Kapitel 25

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Hoch am Himmel, wie ein gleißender Feuerball, der die weite Steinwüste von New Mexico in ein flimmerndes Inferno verwandelte, stand sie. Keine Wolken trübten den Anblick, lediglich einige Greifvögel vollzogen in den Strahlen ihre Flugkünste. Die Luft flirrte vor Hitze – von Wind fehlte jede Spur - und ließ die Landschaft in surrealen Wellen tanzen. Geregnet hatte es schon seit Wochen nicht mehr. Die Erde war trocken und rissig, als hätte die Hitze sie in einer unnachgiebigen Umarmung zerdrückt, jede Pore ausgetrocknet, bis nur noch staubige Spalten übrig blieben. Struppiges Gestrüpp, verdorrt und grau, klammerte sich verzweifelt an die kargen Risse zwischen den Felsen, als ob es sich vor dem drohenden Sonnenbrand verstecken wollte. In der Ferne erhob sich eine schimmernde Reflexion, ein trügerisches Versprechen von einer Kleinstadt, die tatsächlich eine Stunde entfernt lag. Jeder Schritt durch diese rostbraune Einöde war schwer, jeder Atemzug – trocken und heiß - schien die Lungen zu verbrennen, als würde man Feuer einatmen.

Und doch lag eine raue Schönheit über dieser steinernen Wüste, eine lautlose Majestät, die von der unbändigen Kraft der Natur erzählte. Es war eine Landschaft der Extreme, der brutalen Hitze und der kalten Nächte, der kargen Schönheit und der stillen Gewalt. Hier in dem von Felsen umzäunten Einod schien die Zeit stillzustehen, jeder Augenblick dehnte sich zu einer Ewigkeit unter der unbarmherzigen Sonne.

Aber wir alle wussten, dass die Zeit nicht eingefroren werden konnte und seit der Razzia schien ich jedes Zeitgefühl verloren zu haben. Ich hatte nicht einmal eine Ahnung davon, wie viele Tage vergangen waren. Nächte wurden zum Arbeitstrott, Stunden verschwammen ineinander und Schlaf entwickelte sich zu einem seltenen Gast, den man für jede Minute, die er einen besuchte, würdigte.

Auf Reapers gemeißeltem Gesicht zeigte sich ein einziger Makel in dunklen Schatten unter den hellen Augen, die durch das Licht um Nuancen klarer wirkten. Stand ich nah genug, war es mein Spiegelbild, dass seine Iris ausfüllte.

Er wartete auf dem Kiesweg, ein graues Band in dem kniehohen Feld aus Weizen, dass sich farblich in die sandige Natur dieses Plateaus einfügte. Arme vor der Brust verschränkt, Blick starr auf die Straße gerichtet, auf die wir bald zurückkehren würden. Wo seine Gedanken gerade festhingen, wusste ich. »Wir werden Waylen keinen Grabstein setzen.« Meine Arme umschlossen seine Taille. »Noch nicht.« Mit dem ganzen Gewicht lehnte ich mich an ihn, bot ihm den Widerstand, das Gesicht an seinen warmen Rücken geschmiegt.

Waylen lag im Moment auf der Krankenstation, in seinem Bauch eine klaffende Fleischwunde. Pyros hatte in einer komplizierten mehrstündigen Operation zwei Kugeln aus seiner linken Seite entfernt und nun kämpfte der Mann um sein Leben. Laut dem Doc ein reines Glücksspiel. Waylen war kein vollwertiges Mitglied, aber stand als Prospect kurz vor der Aufnahme in den Club, zu dem er über ein Jahr zuvor gefunden hatte, nachdem seine Frau ihn verließ. Ein Auftrag – Begleitschutz für eine Waffenlieferung aus Venezuela, von Carlos verschafft und als Verantwortlicher durchgeführt – sollte die Abschlussprüfung für den Anwärter darstellen. Alles verlief nach Plan, bis die Kolone am Ziel von einem Hinterhalt überrascht wurde. Die Angreifer: Saccones Männer. Im Schusswechsel behaupteten sich die Haydes, jedoch nicht ohne Verluste. Waylen hätte eine Chance am Leben zu bleiben, wenn er hart genug kämpfte, doch ein anderer Bruder wurde noch in seinem eigenen Blut in Hades Obhut übergeben.

Eine schmerzhafte, dunkle Nacht in der Geschichte des MC.

Nachdem der medizinische Eingriff des Propects vorüber war, wurde ich Zeugin eines der wichtigsten Rituale des Motorradclubs. Der Beisetzung eines Bikers.

Sobald durch Pyros Archies Tod bestätigt wurde - notwendig, wenn auch überflüssig bei dem Blutverlust des Mannes - übernahm er die Aufarbeitung des Leichnams. Hatte der Tote Angehörige im Club, dann widmeten auch sie sich dieser herzzerreißenden Aufgabe. Gewaschen und befreit von den Zeichen seines Ablebens, gekleidet in frische Kleidung, wurde er für die Erdbestattung aufgebahrt. Alle Bewohner des Clubs versammelten sich auf dem Friedhof und selbst vor den Jüngsten wurde dies Tradition nicht verheimlicht.

Burn For You 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt