Kapitel 44

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Olivia

Es tat weh. Es tat verdammt nochmal weh, aber ich wollte nicht, dass Jacob das sah. Mit meiner Offenheit hatte ich mich verletzlich gemacht und anstatt sich mir genauso zu öffnen, hatte Jacob zugetreten. Metaphorisch natürlich. Aber dennoch.

„Wieso nicht?", fragte ich, obwohl ich mich vor der Antwort fürchtete.

Jacob wirkte verzweifelt und verlieh mir damit neue Hoffnung. Er kämpfte. Mit sich und offensichtlich mit Dämonen, die ich nicht kannte.

„Ich mag dich schon viel mehr, als ich eigentlich sollte. Wenn ich jetzt auch noch diesen letzten Schritt gehe..." Er ließ den Satz unbeendet und schüttelte den Kopf. Aber ich sah den Wunsch in seinen Augen, sah das Verlangen, genau diesen letzten Schritt zu gehen. Dieser Anblick gab mir den Mut, näher an Jacob heranzutreten, bis ich direkt vor ihm stand und den Kopf heben musste, um ihm ins Gesicht schauen zu können. „Dann was?" Ich flüsterte beinahe. Jacobs Atem streifte mein Gesicht und ließ mich beinahe erschaudern. Er schloss die Augen und ich meinte spüren zu können, wie sein Widerstand bröckelte. Voller Zuversicht, dass es das hier genau so sehr wollte wie ich, hob ich meine Hand und fuhr mit zwei Fingern sanft über seine Wange.

„Bitte hör auf."

Drei Worte. Drei Worte, die er nur mit sichtbarer Mühe hervorbrachte und die mir doch einen schmerzhaften Stich ins Herz versetzten. Beschämt über die offensichtliche Zurückweisung ließ ich meine Hand sinken und trat zwei Schritte zurück. Ich sah zu Boden, denn ich wollte Jacob in diesem Moment nicht ansehen. Wollte nicht wissen, was für Emotionen sich in seinen Augen widerspiegelten. Vermutlich würde ich sie ohnehin wieder falsch deuten.

„Was ist so schlimm daran, mich zu mögen?", fragte ich, während in mir eine gefährliche Mischung aus Verzweiflung und Wut zu brodeln begann. Ich konnte und wollte niemanden zwingen, mich zu mögen, natürlich nicht. Aber Jacob hatte es zugegeben. Er hatte gesagt, dass er mich mochte. Und trotzdem ließ er mich jetzt redensartlich im Regen stehen.

„Bitte denk niemals – nicht für einen Augenblick – dass es an dir liegt." Der flehende Unterton in seiner Stimme brachte mich nun doch dazu, ihn anzusehen. Er hatte die Augen wieder geöffnet. Die Verzweiflung in seinem Blick schien meine eigene zu spiegeln, doch darauf konnte ich mich weder verlassen, noch konnte ich irgendetwas damit anfangen.

Ich zuckte mit den Schultern. „Ehrlich gesagt lässt du mir keine andere Wahl", entgegnete ich. Solange er mir keine Erklärung für sein Verhalten lieferte, musste ich davon ausgehen, dass es an mir lag. Woran denn sonst?

Mir entging nicht, wie er seine Hände zu Fäusten ballte. Wogegen kämpfte er so sehr an? Und weshalb? „Glaub mir Olivia, wenn ich könnte, würde ich. Aber ich kann nicht."

Olivia. Olivia, Olivia, Olivia.

Wieso nicht?", fuhr ich ihn an, ohne mich darum zu kümmern, wie lächerlich ich mich mit meiner Verzweiflung machte. „Und hör auf, mich Olivia zu nennen."

Das schien ihn für einen kurzen Moment abzulenken, denn er runzelte irritiert die Stirn. „Wieso?"

Ich hatte ihm meine Gefühle bereits auf dem Silbertablett präsentiert, jetzt spielte es überhaupt keine Rolle mehr, was ich ihm noch alles offenbarte. „Weil ich dann denke, ich würde dir etwas bedeuten", murmelte ich, meinen Blick fest auf seine Füße fixiert. Füße, die sich nun auf mich zubewegten.

„Wenn du mir nicht so verdammt viel bedeuten würdest, wären wir jetzt nicht in dieser Situation", sagte er und blieb wenige Zentimeter vor mir stehen. „Dann hätte ich schon lange..." Er hob die Hand und strich mir eine Haarsträhne hinter mein Ohr. Noch immer wagte ich es nicht, den Blick wieder zu heben. „Seit... seit Wochen bin ich drauf und dran verrückt zu werden, weil ich an nichts anderes mehr denken kann als an dich. Was du gerade macht, wie es dir geht, ob du glücklich mit Finn bist. Und das möchte ich nicht. Das bin nicht ich, das darf ich nicht sein."

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