Kapitel 39

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Jacob

Vor dem Tresen des Cafés hatte sich eine lange Schlange gebildet, als ich es am nächsten Morgen betrat, also wartete ich in der Nähe der Tür, bis Ella und ihre Kollegen die Kunden abgearbeitet hatten. Irgendwann während dieser Wartezeit musste sie mich bereits entdeckt haben, denn als ich schließlich zu ihr an den Tresen trat, verriet ihr Gesichtsausdruck, dass sie genau wusste, was ich von ihr wollte. Hatte Noah mit ihr gesprochen? Wusste sie von seiner Vermutung, teilte sie diese Vermutung vielleicht sogar? Noch jemanden, der mir ins Gewissen redete, konnte ich wirklich nicht gebrauchen. Eventuell deutete ich ihren Gesichtsausdruck auch falsch und sie würde mir gleich einen Vortrag halten, weil ich ihrer besten Freundin die Hand gebrochen hatte.

„Einen Kaffee, bitte", bestellte ich in einem möglichst freundlichen Ton, der mein schlechtes Gewissen nicht zu sehr in den Vordergrund stellen sollte.

„Du bist echt ein Idiot."

Okay, wir würden den Smalltalk also überspringen. Meinetwegen.

„Was habe ich denn gemacht, verdammt nochmal?" Vielleicht hatte ich bei ihr mehr Erfolg mit dieser Frage, als bei Olivia selbst.

„Sie so kurz nach der Trennung auf Finn anzusprechen, war einfach nur unsensibel", zischte Ella. Damit hatte sie nicht unrecht. Aber ich war nicht hier, um Vorwürfe über mich ergehen zu lassen. Ich war hier, um zu erfahren, weshalb Olivia vor mir weggerannt war und weshalb Finn Geschichte war. Die erste Frage schien mit Ella Vorwurf beantwortet. Dennoch verspürte ich das Bedürfnis, mich zu verteidigen.

„Woher sollte ich denn wissen, dass sie sich von Finn getrennt hat? Ich bin kein Hellseher!"

„Sie hat sich nicht-" Ella stockte mitten im Satz, doch zu spät. Ich hatte gehört, was ich hören wollte. Oder besser gesagt, was ich nicht hören wollte, zumindest wenn ich den dumpfen Schmerz in meinem Magen richtig deutete. Mit einem leisen Fluchen flüchtete Ella in Richtung der Kaffeemaschine. Am liebsten wäre ich einfach über den Tresen geklettert, um ihr zu folgen, aber ein bisschen Vernunft war mir noch erhalten geblieben, weshalb ich lediglich am Tresen entlang ging, bis ich wieder nah genug bei Ella stand, um nicht die gesamte Kundschaft des Cafés an unserer Unterhaltung teilhaben zu lassen.

Er hat sie Sache beendet?" Schnaubend schüttelte ich den Kopf. „Und ich soll der Idiot sein?" Ella ignorierte beide Fragen, was ich ihr nicht verübeln konnte, sie waren ohnehin eher rhetorischen Charakters gewesen. Aber auf eine Frage brauchte ich dringend eine Antwort.

„Wieso?"

Mit einem beinahe spöttischen Grinsen drehte Ella sich um und trat zu mir an den Tresen. Offenbar war auch sie nicht scharf darauf, dass andere unser Gespräch mit anhörten. „Wieso du ein Idiot bist?", fragte sie. „Das wüsste ich auch ganz gerne."

Ich verdrehte die Augen. „Wieso hat er Schluss gemacht?", konkretisierte ich meine Frage, obwohl ich mir sicher war, dass Ella bereits gewusst hatte, was ich wissen wollte. Zu meiner Enttäuschung schüttelte sie nun den Kopf. „Ich habe dir schon mehr gesagt, als ich sollte. Wenn es dich wirklich so brennend interessiert, frag Olivia. Entweder sie sagt es dir oder halt nicht. Das ist ihre Entscheidung."

Sie stellte mir meinen Kaffee energischer als nötig auf den Tresen. Ich zahlte und zog mich dann in eine Ecke des Cafés zurück, um dem prasselnden Regen draußen noch eine Weile zu meiden. Es war gut, dass Olivia sich nicht von Finn getrennt hatte, versuchte ich mir einzureden. Es war gut, dass die Trennung sie mitnahm. Nicht, weil ich wollte, dass es ihr schlecht ging, natürlich nicht. Aber das bedeutete, dass sie mich nicht wollte, nicht auf diese Weise. Unter diesen Umständen konnte ich mich zusammenreißen, konnte als Freund für sie da sein.

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