Kapitel 22

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Olivia

Das hell erleuchtete Diner, vor dem Jacob beinahe exakt zwanzig Minuten später parkte, sah deutlich einladender aus als die Pizzeria. Wie ich es geschafft hatte, während der Fahrt hierher nicht einzuschlafen, war mir selbst unerklärlich. Einzig der Gedanke an den warmen Kaffee, der mich dort drinnen erwarten würde, motivierte mich aus dem Auto zu steigen und Jacob zum Eingang des Diners zu folgen. Uns empfing ein fast schon unangenehm süßlicher Duft und die Klänge eines Popsongs, der so oft im Radio gespielt wurde, dass man ihn inzwischen nicht mehr hören mochte. Nur wenige der Tische waren besetzt, was mich in Anbetracht der Uhrzeit und des fast leeren Parkplatzes nicht weiter überraschte. Jacob legte eine Hand auf meinen unteren Rücken, um mich zu einem freien Tisch zu führen. Er reichte mir eine der leicht klebrigen Karten. Das Angebot war riesig, von Burger, über Pizza bis hin zu Pancakes schien es hier alles zu geben. „Kannst du was empfehlen?", fragte ich Jacob in der Annahme, dass er dieses Diner, genauso wie die Pizzeria, nicht zum ersten Mal besuchte.

„Ich kenne nur die Pancakes, die sind ganz gut", entgegnete er schulterzuckend, aber ohne große Begeisterung. Ich ließ meinen Blick über die Karte wandern und musste feststellen, dass es allein bei den Pancakes mindestens ein Dutzend Variationen gab. Bevor ich mir die Hälfte durchgelesen hatte, trat eine ältere Frau mit Locken und weißer Schürze zu uns an den Tisch.

„Willkommen bei Mandy's, was kann ich euch bringen?" Ihre Stimme klang gelangweilt, als würde sie diesen Satz alle paar Minuten sagen müssen. Was vermutlich tatsächlich stimmte.

„Ich nehme die Chocolate Chip Pancakes und einen Kaffee", bestellte Jacob. Die Bedienung notierte sich etwas auf ihrem Block, bevor sie mir einen ungeduldigen Blick zuwarf. Dafür, dass die Karte so umfangreich war, wurde einem erstaunlich wenig Zeit zur Auswahl gelassen. „Für mich bitte die Blaubeer Pancakes", sagte ich schnell, bevor sie einfach wieder verschwand, ohne meine Bestellung aufgenommen zu haben. „Und auch einen Kaffee." Sie nickte, machte sich eine weitere Notiz und ging davon. Ich sah ihr hinterher, bis sie durch eine Schwingtür verschwunden war, vermutlich in die Küche.

Begleitet von einem Gähnen verschränkte ich meine Arme auf dem Tisch, um meinen Kopf darauf abzulegen. „Man könnte meinen, du seist achtzig Jahre alt", lachte Jacob, woraufhin ich ihm einen bösen Blick zuwarf. „Falls du es nicht mitbekommen hast: ich bin sehr oft von einer Klippe gesprungen und habe im Anschluss mindestens vier Stunden lang getanzt", verteidigte ich mich. „Meine Müdigkeit ist also durchaus berechtigt. Wieso bist du hellwach?" Jacob zuckte grinsend mit den Schultern. „Weil ich jung und fit bin."

„Ich bin jünger als du", brummte ich. Damit ich nicht aus Versehen einschlief, richtete ich mich wieder auf. Dabei fiel mein Blick auf die Jukebox, die in einer Ecke des Diners stand. Einer der anderen Gäste stand gerade davor und wählte ein Lied aus. Ich konnte nur hoffen, dass er Geschmack hatte und ein Lied auswählte, das man nicht ohnehin alle halbe Stunde im Radio hörte.

„Müde und hungrig bist du ja noch schwieriger zu ertragen."

Ich riss meinen Blick von der Jukebox los und funkelte Jacob wütend an, der mich nur breit angrinste, als hätte er genau diese Reaktion erwartet. Bevor ich mir eine schlagfertige Antwort überlegen konnte, kehrte die Bedienung zurück an unseren Tisch und stellte zwei dampfende Becher vor uns ab. Ich atmete den wohltuenden Duft tief ein und fühlte mich bereits wacher, bevor ich den ersten Schluck getrunken hatte. Obwohl der Kaffee eigentlich noch viel zu heiß war und ich mir nach der Pizza nun zum wiederholten Mal den Gaumen verbrannte, trank ich gierig, als hätte ich seit Tagen keine Flüssigkeit zu mir genommen. Ich spürte Jacobs Blick auf mir, wusste, dass er sich über mich lustig machte, doch es war mir egal.

„Wieder unter den Lebenden?", fragte er, als ich den fast zur Hälfte leeren Becher vor mir abstellte. Ich nickte und brachte nun tatsächlich auch ein Grinsen zustande. Vielleicht hatte Jacob vorhin - gestern - Recht gehabt mit seiner Aussage, ich würde ohne Kaffee nicht funktionieren. Möglicherweise sollte ich mir darüber mal Gedanken machen... irgendwann. Ein neues Lied begann und ich sah, wie Jacob die Augen verdrehte. Anscheinend war er ähnlich wenig begeistert von der Musik-Auswahl der anderen Gäste, wie ich.

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