Kapitel 28

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Eigentlich hatte ich angenommen, dass sich mein Wesen dementsprechend weiterentwickelt hat, dass ich Schutzmechanismen, welche sich über den Geist hinwegsetzten, abgelegt hatte. Stattdessen raste Endorphin durch mein Blut, um Schmerzen zu vermindern, was ich wusste, weil ich die Nägel der anderen Hand nicht spürte, die Halbmonde in die Handfläche brannten. Oder wie meine Atmung sich verlangsamte, beinah zu stagnieren drohte, da jede kleinste Bewegung mein Gegenüber weiter gegen mich aufzubringen vermochte.

Vor mir stand nicht der grünäugige Teufel, sondern meine Familie. Doch es machte keinen Unterschied. »Ich habe ihn nicht vergiftet.«, lautete die erste, zitternde Abwehr.

Eine Regung von einem der Umstehenden folgte darauf nicht. »Warum hast du dich im Lager eingesperrt?« Rages Ton war emotionslos.

Im Lager selbst gab es keine Kamera, aber im Flur des Kellers. Ihm musste bei der Überprüfung der Bänder aufgefallen sein, dass die Tür sich schloss.

Staub in meiner Kehle. »Habe ich nicht. Die Tür fiel zu!«

Die Erklärungsnot kam mir bekannt vor, wie ein Deja vu, dass ich immer wieder durchlebte – mit dem Unterschied, dass ich um die Gunst aller rang. Nicht nur um die einer Person, eines Mannes.

Vertraute raue Fingerspitzen schoben sich in meine Hand, lockerten die krampfende Faust und ließen den Blutfluss zu, der Leben in meine Glieder zurückbrachte. Sie erinnerten mein unsicheres Herz daran, dass ich vor einem Menschen niemals Angst spüren müsste. Ganz gleich wie der Rest dieser Welt zu mir stand. So wie jetzt die schwer, unerbittlich lastenden Blicke.

»War jemand bei dir?«

»Nein.«

»Niemand sonst hat den Lagerraum heute betreten.«, der flüssige Stahl in Rages Augen verlor jeglichen Glanz, »Es kann kein Außenstehender gewesen sein.«

Es ist deine Schuld.

Noch ehe mein Unterbewusstsein mein Gewissen verpesten zu vermochte, unterbrach Reapers Brummen den inneren Monolog: »Niemand unterstellt dir, dass du es warst.«

Ich sah zu ihm auf, Tränen beizten in meinen Augenwinkeln, inzwischen stand er dicht an meiner Seite, als hätte er das Gespür dafür verfeinert mein Unwohlsein als sein eigenes wahrzunehmen, dann drehte sich mein Kopf in Rages Richtung, weil mir die Worte des Präs zu unwirklich erschienen. Doch eine Bewegung seines Lids und die Iriden des Russen erhielten das matte Funkeln zurück, das ich nach all den Monaten als Zeichen der Zuneigung identifiziert hatte. Ihm war der Club heilig, er stellte die Familie dar, die ich ebenso gefunden hatte, und sein einziger Lebenssinn schien darin zu bestehen, sie zu schützen. Auch wenn es bedeutete, nahestehende Personen zu durchleuchten, weil jede potenzielle Gefahr im Keim erstickt werden musste.

Damit wandelte sich die Furcht in Anerkennung. Es gab kaum Menschen wie Rage, die wie ein Bluthund verteidigten, was ihnen am Herzen lag.

»Wir müssen herausfinden, was passiert ist«, murmelte Correy, der bisher schweigend am Rand der Gruppierung gestanden hatte.

Ein stummes, geschlossen Nicken machte die Runde.

»Okay, Addy«, sprach der Sergeant und lehnte sich mit verschränkten Armen vor der Brust an die Tischplatte hinter ihm. »Erzähl uns nochmal was seit Beginn eurer Schicht passiert ist.«

Mit der Hand fest in Reapers erzählte ich, woran ich mich erinnerte und Debrah ergänzte an den ein oder anderen Stellen ihre Sicht der Dinge, bis jeder darüber im Bilde war, was sich bis zu dem Zusammenbrechen des Mannes zugetragen hatte. Kein Teil der Geschichte wies Unstimmigkeiten auf, die Misstrauen hätten schüren können. Das war vorteilhaft für mich, allerdings ausgesprochen fatal für den MC.

Burn For You 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt