Kapitel 11

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Jacob

Amüsiert sah ich Olivia hinterher, die mit einer wütenden Miene aufgesprungen war und nun die Treppe hochstampfte. „Gute Nacht, Watson", rief ich ihr hinterher, doch sie würdigte mich keines weiteren Blickes. Selbstverständlich wusste ich, dass der Typ Finn hieß, doch im Laufe unseres Gesprächs war es zu meinem geheimen Ziel geworden, die senkrechte Zornesfalte auf ihrer Stirn, die sich immer bildete wenn ich etwas sagte, was sie verärgerte, so oft wie möglich hervorzurufen. Mit einem Lächeln auf den Lippen drehte ich mich wieder um. Wenn ich die wenigen Minuten, in denen Olivia und ich uns unterhalten hatten, mit denen verglich, die ich mit Ruby auf der Party verbracht hatte, musste ich zugeben, dass ich die Unterhaltung mit Olivia lieber weitergeführt hätte, als zu Ruby zurückzukehren.

Das war unerwartet.

Vielleicht war es ein Fehler gewesen, Olivia von Beginn an auf Sicherheitsabstand zu halten. Vielleicht wäre mir sonst schon viel früher aufgefallen, wie leicht sie sich provozieren ließ und wie viel Freude mir das bereitete. Doch ich durfte auch nicht vergessen, dass ich diesen Sicherheitsabstand nicht ohne Grund einhielt. Die Tür zu meiner Rechten öffnete sich, zwei kichernde junge Frauen stolperten heraus und die Geräuschkulisse aus dem dahinter liegenden Flur drang für einen kurzen Moment zu mir ins Treppenhaus. Als die Tür wieder zugefallen und die kichernden Frauen nach unten verschwunden waren, vergrub ich mein Gesicht mit einem leisen Stöhnen in meinen Händen. Im Gespräch mit Olivia war mir erst so richtig bewusst geworden, dass ich den Date-Deal niemals hätte vorschlagen, geschweige denn durchziehen dürfen. Ich hatte Olivia gegenüber nicht die ganze Wahrheit gesagt. Natürlich war es nicht meine klügste Entscheidung gewesen, Ruby gestern mit zu mir nach Hause zu nehmen. Doch mein eigentlicher Fehler lag darin, dass ich sie heute hierher eingeladen und ihr damit Hoffnung auf mehr gemacht hatte, obwohl ich wusste, dass ich keine Beziehung mit ihr eingehen würde.

„Warum müsst ihr immer Händchen halten?", fragte ich und funkelte meinen Vater wütend von der Seite an. Lachend warf er seinen Kopf in den Nacken. „Was spricht denn dagegen, dass ich die Hand meiner Frau halte, die ich über alles liebe?", fragte mein Vater. Anstatt mich dabei anzusehen, hielt er den Blick weiter auf die Fahrbahn vor uns gerichtet. Er war der sicherste Autofahrer den ich kannte, die Eltern meiner Freunde, bei denen ich schon mitgefahren war, fuhren deutlich schneller und ließen sich viel leichter ablenken.

„Es ist peinlich", murmelte ich und sah aus dem Seitenfenster. „James sagt, dass so etwas nur Teenager machen, keine erwachsenen Menschen." Wieder lachte mein Vater, was mich nur noch wütender machte. „Was macht denn James zum Experten in Sachen Händchen halten? Er ist neun Jahre alt!"

„Seine Schwester ist 14 und die hält dauernd Händchen mit ihrem Freund und knutschen tun die beiden auch ständig und überall. James sagt, dass das niemand komisch findet, weil alle aus ihrer Klasse das machen. Aber ihr seid die einzigen Eltern, die er kennt, die sich so verhalten. Wie Teenager. Er hat euch am Wochenende gesehen und heute hat er es überall rum erzählt und alle haben gelacht."

Nun lachte mein Vater nicht mehr, stattdessen seufzte er einmal schwer und schwieg den Rest der Fahrt. Als er den Wagen in unserer Auffahrt zum Stehen gebracht hatte, ich meinen Gurt löste und die Tür öffnen wollte, legte er mir eine Hand auf die Schulter. Etwas widerstrebend wandte ich mich zu ihm um.

„Jetzt hör mir mal gut zu, Jacob. Liebe ist nichts, für das man sich schämen sollte. Die Fähigkeit, eine andere Person zu lieben, auch noch nach vielen gemeinsamen Jahren, ist etwas, worauf man stolz sein kann. Diese Liebe zu verstecken, wäre ein großer Fehler, denn dann spürt die andere Person diese Liebe nicht mehr und wird einsam und traurig. Deine Mutter und ich wünschen uns für Maja und dich nichts mehr, als dass ihr auch eines Tages jemanden findet, mit dem ihr auch noch mit achtzig Jahren Händchen halten wollt."

won't fall in loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt