Kapitel 1

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Na, habt ihr mich vermisst? Ich euch auf jeden Fall. Ich kann nicht glauben, wie viel Liebe ihr Band 1 entgegen gebracht habt - tausend Dank! ❤️ Und jetzt viel Spaß beim wieder Eintauchen.


Er würde mich nicht weh tun. Oder doch?

Nein.

Nein, er hatte mich angefleht, zu bleiben und auch wenn ich Zeugin dieses schrecklichen Aktes geworden war, so hatte er mir nie ein Haar gekrümmt.

Ich war zu weit entfernt, als das er mich finden würde.

Reaper war Geschichte.

Indem ich mir das immer wieder ins Gedächtnis rief, blieb ich bei Sinnen. Und wach. Ich hatte kaum mehr als ein oder zwei Stunden geschlafen, zum Einen da die Rückbank unbequem war und das Auto in der Nacht rasch auskühlte, aber vordergründig, weil ich aus dem kurzen Schläfchen schweißgebadet aufgewacht war. Verfolgt von den grausamen Bildern in meinem Kopf. Ich würde sie nicht so schnell loswerden.

Bevor die Sonne über den Horizont trat, holte ich mir in der Tankstelle ein Frühstück, das ich im Wagen verdrückte. Es brauchte dringend einen Plan, der mir aufzeigte, wie ich ab jetzt weiter machen sollte. Wo reiste ich hin? Wo kam ich unter? Fest stand, dass ich weder nach St. Johns noch zurück ins Chapter fuhr. In beide Orte würde ich nie wieder einen Fuß setzen. Doch egal, wohin es mich trieb, unüberlegtes Handeln würde mir einen Neustart erschweren und Ressourcen kosten, die ich nicht verschwenden durfte.

Was ich außerdem brauchte, war Geld. Und ein Job. Im Cerberus Gate stand mein Trinkgeldbehälter, der sich mit jedem Tag weiter gefüllt hatte, aber dieses kleine, dennoch wichtige Vermögen würde ich nie wiedersehen. Die einzigen Ersparnisse, zu denen ich uneingeschränkten Zugang hatte, warteten auf dem Bankkonto, bei dessen Eröffnung mir Ashley half, sobald ich alle notwendigen Dokumente des Anwalts erhalten hatte. Irgendwohin musste mein von Mandy aufgestocktes Gehalt nach der Beförderung hinfließen. Zum Glück steckten in der Geldbörse in meiner Tasche die Kreditkarten und Ausweisdokumente, die mir eine Weiterreise erleichterten. Mit dem restlichen Bargeld konnte ich wenigstens den Tank ausreichend füllen, um weiterzufahren.

Als ich das nächste Mal anhielt, strandete ich in einem Örtchen namens Odessa. Im Handschuhfach des Trucks lag eine Landkarte, die mir den genauen Standort nach einer Weile des Suchens in all dem Wirrwarr aus Städtchen und Straßen verriet. Die Länge der Fahrt – sei es gestern Nacht oder heute Morgen – hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht einzuschätzen vermocht, die Landschaftszüge und Stunden waren an mir vorbeigerauscht, wie die Laster auf der Interstate, aber es war eine Ewigkeit gewesen.

Ich war in Texas.

Die Stadt war groß, zumindest für meine Verhältnisse, lebten in St. Johns doch lediglich etwas über 350 Menschen, 80 Kühe und Schafe und mindestens genauso viele Gartenzwerge. In dieser texanischen Gemeinde boten sich mir zahlreiche Gelegenheiten, einen Neuanfang zu finden – nochmals. Doch gleichermaßen schüchterte mich die Umgebung ein. Ich kannte niemanden, war zwar das Leben im Chapter und unter Fremden gewohnt, aber es war kein Vergleich, sich außerhalb des großen, behütenden Zauns zurechtzufinden. In einer Welt, die keinerlei Extreme verkörperte, sondern die Normalität präsentierte.

Für weitere Minuten passierte ich die Straßen, Einkaufsmeilen und stoppte auf Parkplätzen, auf der Suche nach einem Anfangspunkt. Einer Bleibe. Weiterhin das Auto zu bewohnen, glich nichts weiter, als einer Notlösung. Es war weder komfortabel noch sicher.

Dank der unzähligen Filmnächte mit Ashley, allein der Gedanke daran schnürte mir vor Wehmut die Kehle zu, hatte ich mir einiges an Basiswissen über das Leben, in das ich eindrang, angeeignet. Unter anderem, dass Gestrandete wie ich Übernachtungsmöglichkeiten in Auffangstationen wie Hotels und Motels fanden.

Burn For You 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt