmer. Auf meinen Wunsch hin, heute nicht zum Club zurückzukehren, hatte Reaper nicht widersprochen, gleichzeitig war unausgesprochen klar, dass ich die Nacht nicht hier verbringen würde. Um mir folgen zu können, nachdem er mich ausfindig gemacht hatte, brauchte er eine Unterkunft in der Nähe, die uns heute beiden zur Verfügung stand. Es gab einiges, über das wir noch reden müssten. Allein. Bevor wir zurück nach Hause fuhren.

Nach zehn Minuten trat ich aus der Haustür und wurde Zeugin, eines Gesprächs zwischen zwei ehemaligen Geliebten. Mit gewahrter Distanz zueinander, aber nicht feindselig, wie ich es befürchtet hatte. Sie stoppten, sobald ich mich näherte.

»Danke, Mel«, verabschiedete ich mich. »Vielleicht ... sieht man sich mal.«

»Hoffentlich nicht.« Erneut passte ihr Ton nicht zu ihren Worten. Doch dieses Mal war es das überspannte, theatralische Seufzen, dass mir verriet, sie und ich standen tatsächlich auf friedlichem Terrain. Irgendwo in der Grauzone zwischen Waffenstillstand und flüchtigen Bekanntschaften. »Dann müsste ich mein Essen wieder teilen und meine Couch.«

Burn For You 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt