Olivia
Noah behielt recht: Jacob ging mir aus dem Weg.
Zwei Tage lang.
Zwei Tage, in denen ich mich hauptsächlich in meinem Zimmer aufhielt und versuchte, die Gedanken in meinem Kopf zu ordnen. Ich war mir sehr schnell sicher, dass ich während meiner Zeit mit Finn die Augen davor verschlossen hatte, wie gerne ich mich in Jacobs Nähe aufhielt und wie sehr er mir tatsächlich ans Herz gewachsen war. Auch über die körperliche Anziehung zwischen uns musste ich nicht lange nachdenken. Die existierte. Die größte Frage war, was ich eigentlich wollte. Eine Beziehung mit Jacob war ausgeschlossen, das hatte er mehr als einmal sehr deutlich gemacht. Und egal wie sehr mich die Sache mit Finn runterzog, im Herzen wusste ich, dass ich ein Beziehungsmensch war. Aber wie sollte ich andere Leute kennenlernen und mich auf sie einlassen, wenn Jacob immer präsent war, in der Realität und in meinen Gedanken?
Wenn wir der körperlichen Anziehung nachgaben und dabei Freunde blieben... wie unterschied sich das dann von einer Beziehung? Würde er sich weiter mit anderen Frauen wie Ruby treffen? Würde ich mich so nicht immer tiefer ins Verderben stürzen? Nein, wir durften uns nie wieder so nah kommen wie am Samstagnachmittag und erst recht nicht noch näher.
Zwei Tage, bevor am Montagabend mein Handy vibrierte. Sobald ich Jacobs Namen auf dem Display sah, rannte mein Herz praktisch davon. Ich wusste nicht wo es hinwollte, aber es verlangsamte sein Tempo auch nicht, als ich mein Handy entsperrte und realisierte, dass es kein simples „Hey" war, sondern eine sehr lange Nachricht. Ich ging von meinem Schreibtisch zu meinem Bett und setzte mich mit einem Kissen im Rücken an das Kopfteil, klemmte mir zur Beruhigung Dumbo unter den Arm und begann zu lesen.
Jacob: Ich habe dir schon einmal gesagt, dass ich nicht gut im Entschuldigen bin. Durch dich scheine ich es zu lernen, denn es gab noch nie eine Person in meinem Leben, bei der ich mich so oft entschuldigen musste, wie in den letzten Wochen bei dir. Ich weiß nicht, was da neulich in mich gefahren ist, aber es war definitiv nicht in Ordnung. Ich kann es dir nicht erklären, deshalb versuche ich es gar nicht erst. Reicht es, wenn ich dir versichere, wie leid es mir tut und dass es garantiert nicht noch einmal passieren wird? Alternativ besorge ich dir so eine Kaffee-Flatrate, mit der du dir ein Jahr lang auf meine Kosten Kaffee kaufen kannst. Vielleicht kann ich damit meine Mitgliedschaft im #TeamWatson retten. Ich werde dich zu nichts drängen, es ist deine Entscheidung. Aber weil wir abgemacht haben, Missverständnisse zu vermeiden und weil du ein bisschen Ehrlichkeit verdienst: es wäre echt scheiße, dich zu verlieren. Sorry für mein Verhalten in deinem Zimmer und sorry, dass ich abgehauen bin.
Ich ließ das Handy sinken und schloss die Augen. Jacob präsentierte mir einen Ausweg, nach dem ich in den letzten zwei Tagen so verzweifelt gesucht hatte. Unsere Freundschaft nicht aufgeben. Vergessen, was am Samstag passiert war. Eine Option, an die ich selbst natürlich auch schon gedacht hatte. Aber wie sollte ich vergessen, wie gut sich die Nähe zu ihm angefühlt hatte? Seine Lippen an meinem Hals, sein leises Stöhnen, seine Finger an meiner nackten Haut. Ich konnte doch nicht so tun, als hätte mir all das nichts bedeutet. Wie sollte ich in seiner Anwesenheit weiter ich selbst sein, wenn ich ihn durchgehend anlügen musste?
„Es wird immer zwischen euch stehen, wenn ihr nicht darüber redet", kamen mir Noahs Worte wieder in den Sinn. Jacobs Ausweg war einfach. Keine Erklärung, nur eine Entschuldigung. Aber ich befürchtete, dass wir uns früher oder später doch verlieren würden, wenn wir diesen Weg wählten. Aus diesem Grund erhob ich mich vom Bett und verließ wenige Minuten später das Wohnheim. Wer so eine lange Nachricht schrieb, war in der Regel nicht irgendwo unterwegs, sondern zuhause. Wenn ich mich irrte, würde ich eben vor der Wohnung auf Jacob warten, irgendwann musste er schließlich zurück kommen. Doch ich musste nicht warten, Jacob war zuhause und sah mich sehr überrascht an, als er mir die Tür öffnete.
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won't fall in love
Romance"Darf ich mal kurz kitschig werden?", fragte Olivia nach einer Weile angenehmen Schweigens. Aber kein Schweigen war so angenehm wie Olivia reden zu hören. Ihre Frage ließ mich jedoch misstrauisch werden. "Kitschig?" Ich hatte keine Ahnung worauf sie...